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01.09.2015·Kostenerstattung Preise für Zahntechnik: Wie kann man auf die Anwendung von „Frequenzlisten“ reagieren?

·Kostenerstattung

Preise für Zahntechnik: Wie kann man auf die Anwendung von „Frequenzlisten“ reagieren?

| Die Debeka hat einen neuen Weg gefunden, bei der zahntechnischen Preiskalkulation mittels einer sogenannten „Frequenzliste“ einzugreifen, um zahntechnische Honorarleistungen einzusparen. PI Praxis Implantologie stellt Ihnen den Sachverhalt vor und kommentiert die rechtliche Lage. |

Der Patientenfall

Im Rahmen eines Gesamtkonzepts sollen im Unterkiefer die Zähne 41 bis 34 vollkeramische Kronen erhalten. Das eingeheilte Implantat regio 35 wird mit einem individuellen Zirkonaufbau und mit einer Vollkeramikkrone versorgt. Nach der Vorbehandlung erhielt der Patient einen Heil- und Kostenplan (HKP) und einen Kostenvoranschlag (KV) aus dem praxiseigenen Dentallabor.

 

  • Der HKP umfasst die Leistungen, die überwiegend mit dem 2,3-fachen Satz versehen sind. In der Planung sind die folgenden Ziffern enthalten: 1 x 0040, 1 x 5170, 5 x 2270, 6 x 4080, 5 x 2210, 3 x 9050, 1 x 2200, 1 x 8010, 1 x 8020.

 

  • Der KV enthält alle absehbaren Leistungen und Materialien, die für die Versorgung benötigt werden. Die Preise der zahntechnischen Leistungen wurden vom Praxisinhaber betriebswirtschaftlich für ein Eigenlabor ermittelt.

 

Drei Wochen nachdem die Behandlungsunterlagen bei der Debeka eingereicht wurden, bringt der Patient ein Schreiben seiner Krankenversicherung in die Praxis und bittet um Unterstützung. Wir zitieren auszugsweiserelevante Passagen bezüglich der Laborkosten, da das zahnärztliche Honorar – zumindest bis zu diesem Zeitpunkt – nicht moniert wurde.

 

  • Mitteilung der Debeka zu den voraussichtlichen zahntechnischen Material- und Laborkosten

Ein Anspruch auf Erstattung zahntechnischer Material- und Laborkosten entsteht aus § 9 Abs. 1 der GOZ. Dort heißt es: „Neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind.“ § 9 Abs. 1 der GOZ setzt also voraus, dass die Material- und Laborkosten angemessen sind. Insofern können sie nicht in beliebiger Höhe in Rechnung gestellt werden.

 

Basis unserer Kalkulation sind sogenannte bundesweite „Frequenzlisten“, die anhand einer Vielzahl von Rechnungen zahntechnischer Labore der entsprechenden Region je zahntechnische Leistung erstellt wurden. Sie stellen ortsübliche bzw. regionale Mittelwerte dar und ermöglichen die Ermittlung ortsspezifischer Kosten-Minuten-Sätze. Diese bilden zusammen mit den in der für Privatpatienten gültigen „Bundeseinheitlichen Benennungsliste“ (BEB) dargestellten Planzeiten die Grundlage zur Ermittlung angemessener zahntechnischer Preise. Unserer Bewertung angemessener zahntechnischer Leistungen liegt daher gerade keine sogenannte Bundesliste oder Sachkostenliste zugrunde. Um einem überdurchschnittlichen Qualitätsanspruch für zahntechnische Werkstücke gerecht zu werden, schlagen wir regelmäßig noch einmal 10 Prozent auf die von uns als angemessen ermittelten Preise auf.

 

Ist die Frequenzliste Bestandteil des Versicherungsvertrags?

Patienten, die seit vielen Jahren privat krankenversichert sind, werden in der Regel in ihrem Tarif keine Formulierung finden, dass die Erstattung zahntechnischer Material- und Laborkosten nur im Rahmen einer Frequenzliste erfolgt. Es könnte allerdings sein, dass der Patient in der Zwischenzeit einen Tarifwechsel vollzogen hat, ohne dass ihm die dadurch eingetretene Verschlechterung der Erstattung bewusst wurde. Enthält jedoch der Tarif keine derartige Formulierung und wurde auch kein Tarifwechsel vollzogen, so ist die Versicherung verpflichtet, die vom Zahnarzt in Auftrag gegebenen zahntechnischen Leistungen nach dem versicherten Tarif auf Grundlage der Laborrechnung zu erstatten.

Sind die Aussagen der Debeka rechtlich einwandfrei?

Gemäß § 9 Abs. 1 GOZ kann ein Zahnarzt gegenüber einem Privatpatienten die Erstattung seiner Auslagen für zahntechnische Leistungen verlangen. Die Erstattungsfähigkeit solcher Auslagen setzt nicht nur voraus, dass dem Zahnarzt diese tatsächlich entstanden sind; es können nur solche Auslagen abgerechnet werden, die „angemessen“ sind. Nach den Vorschriften gemäß §§ 632, 612 BGB ist laut Rechtsprechung die Vergütung üblich, die nach Art, Güte und Umfang gleicher oder ähnlicher Leistungen der beteiligten Kreise – also vorliegend zahntechnischer Leistungen im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsvertrags – am Ort der Sachleistung gewährt werden.

Die Höhe der angemessenen Auslagen

Der GOZ als Verordnung ist nicht zu entnehmen, bis zu welcher Höhe Auslagen als angemessen einzustufen sind. Was im Einzelfall angemessen ist, bestimmt sich nach den örtlichen Verhältnissen, aber auch nach dem besonderen Aufwand, den der Zahnarzt im Einzelfall vom Zahntechniker verlangt. Dies wurde auch vom OLG Düsseldorf mit Urteil vom 13. Mai 2002 (Az. 8 U 32/01, Abruf-Nr. 030009) bestätigt. Im Vordergrund steht die Argumentation mit sogenannten Durchschnitts- oder Mittelwerten, die die Versicherer hausintern aufgrund einer Vielzahl ausgewerteter zahntechnischer Rechnungen ermittelt haben wollen. Diese Durchschnittspreise sollen die Preise darstellen, zu denen zahntechnische Arbeiten angemessen vergütet sind. Zum einen sind diese hausintern ermittelten Preise für niemanden nachvollziehbar, zum anderen bleibt völlig unklar, welcher Leistungs- und Qualitätsstandard diesen Mittel- oder Durchschnittswerten zugrunde liegt. Nach der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung kommt es für die Ermittlung der Angemessenheit zahntechnischer Laborkosten aber gerade auf Art und Ausführung der konkreten Arbeiten an.

 

Keine Begrenzung der Angemessenheit durch die BEB

Die Angemessenheit ist wegen des werkvertraglichen Charakters der zahntechnischen Leistung in Anlehnung an § 632 Abs. 2 BGB zu beurteilen. Dabei ist die Angemessenheit nicht automatisch durch den ermittelten Durchschnittswert begrenzt, wenn die zahntechnische Leistung höhere Anforderungen erfüllt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. März 2002, Az. 8 U 118/01, Abruf-Nr. 020571). Die Angemessenheit nach § 9 GOZ wird auch nicht durch die Bundeseinheitliche Benennungsliste (BEB) begrenzt. Diese ist nicht staatlich verordnet wie zum Beispiel die GOZ, sondern enthält Vorgaben an Planzeiten als Kalkulationsgrundlage für verschiedene zahntechnische Arbeitsschritte.

 

Sachverständiger muss ggf. die Angemessenheit klären

In einem Gerichtsverfahren gilt es ggf. zu klären, ob die zahntechnischen Preise aufgrund ihrer besonderen Qualität angemessen sind, was unter Einbezug eines Sachverständigengutachtens zu beweisen gilt (OLG Düsseldorf 2002). Stellt sich danach heraus, dass die Kosten bei Berücksichtigung der Qualität der Leistung im ortsüblichen Vergleich unangemessen erscheinen, so wird die Kalkulationsgrundlage des Praxisinhabers Bedeutung erlangen.

Kostenvoranschlag des Praxislabors und Frequenzliste

Um einen besseren Vergleich zu ermöglichen, sind beide Listen – der Kostenvoranschlag des Praxislabors und die Frequenzliste – nachfolgend in gekürzter Version tabellarisch ohne Angabe der Einzelpreise abgebildet. Die freien Textfelder bei der Frequenzliste zeigen, dass diese nur wenige Leistungen umfasst und beispielsweise bei dem Sägemodell sicherlich andere Arbeitsschritte als Komplexleistung enthält.

 

Leistungstext Praxislabor
Anzahl
G-Preis Euro
Leistungstext Frequenzliste
Anzahl
G-Preis Euro

Modell aus Superhartgips

2

31,00

Modell aus Superhartgips

1

12,23

Individueller Löffel offen

1

33,00

Farbbestimmung individuell

1

26,00

Formteil

1

13,06

Laborimplantat reponieren

1

6,85

Zahnfleischmaske

1

14,90

Sägemodell

1

16,50

Modell für Sägesegmente

1

14,27

Sägestumpf

12

142,80

Dowel-Pins

24

50,40

Sägestumpf (inkl. Dowel-Pin, sägen, vorbereiten)

6

67,26

Dublieren Einzelstumpf

6

57,30

Stumpf aus feuerfester Masse

6

79,20

Split-Cast-Sockel

1

18,90

Split-Cast-Sockel an Modell

1

15,29

Implantatpfosten aufschr.

1

7,10

Einstelllen in individuellem Artikulator II

1

27,50

Modellmontage in Mittelwertartikulator II

1

13,25

Vollkeramikkrone

6

1.710,00

Krone gegossen, für Keramik-/Polymer Glas-Vollverblendung

6

470,88

Modellation individueller Implantataufbau

1

32,80

Mehrflächige Verblendung aus Keramik

6

588,96

Werkstück ätzen, silanisieren

6

108,00

Präzisionsaufwand bei zement. Suprakonstruktion

1

44,50

Gnathologische Individualisierung, je Zahn

6

158,40

Werkstück (Individuelles Abutment, Inlay, Krone, etc.) auf Zweitmodell aufpassen, je Element

6

102,00

Empress Material

6

324,00

Laborimplantat

1

24,00

Individueller Zirkonaufbau

1

194,00

Versandkosten

2

12,50

Versand je Versandgang

4

22,88

Montage Gegenkiefermodell

1

8,19

 

Die wenigen Posten der Frequenzliste bilden zum Teil andere Leistungsinhalte ab. Bei den Einzelkronen wurden zudem Äpfel mit Birnen verglichen: Die vorgesehene Versorgung soll in Zirkon gefertigt werden, die Frequenzliste enthält jedoch Keramikkronen mit Goldgerüst und Verblendung. Das ist bei willkürlicher Auswertung von Laborrechnungen auch nicht verwunderlich, es wurden offensichtlich jegliche Kronenfertigungen im Gesamtbetrag addiert und durch die Anzahl der Kronen dividiert.

Konsequenz: Die Frequenzliste ist abzulehnen!

Der Patient muss prüfen, ob er implantologische Leistungen versichert hat, da weder Honorarleistungen noch Materialien in der Frequenzliste enthalten sind. Alles in allem ist festzuhalten: Diese Art des Preisdiktats ist abzulehnen. Wenn im abgeschlossenen Tarif der Krankenversicherung kein Hinweis auf Erstattung nach einer Frequenzliste enthalten ist, dann sollte sich der Patient gegen die Kürzung der Laborkosten wehren. Reicht ein Schreiben nicht aus, sollte er als Kunde der Versicherung einen Fachanwalt einschalten, um eine Erstattung zu erwirken. Alternativ kann auch die regionale Zahnärztekammer und/oder die Verbraucherzentrale um Unterstützung gebeten werden.