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28.06.2018·Qualitätsmanagement Misserfolgsmanagement in der Implantologie: Wie mit Problemen und Fehlschlägen umgehen?

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Misserfolgsmanagement in der Implantologie: Wie mit Problemen und Fehlschlägen umgehen?

| „Jeder Misserfolg ist eine willkommene Gelegenheit, das Denken nachzuholen“, postulierte kürzlich Dr. Derk Siebers M.Sc., Implantologe in Berlin. Unerlässlich für das implantologische Qualitätsmanagement ist für ihn der offene wissenschaftlich begleitete Erfahrungsaustausch, die Kommunikation mit Kollegen ‒ aber auch mit den betroffenen Patienten. |

Zu optimistische Erfolgszahlen in der Literatur?

Prof. Dr. Bjarni Pjetursson (Universität Island, Reykjavik) relativiert die Erfolgszahlen in der Literatur. Typisch für Studien seien Überlebensraten zwischen 92 und 99 Prozent. Eine Erfolgsrate von 99 Prozent bedeute 5 Misserfolge auf 500 gesetzte Implantate. Bei einer Erfolgsrate von 90 Prozent gehen dann bereits 50 von 500 Implantaten verloren. Hinzu komme die Tatsache, dass überwiegend Arbeiten mit guten Erfolgsraten publiziert werden.

 

„Wer berichtet schon gerne über Misserfolge?“ fragt Prof. Pjetursson und legt gleich mit einer Warnung nach: Vorsicht sei daher geboten bei Untersuchungen mit allzu hohen Erfolgsraten. Um Komplikationen zu reduzieren und Überlebensraten zu steigern, könnte man selbstverständlich allen Risikopatienten eine Implantation verweigern ‒ „denn genau dies geschieht in den Studien mit den hohen Erfolgsraten“, betonte der Referent. „Doch wenn Sie dies machen, haben Sie keine Patienten mehr.“

 

Prof. Pjetursson weiter: „Überleben ist nicht gleich Erfolg.“ Zwar säße in erfolgreichen Fällen die Schraube noch im Kiefer, doch die Frage sei, wie sie aussieht. Eine systematische Übersichtsarbeit von Pjetursson und Kollegen bescheinigt den Implantologen anhand von steigenden Erfolgsraten zwar eine positive Lernkurve, doch die ästhetischen, biologischen und technischen Komplikationsraten seien mit 13,5 Prozent noch immer hoch.

Mögliche Ursachen des Misserfolgs

Um Komplikationsraten zu mindern, ist es wichtig, mögliche Ursachen des Misserfolgs zum Thema zu machen, so Pjetursson. Folgende Unsicherheitsfaktoren können den Erfolg einer Implantat-Behandlung beeinträchtigen: Medikation, Erkrankungen und Verhalten des Patienten; Parodontitis; Implantat-Typ; Prothetik; Operationstechnik, Implantologe und Assistenz.

Die (Medikamenten-)Anamnese

Einem chirurgischen Eingriff vorausgehen muss die Anamnese und Medikamenten-Anamnese des Patienten. Das vorhandene Knochenangebot, die Knochendichte und systemische Erkrankungen entscheiden mit über den Erfolg einer Therapie! Am wichtigsten ist die Frage nach Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmern. „Der Zahnarzt oder Oralchirurg sollte allerdings nie die Medikamente eigenständig absetzen“, sondern die Medikation mit dem Hausarzt besprechen, warnt Dr. Puria Parvini, Frankfurt. Moderne neue orale Antikoagulantien (NOAKs) ermöglichen auch die Anpassung des OP-Zeitpunkts an das medikamentöse Therapieschema.

 

Ebenfalls unbedingt abfragen muss man Medikamente, die das Knochenwachstum beeinflussen. Hier zeigten Bisphosphonate und Antikörper, die vor allem in der Orthopädie und in der Onkologie eingesetzt werden, zum Teil schwerwiegende Auswirkungen auf den Kieferknochen bis hin zur Osteonekrose („Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrosen“).

 

Fragen Sie auch nach Medikamenten, die eine negative Auswirkung auf das Parodont haben können. Beispiel: das in der Rheumatherapie eingesetzte Methodtrexat (MTX), das zudem noch eine immunsupprimierende Wirkung hat, was die bakterielle Periimplantitis befördern kann. Auch Psychopharmaka und Neuroleptika beeinflussen über den reduzierten Speichelfluss die Mundflora negativ. Weitere systemische Erkrankungen, die Einfluss auf den Behandlungserfolg haben können, sind Diabetes, Erkrankungen des Immunsystems und der Leber (die indirekt das Immunsystem schwächen).

Parodontitis und das Verhalten des Patienten

Parodontitis ist einer der größten Risikofaktoren für eine Implantatbehandlung. Studien zeigen, dass die Misserfolgsraten nach 8 bis 10 Jahren bei PA-Patienten höher sind als bei parodontal Gesunden. Auch das Periimplantitis-Risiko ist höher. Prof. Pjetursson identifiziert PAR-Risikopatienten bei einer parodontalen Grunduntersuchung zur Erhebung des PSI, die nicht länger als zwei Minuten dauert. Grundsätzlich gelte jedoch, dass eine Implantattherapie dann erfolgreich ist, wenn ihr eine erfolgreiche Behandlung der Parodontitis vorausging. Ist die parodontale Situation nach erfolgter PA-Behandlung schlecht, sollte nicht implantiert werden, warnt Prof. Pjetursson.

 

Faktoren wie Bleeding on Probing (BOP), Taschentiefen, bisherige Zahnverluste, Knochenverlust, systemische oder generische Erkrankungen und das Rauchen liefern die Basis der Risikoabschätzung. Bei Patienten mit vorausgegangenen Parodontitiden sind ein engerer Recall und die unterstützende Parodontitistherapie erforderlich. Ein Wiederauftreten der Parodontitis ist bei Hochrisikopatienten jedoch trotz einer unterstützenden Parodontitistherapie nur teilweise vermeidbar.

Risikofaktor Implantat und Prothetik

Prof. Dr. Bertil Friberg, Mitbegründer der Brånemark Klinik, Göteborg, blickt auf eine große Zahl von Implantaten zurück ‒ mit unterschiedlichen Designs und gesetzt in unterschiedlichen Situationen. An der Brånemark Klinik wurden mittlerweile mehr als 41.000 Implantate gesetzt. Angeraute Oberflächen führen Studien zufolge zu einer schnelleren Knochenantwort, einer kürzeren Behandlungsdauer und einer verbesserten Überlebensrate als gedrehte Oberflächen. Auch die Prothetik spielt bei Erfolg und Misserfolg einer Implantattherapie eine große Rolle. Um einen langfristigen Erfolg zu erzielen, ist es besonders wichtig, dass der Zahnersatz gut gepflegt werden kann. Ist dies nicht der Fall, steigt die Periimplantitisrate. Zementreste sollten daher ‒ betonte Prof. Pjetursson, immer gründlich entfernt werden, da diese schon innerhalb von 4 Wochen zu einem Knochenverlust führen.

 

Misserfolge in der Implantologie können aber auch durch Material- und Implantatbrüche verursacht werden. Implantate, Abutments und Schrauben könnten sich lockern und Komplikationen verursachen, wenn sich in den Mikrospalten zwischen Implantat und Abutment Bakterien ansiedeln. Die Frage, ob Abutments zementiert oder verschraubt werden sollten, ist noch offen.

Die Operationstechnik

Dass bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen nicht immer alles glatt laufen muss, zeigt Dr. Puria Parvini, Frankfurt. Ein Beispiel ist die arterielle Blutung. In der anterioren Region im Unterkiefer können etwa die A. sublingualis und A. submentalis sowie deren Anastomosen verletzt werden. Die bidigitale Kompression ist der erste Schritt. Eine Arterienklemme erlaubt es anschließend, die Arterie zu umnähen. Dies ist auch das Vorgehen, wenn bei operativen Eingriffen in der Gaumenregion die A. palatina verletzt wird.

 

Um Beschädigungen der Arterien zu vermeiden, sollten Länge und Breite des scharfen Anteils der verwendeten Instrumente bekannt sein. Zudem gäbe es ‒ so der Experte ‒ Richtwerte, die die Lokalisation der Arterien beschreiben. Bei Operationen im Oberkiefer kann der N. infraorbitalis, bei Operationen im Unterkiefer der N. alveolaris inferior in Mitleidenschaft gezogen werden. Vermutet der Behandler, dass im Unterkiefer ein Implantat in den Nervenkanal inseriert wurde, sollte sofort eine DVT angefertigt werden.

 

Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss von Stress des Operateurs während einer Behandlung auf das Therapieergebnis. Es überrascht nicht, dass erfahrene Behandler während der Operation weniger Stress haben als Anfänger. Allerdings beeinträchtigt Stress ‒ unabhängig von der Ursache ‒ bei einem Eingriff auch die nichttechnischen Fähigkeiten des Operateurs, wie Untersuchungen zeigen. Prof. Friberg: „Wenn ich gestresst bin, zittere ich vielleicht nicht, aber ich treffe falsche Entscheidungen.“

Kommunikation ist alles

Fehler machen ist die eine Sache ‒ darüber reden die andere. Prof. Dr. Günter Dhom, Ludwigshafen: „Es kommt nicht darauf an, wie ich es sehe, sondern wie der Patient es sieht.“ Was für Patienten ein Misserfolg ist, kann aus Sicht des Arztes durchaus anders wahrgenommen werden ‒ und umgekehrt. Sicher ist sich Prof. Dhom, dass sich rund 90 Prozent der Gerichtsverfahren, bei denen Zahnärzte von Patienten verklagt werden, vermeiden ließen, wenn da nicht irgendwann ein kommunikativer Bruch stattgefunden hätte.

 

Quelle

  • Reunion 2017 der Absolventen des Masterstudiengangs Orale Implantologie von DGI und Steinbeiß-Hochschule, Berlin, November 2017.