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31.01.2020·Implantatprothetische Rekonstruktionen Tissue Master Concept® ‒ Replantation, Extrusion und Translation von Zähnen und Wurzelsegmenten

·Implantatprothetische Rekonstruktionen

Tissue Master Concept® ‒ Replantation, Extrusion und Translation von Zähnen und Wurzelsegmenten

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZahnmedizinReport, Berlin

| Für eine implantatprothetische Rekonstruktion ist ein optimales Implantatlager von grundlegender Bedeutung. In der täglichen Praxis sind jedoch aufgrund von Weichgewebs- und Knochendefiziten häufig Augmentationen notwendig. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Techniken zum Strukturerhalt nach Extraktionen (Socket Preservation) beschrieben. Einen völlig neuen Weg zur biologischen Regeneration beschreitet man mit dem „Tissue Master Concept“ (TMC) nach Dr. Stefan Neumeyer. |

 

Biologische Regeneration mittels TMC

Der Ersatz eines verloren gegangenen Zahnes mittels einer implantat-prothetischen Versorgung ist an ein suffizientes Weich- und Hartgewebelager gebunden. Mit der Extraktion eines Zahnes geht ein beträchtlicher Verlust des alveolären Gewebes und vor allem der bukkalen Lamelle einher. Da die Resorption der bukkalen Lamelle einen sehr umfangreichen Volumendefekt verursacht, sind vorbeugende oder nachfolgend augmentative Strategien nicht zu vermeiden. Chirurgische Maßnahmen sind oft sehr umfangreich, invasiv und vor allem für ältere Patienten belastend. Hinzu kommt das Problem, dass die Vorhersagbarkeit des operativen Ergebnisses mit der Größe des Defekts abnimmt.

 

Das „Tissue Master Concept“ enthält die Replantation (Zurückverpflanzung eines ausgeschlagenen Zahnes), Extrusion (Heraustreten der Zähne aus dem Kiefer) und Translation (Übertragung) von Zähnen und Wurzelsegmenten. Es hat das Ziel, eine biologische Regeneration zu erreichen. Der neue Ansatz besteht darin, mithilfe biologischer Verfahrenstechniken der Resorption der bukkalen Lamelle entgegenzuwirken. Den Schlüssel dazu bilden das parodontale Ligament und der supraalveoläre Faserapparat.

 

Der Grundgedanke des TMC besteht im Fall einer Extraktion darin, von dem extrahierten Zahn eine Wurzelscheibe bzw. bei mehrwurzeligen Zähnen mehrere Wurzelscheiben oder -segmente von circa 3‒4 Millimetern Höhe zu replantieren, um über die wiederhergestellte Funktion des extraalveolären Faserapparats die Struktur und Form des alveolären Volumens erhalten zu können. Ein großer Vorteil dieses Vorgehens ist, dass im Bereich der Alveole ohne Inzision chirurgisch interveniert werden kann, sodass keine Narben zu befürchten sind ‒ was vor allem in ästhetisch riskanten Bereichen wichtig ist. Die Wurzelsegmente werden auf einfache Art und Weise z. B. mit einer Lindemannfräse gebildet und in den Eingang der mit frischem Blut gefüllten Alveole reponiert.

 

Das Wiederanheften der Fasern des extraalveolären Faserapparats und des Desmodonts erfolgt binnen weniger Tage. Die Reparation der Alveole mit Knochen benötigt im Anschluss circa sechs bis acht Wochen. Dann kann nach vorsichtigem Entfernen der Wurzelscheibe in ortsständigen Knochen ‒ bei Erhalt des alveolären Volumens und der Gewebestrukturen ‒ mit sehr vorhersagbarem Ergebnis implantiert werden.

 

Replantierte und eingeheilte Wurzelsegmente können bei Formkongruenz bereits nach zehn Tagen extrudiert werden und man kann ‒ ähnlich wie bei der Extrusion eines ganzen Zahnes ‒ ein „Follow-up“ aller angrenzenden parodontalen und alveolären Gewebestrukturen feststellen. Da aber das Anheften im Wesentlichen nur über die extraalveoläre Faserstruktur erfolgt, ist der Bewegungszeitraum mit circa ein bis zwei Tagen bei einwurzeligen Zähnen und mit zwei bis fünf Tagen bei mehrwurzeligen Zähnen sehr kurz. Der Fixations- und Reifezeitraum beträgt circa sechs bis zehn Wochen. Das Ergebnis ist ein spongiöser trabekulärer Knochen, der in Verbindung mit der erhaltenen Weichgewebeabdeckung die Grundlage für ein sehr gutes, langfristig stabiles implantatprothetisches Ergebnis darstellt.

 

PRAXISTIPP | Der Erfolg dieser Verfahrenstechnik hängt ganz entscheidend von einem vitalen parodontalen Ligament ab. Während des zahnärztlichen Eingriffs ist jede Schädigung des Parodonts unbedingt zu vermeiden. Jeder extrahierte Zahn sollte sofort in physiologischer Kochsalzlösung aufbewahrt werden, um eine Austrocknung des Ligaments bis zur weiteren Verarbeitung des Zahnes zu verhindern.

 

Fallbericht

Dr. Maria Bruhnke von der Charité Berlin berichtet auf den DGI-Kongress in Hamburg über einen Fall, bei dem das TMC-Konzept erfolgreich angewandt wurde: Ein Patient stellte sich mit einem tief kariös zerstörten, bereits trepanierten und klinisch festen Zahn 14 vor. Auf dem Röntgenbild war eine apikale Aufhellung erkennbar. Ziel war es, den Zahn atraumatisch zu extrahieren und ein Wurzelsegment zu replantieren. Entsprechend dem TMC wurde ein Extrusionsstift auf der Zahnoberfläche und zwei Extrusionsstangen als Widerlager an den Nachbarzähnen adhäsiv befestigt. Spanngummis übten eine nach okklusal gerichtete Kraft aus. Nach der Extrusion konnte der Zahn atraumatisch entfernt, die Wurzel koronal reseziert, in die Alveole replantiert und an den Nachbarzähnen fixiert werden. Nach drei Monaten erfolgte die Implantation eines zweiteiligen Zirkoniumdioxidimplantats. Bei vollständigem Erhalt der umgebenden Hart- und Weichgewebe konnte das Implantat in ortsständigem Knochen primärstabil inseriert werden.

 

FAZIT | Die kieferorthopädische Extrusion und Replantation von Wurzelsegmenten nach dem TMC-Konzept steht den augmentativen Techniken als maximal-gewebeerhaltende und minimalinvasive Therapiealternative gegenüber, bei der auf umfangreiche operative Maßnahmen verzichtet wird. Die Ergebnisse sind denen chirurgischer Techniken mindestens ebenbürtig, sehr vorhersagbar und langzeitstabil. Die Belastung der Patienten wird reduziert und die Patienten-Compliance gesteigert. Das Konzept besticht durch einfache Durchführbarkeit und ergänzt das Portfolio anderer strukturerhaltender Maßnahmen in der täglichen Praxis.

 

Quellen

  • Neumeyer S.The Tissue Master Concept (TMC): innovations for alveolar ridge preservation. Int J Esthet Dent. 2017; 12 (2): 246-257.
  • Bruhnke M. Extrusion und Replantation von Wurzelsegmenten zum Alveolenerhalt mit dem TMC-Konzept ‒ ein Fallbericht. 33. DGI-Kongress, Hamburg, 28.11.-30.11.2019.
  • Neumeyer S. Grundlegende Aspekte des Tissue Master Concepts (TMC) ‒ ein biologisches Gewebemanagement. BZB Bayerisches Zahnärzeblatt 2013; (11): 54-60.