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03.12.2013·Kostenerstattung Wann ist die private Zahnzusatzversicherung leistungspflichtig?

·Kostenerstattung

Wann ist die private Zahnzusatzversicherung leistungspflichtig?

| Zahnzusatzversicherungen bieten unterschiedliche Policen an. Bezogen auf die Leistungsstaffeln weisen viele Zusatzversicherungen eine Begrenzung der Leistungshöhe in den ersten Jahren auf, teilweise auch während der gesamten Laufzeit. Für Tarife, die keine Begrenzung vorsehen, sind in der Regel Gesundheitsfragen im Vorfeld des Versicherungsvertrages maßgeblich. Eine Ernüchterung tritt beim Patienten oft ein, wenn er seine Versicherung beansprucht. Diese prüft nun, ob die anstehende bzw. schon erbrachte Sanierung aus der Leistungspflicht ausgeschlossen werden kann. |

Wie ist die Rechtslage?

Eine Verweigerung der Erstattung mit dem Hinweis, dass „der Versicherungsfall bereits vor Vertragsabschluss eingetreten“ sei, kommt häufig vor. Die rechtliche Basis dafür liegt in der Definition des „Versicherungsfalles“. Eine Heilbehandlung beginnt nach einheitlicher Rechtsprechung nicht erst zu dem Zeitpunkt, an dem der Zahnarzt erstmals konkrete Schritte zur Heilung des Krankheitsbildes einleitet, sondern bereits mit der ersten Untersuchung des Patienten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Allgemeine Versicherungs-Bedingungen – AVB). So schreibt die CSS-Versicherung einem Patienten:

 

„Der Versicherungsfall in der privaten Krankenversicherung beginnt mit der ersten Inanspruchnahme einer ärztlichen Tätigkeit. Hierzu gehört nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern bereits die erste ärztliche Untersuchung, auf die ein Erkennen des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen wird.“

 

Diese Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, dass es dem Versicherungsnehmer anderenfalls möglich wäre, zunächst eine ärztliche Diagnose und Beratung über mögliche Behandlungsformen einzuholen und sodann eine Krankenversicherung abzuschließen bzw. eine bereits bestehende Krankenversicherung zu erhöhen, um danach eine Heilbehandlung in Anspruch zu nehmen.

 

Besteht bereits bei Abschluss einer Zahnzusatzversicherung eine Erkrankung und wurde aus diesem Grund eine Behandlung begonnen, verweigert diese zu Recht die Erstattung aller diesbezüglichen zahnärztlichen Leistungen – unabhängig davon, ob der Patient von seiner Erkrankung bei Abschluss des Versicherungsvertrages bereits konkrete Beschwerden hatte. Die Versicherungen berufen sich dabei auf die AVB, die Grundlage des Versicherungsvertrages sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AVB muss der Versicherer für vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetretene Versicherungsfälle keine Leistung erbringen.

Welche Rechtsprechung gibt es dazu? Hier sind einige Urteile ergangen, so zum Beispiel:

Genetisch bedingte Oligodontie schließt Erstattungsanspruch nicht aus

In einem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 2. Februar 2012 (Az. 814 C 78/11) hat sich eine Patientin im August 2008 aufgrund einer genetisch bedingten Oligodontie (angeborene Fehlentwicklung des Gebisses, bei der mehr als fünf Zähne fehlen) von sieben Zähnen im Oberkiefer einen Kostenvoranschlag geben lassen, um diesen bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse einzureichen. Der Kostenvoranschlag wurde aufgrundlage der hypothetischen Annahme erstellt, dass alle nicht veranlagten Zähne im Oberkiefer gleichzeitig durch Implantate ersetzt werden müssten. Tatsächlich waren zu jenem Zeitpunkt alle vom Kostenvoranschlag erfassten Zähne in Form von Milchzähnen vorhanden und nicht versorgungsbedürftig.

 

Kurz danach schloss die Patientin eine Zahnzusatzversicherung bei der CSS-Versicherung ab. Im Dezember 2010 stellte sich dann heraus, dass nunmehr der Zahn 65 nicht mehr erhaltungsfähig war und durch ein Implantat ersetzt werden muss. Nach Einreichung des Therapieplans bei der CSS wurde die Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt, der Versicherungsfall habe bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages vorgelegen. Das zuständige Amtsgericht äußerte sich dabei wie folgt:

 

„Die Krankheit der genetisch bedingten Oligodontie lag bei der Klägerin von Geburt an vor. Sie ist aber nicht heilbar, sodass ihretwegen keine Heilbehandlung medizinisch notwendig oder möglich war. Es gibt kein medizinisches Heilverfahren, das darauf gerichtet ist, den genetischen Defekt der generalisierten Nichtanlage der bleibenden Zähne zu beseitigen. Eine medizinische Heilbehandlung (der Folgen der Krankheit) wurde erst in dem Zeitpunkt notwendig, da der hier in Rede stehende (Milch-)Zahn 65 nicht mehr erhaltungsfähig war. Dieser Fall ist aber erst nach Vertragsabschluss eingetreten.“

 

Die CSS ging daraufhin in Berufung. Das Landgericht Hamburg urteilte erneut am 21. Juni 2012 über den Fall (Az. 332 S 25/12; Abruf-Nr. 133135 unter pi.iww.de) und wiederholte die Aussage, dass eine Heilbehandlung bezüglich des Zahnes 65 vor Abschluss des Versicherungsvertrages im Oktober 2008 nicht erforderlich war. Das Gericht führte aus:

 

„Der Umstand, dass die Klägerin bereits im Jahr 2008 einen Kostenvoranschlag bezüglich des Zahnersatzes aller noch vorhandenen Milchzähne eingeholt hatte, führt auch nicht zu einer anderen Betrachtung. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass für das Vorliegen eines Versicherungsfalles in objektiver Hinsicht auch die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung erforderlich ist. Eine Heilbehandlung bezüglich der noch vorhandenen Milchzähne war bei Einholung eines Kostenvoranschlages aber unstreitig noch nicht erforderlich. Der Umstand, dass für die Antragstellerin grundsätzlich im Jahr 2008 bereits absehbar war, dass später eine Behandlungsbedürftigkeit eintreten würde, führt nicht zu der Annahme des Vorliegens eines Versicherungsfalles bereits bei Vertragsabschluss.“

 

 

Nicht ausgeführter Heil- und Kostenplan kann Erstattung verhindern

Am 28. Mai 2009 hat das Oberlandesgericht Dresden (Az. 4 U 246/09, Abruf-Nr. 094102) entschieden, dass auch ein in der Vergangenheit erstellter, nicht ausgeführter Heil- und Kostenplan zu einer Verweigerung der Erstattung durch eine Zahnzusatzversicherung führen kann. Der Schaden war bereits bekannt und ist daher zumeist nicht versicherbar. Selbst die Anfertigung von Bissflügelaufnahmen reichte laut einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. November 2008 (Az. 7 S 9/08) aus, dass die Heilbehandlung begonnen hat und die Versicherung keine Leistung vornehmen muss.

 

Auch bei Zähnen, die mit Füllungen versorgt sind, endodontisch therapiert wurden und/oder parodontal erkrankt sind, verweigern Zahnzusatzversicherungen oft eine Kostenbeteiligung mit der Begründung, dass auch hier die Heilbehandlung bereits begonnen habe. Gleiches gilt für vorhandenen Zahnersatz und fehlende Zähne.

Versicherungsfall bereits vor Vertragsabschluss eingetreten: Keine Erstattung

In einem Urteil vom 7. Mai 2013 (Az. 12 U 153/12, Abruf-Nr. 132219) hatte der Patient im April 2009 seine Zahnärztin aufgesucht. Zu diesem Zeitpunkt war keiner der vorhandenen Zähne mehr erhaltungsfähig. Danach schloss der Patient eine Zahnzusatzversicherung ab – mit einer Wartezeit von acht Monaten. Im Frühjahr 2010 stellte die Zahnärztin eine medizinische Indikation für eine Implantatversorgung fest. Die Implantate wurden eingesetzt, die Behandlungskosten betrugen 25.000 Euro. Die Versicherung lehnte eine Kostenbeteiligung ab, es kam zur Klage.

 

Das OLG Karlsruhe wies die Klage ab. Begründung: Der Versicherungsschutz beginnt nicht vor Abschluss des Versicherungsvertrages und vor Ablauf der Wartezeit. Damit haftet die Versicherung nicht für Fälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind.

 

Der Erkrankungsfall war hier jedoch bereits früher eingetreten, denn der Versicherungsfall ist die „medizinisch notwendige Heilbehandlung“. Für den Beginn der Heilbehandlung ist der richtige Bezugspunkt nicht der konkrete Auftrag des Patienten an den Zahnarzt, sondern die behandlungsbedürftige Krankheit selbst. Die Heilbehandlung beginnt mit der ersten Inanspruchnahme einer solchen zahnärztlichen Tätigkeit – also schon mit der ersten zahnärztlichen Untersuchung. Der Versicherungsfall endet erst dann, wenn nach objektiv medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht.

Neuer Behandlungsfall, daher Erstattungsanspruch

In einem weiteren aktuellen Fall (27. Juni 2013, Az. 12 U 127/12, Abruf-Nr. 132220) suchte der Patient Mitte August 2008 seinen Zahnarzt auf, der eine Röntgenaufnahme anfertigte und dann eine PA-Behandlung durchführte. Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass im Bereich anderer Zähne (15 bis 17) ein nicht idealer Gebisszustand vorhanden war. Der Patient war diesbezüglich jedoch beschwerdefrei. Für die Neuanfertigung von Zahnersatz lag nach Auffassung des Zahnarztes kein akuter Behandlungsbedarf vor. Im November 2008 schloss der Patient eine Zahnzusatzversicherung ab. 2011 wurden Implantate eingesetzt. Auch hier lehnte die Versicherung eine Kostenbeteiligung ab.

 

Das OLG Karlsruhe hat die Zahnzusatzversicherung jedoch zur Zahlung verurteilt. Begründung: Mit der Untersuchung der Zähne 15 bis 17 war die Heilbehandlung beendet, die Implantatversorgung stellte einen neuen Versicherungsfall dar. Die Frage der Behandlungsbedürftigkeit bemisst sich nach objektiven Kriterien, wobei ein Entscheidungsspielraum für den Zahnarzt besteht. Die Entscheidung, die Behandlung im August 2008 nicht durchzuführen, war medizinisch vertretbar.

Abklärung der Kostenerstattung im Vorfeld der Behandlung

Ausschlüsse dieser Art sind nicht verwunderlich, bedenkt man die meist geringen monatlichen Beiträge für derartige Versicherungen. Daher können Erkrankungen und Zahnschäden, die bereits bei Versicherungsbeginn vorlagen, in der Regel nicht versichert werden. Im Allgemeinen sagt man dazu: „Ein brennendes Haus lässt sich nicht versichern“. Da der Patient bzw. Versicherte alle Informationen zur Bearbeitung seiner Behandlung der Versicherung zur Verfügung stellen muss, wird anhand der zahnärztlichen Unterlagen sehr schnell deutlich, welche Erkrankungen bzw. Zahnschäden im Vorfeld des Versicherungsabschlusses bestanden.

Problem bei Zähnen, die bereits eine Diagnose aufweisen

Patienten, die eine Zahnzusatzversicherung abschließen, werden oft nicht auf den Ausschluss der Versicherungsfähigkeit für bereits existente Erkrankungen und Zahnschäden informiert. Alle Zähne, die bei Versicherungsbeginn bereits eine Diagnose aufweisen (zum Beispiel kariöse Läsion, parodontal geschädigt, mit Zahnersatz versorgt, endodontisch therapiert oder fehlend), sind bei den meisten Zahnzusatzversicherungen nicht versicherbar.

 

Es ist daher grundsätzlich im Vorfeld einer Behandlung abzuklären, ob die Therapie in den Versicherungsumfang der Zahnzusatzversicherung fällt. Nach Übermittlung eines Heil- und Kostenplans g- gegebenenfalls mit zahntechnischen Kostenvoranschlag – erhält der Patient vor Behandlungsbeginn von seiner Versicherung eine Auskunft über das Erstattungsvolumen und kann sich frühzeitig auf die Höhe eines Eigenbehalts einstellen.

Keine Beratung des Patienten über Kostenerstattung

Allerdings muss sich der Zahnarzt keinesfalls über die individuellen Versicherungsbedingungen des Patienten informieren und er sollte auch keine Hinweise zur Höhe der eventuellen Kostenerstattung geben. Das ist allein die Angelegenheit des Patienten.