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05.06.2015·Materialeinkauf im Wandel der Zeit Wie können die Ausgaben für den Einkauf von Materialien reduziert werden?

·Materialeinkauf im Wandel der Zeit

Wie können die Ausgaben für den Einkauf von Materialien reduziert werden?

von Dr. Detlev Nies, Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen, und Dipl. Vwt. Katja Nies (praxisbewertung-praxisberatung.com)

| Gesetzliche Anforderungen im Rahmen von QM-Vorschriften an ein lückenlos funktionierendes Warenwirtschaftssystem einerseits und deutliche Preisunterschiede zwischen Dentaldepots und Internetanbietern anderer-seits haben den Materialeinkauf bei Zahnarztpraxen nachhaltig verändert. Auch wenn die Bestellung von Materialien für die Implantologie anderen Gesetzmäßigkeiten als bei der Bestellung von Zahnärztebedarf unterliegt (sie können meistens nur beim Hersteller des jeweiligen Implantatsystems bestellt werden; dementsprechend gering sind die Spielräume für Preisnachlässe), lohnt ein Blick auf wirtschaftliche Überlegungen, die ein Zahnarzt bei der (Um)Organisation seines Bestellwesens ins Kalkül ziehen sollte. |

Es war einmal: Bestellung über das „zuständige“ Dentaldepot

Früher war die Materialbestellung einfach: Alle paar Wochen kam ein Vertreter des Dentaldepots in der Praxis vorbei, hielt ein Schwätzchen an der Rezeption, verwöhnte die Helferinnen mit Pralinen, nahm die Bestellung entgegen und ging wieder. Zwei Tage später brachte ein Bote des Depots die bestellten Waren in die Praxis. Ab einem bestimmten Bestellvolumen gab es ein paar Prozent Treuerabatt. Gute „alte Zeit“? Nur bedingt: Der Vorteil der Überschaubarkeit des Bestellwesens wurde mit hohen Materialpreisen bezahlt:

 

  • Das Depot musste alle Materialien in einem Lager vorhalten, die Lagerhaltungskosten wurden auf den Verkaufspreis umgelegt.
  • Die Kosten des Depotmitarbeiters, der die Bestellung aufnahm und den Auftrag abwickelte, wurden auch auf den Verkaufspreis umgelegt.
  • Die Versandkosten waren im Materialpreis enthalten.

 

Außerdem kostete auch das „Schwätzchen“ am Rezeptionstresen letztlich Geld, weil das Personal in dieser Zeit nicht seiner normalen Tätigkeit nachgehen konnte. Darüber hinaus war der Preisvergleich mit anderen Anbietern schwierig, weil die Preise in unübersichtlichen Katalogen und noch unübersichtlicheren Packungsgrößen und Preisstaffeln angeboten wurden.

Versandhändler mit übersichtlichen Katalogen

Erste Risse in diesem Gefüge taten sich auf, als Versandhändler damit begannen, ihre Kataloge bundesweit an die Praxen zu verschicken, um den lokal agierenden Dentaldepots Konkurrenz zu machen. Die Dentaldepots hielten dagegen, indem sie Kaufanreize zu schaffen versuchten – durch Rabattaktionen, Naturalrabatte, Sonderangebote oder abgestufte Preise für Serviceleistungen; vor allem bei der Gerätewartung, um solche Kunden zu belohnen, die ihre Verbrauchsmaterialien nach wie vor beim Dentaldepot kauften.

Gesetzliche Anforderungen und „Internetanbieter“

Mittlerweile hat sich die Situation in mehrfacher Hinsicht verschärft:

  • Der Gesetzgeber hat im Rahmen von QM-Anforderungen strafbewehrte Regeln geschaffen, mit denen sichergestellt werden soll, dass keine Materialien verwendet werden, die das Verfallsdatum überschritten haben.
  • Die Praxen sind verpflichtet, die Praxisabläufe auch bezüglich des Bestellwesens und des Materialkreislaufs zu dokumentieren.
  • Mithilfe von EDV-Programmen können die Preise beinahe sämtlicher „Internetanbieter“ miteinander verglichen werden.

 

Welche Firmen bzw. Anbieter verbergen sich hinter dem Sammelbegriff „Internetanbieter“ bzw. wer sind die wichtigsten Akteure beim Dental-Internethandel? Bei genauerer Betrachtung muss man hier zwischen den eigentlichen Anbietern und den Preisvergleichs-Plattformen unterscheiden:

 

1. Reine Bestellplattformen

Es gibt viele Versender von Dentalmaterialien, die Verbrauchsmaterialien, aber auch wartungsarme Geräte allein über das Internet anbieten. Beinahe jedes Dentaldepot bietet eine Bestellplattform über das Internet an. Die Versandhändler bzw. auch alle anderen Händler haben ihre Kataloge mittlerweile ins Internet gestellt, wo die Praxen rund um die Uhr bestellen können.

 

2. Umfassende Preisvergleichs- und Bestellplattformen

Hierzu zählen Aera (www.aera-online.de) und Wawibox (www.wawibox.de). Diese Firmen sind keine Händler, ihre Internetplattformen dienen vielmehr dem schnellen Preisvergleich der Händler, Hersteller bzw. Dentaldepots. Sie sind wichtige Akteure in diesem Segment der Internetbestellungen, liefern aber nicht selbst. Sie finanzieren sich vor allem durch Provisionen der Händler, bei denen die Praxen ihren Materialbedarf bestellen, sowie durch den „Verkauf“ des auf der eigenen Plattform basierenden Warenwirtschaftssystems.

 

Ein „althergebrachtes“ Dentaldepot ist nicht in der Lage, preislich mit den reinen Internetanbietern mitzuhalten, weil Kostenblöcke wie Katalogdruck, Auftragsannahme per Telefon, Kundenberatung durch Vertreter oder Lieferdienst dies unmöglich machen. Die Preisdifferenz zwischen den günstigsten Internetanbietern und einem Dentaldepot beträgt im Mittel mindestens 15 bis 20 Prozent. Schnäppchenjäger kommen auf 25 bis 30 Prozent Preisvorteil. Bei einem Jahresbestellvolumen von 20.000 Euro entspricht das 3.000 Euro, bei großen Praxen können auch fünfstellige Summen eingespart werden.

Bestellung beim Dentaldepot oder beim Internetanbieter?

Die Veröffentlichungen zu den jeweiligen Vor- und Nachteilen, die zu diesem Thema erschienen sind, sollen durch folgende Überlegungen ergänzt werden:

 

Dentaldepot: Günstigerer Preis für den Gerätetechniker?

Was ist zum Beispiel vom gerne vorgebrachten Argument zu halten, dass das Dentaldepot seinen Kunden bei der Bestellung von Verbrauchsmaterialien einen günstigeren Preis für den Gerätetechniker einräumt und deshalb eher über das Dentaldepot bestellt werden sollte? Die Größenordnungen können wie folgt berechnet werden:

 

Dentaldepots kalkulieren die Technikerstunde in ähnlicher Höhe wie KFZ-Vertragswerkstätten die Arbeitsstunde für Mechaniker: Es werden Arbeitseinheiten von einigen Minuten oder einer Viertelstunde gewählt, damit es nicht so auffällt, dass eine Arbeitsstunde ohne durch Materialeinkäufe bedingten Nachlass etwa zwischen 100 und 150 Euro kostet. Der Nachlass gilt meistens nicht für verarbeitete Ersatzteile und auch nicht für die Anfahrtspauschale. Für einen Kunden, der einen vergünstigten Stundensatz in Anspruch nehmen kann, wird ein ermäßigter Stundensatz in Rechnung gestellt, der in der Regel aber nicht mehr als 25 bis 30 Prozent günstiger ist als der Stundensatz ohne Ermäßigung.

 

Unter der optimistischen Annahme, dass der Stundensatz um 50 Euro günstiger ist, kann der Servicetechniker also mindestens (3.000 Euro : 50 Euro =) 60 Stunden im Jahr oder 5 Stunden im Monat in der Praxis arbeiten, bis der Preisvorteil aus dem Materialeinkauf im Internet aufgebraucht ist. Jeder mag sich selbst die Frage stellen, ob seine Praxiseinrichtung in diesem Umfang der Instandsetzung und Wartung bedarf. Im Übrigen besteht auch die Möglichkeit, auf depotunabhängige Servicetechniker, die sich meistens nach jahrelanger Tätigkeit für ein Dentaldepot selbstständig gemacht haben und daher über entsprechende Erfahrung verfügen, zurückzugreifen. Die Stundensätze dieser Fachleute liegen bei etwa 80 bis 120 Euro und sind damit ähnlich günstig wie die ermäßigten Stundensätze der Dentaldepots.

 

Lieferzeiten, Versandkosten und Naturalrabatte

Das Dentaldepot hat zumeist einen Vorteil bei den Lieferzeiten: Wenn ein bestimmtes Material dringend benötigt wird, hat man beim Dentalhandel vor Ort eine Chance, noch am gleichen Tag beliefert zu werden, beim Internethändler besteht diese Möglichkeit nicht. Falls solche Situationen allerdings häufiger vorkommen, spricht dies nicht für die grundsätzliche Bestellung über das vor Ort befindliche Dentaldepot, sondern es müssen dringend die Abläufe bei der Materialbestellung in der jeweiligen Zahnarztpraxis überprüft und geändert werden.

 

Die Versandkosten, die bei der Bestellung über einen Internethändler zwangsläufig anfallen, schmälern den Preisvorteil und müssen unbedingt in einer Vergleichskalkulation berücksichtigt werden; aber auch diese sprechen nicht generell gegen eine Bestellung über das Internet, denn beim Dentaldepot sind diese Kosten meist einfach schon im Preis enthalten.

 

Naturalrabatte in Form von Gratis-Materialien oder kleineren Geräten: Hier ist sowohl aus steuerrechtlichen als auch aus kassenarztrechtlichen Gründen Vorsicht geboten. Während die Lieferung von Gratis-Materialien noch weitgehend unproblematisch ist, stellt die Lieferung von Geräten die Praxisbuchhaltung vor Probleme: Wie soll ein Gerät – zum Beispiel ein automatisches Mischgerät oder eine Polymerisationslampe – Eingang in das steuerliche Anlageverzeichnis finden, wenn nichts dafür bezahlt wurde? Gegebenenfalls ist auch die Bestimmung aus dem Kassenarztrecht einschlägig, dass nur übliche Skonti bis zu 3 Prozent beim Zahnarzt verbleiben dürfen und höhere Rabatte an die Patienten und Krankenkassen weitergegeben werden müssen, ansonsten macht sich der Zahnarzt unter Umständen strafbar.

 

Materialeinkauf und Warenwirtschaftssystem verbinden

Der vorausschauende Praxisinhaber sollte sich bei diesem Themenkomplex nicht nur in den Preisvergleichsrechnungen verlieren, sondern direkt auch das mit dem Bestellwesen zusammenhängende übergeordnete Warenwirtschaftssystem im Blick haben. Für die Materialbestellung sind verschiedene EDV-Programme auf dem Markt, die auf umfangreichen Datenbanken die Preise vieler Anbieter hinterlegt haben und auf Knopfdruck die Anbieter mit den günstigsten Preisen auflisten können. Außerdem verfügen sie über vielfältige statistische Auswertungsmöglichkeiten und können Listen der bestellten Produkte speichern sowie Anfragen bei den Lieferanten erstellen.

 

Neben diesen „Grundfunktionen“ besteht eine wichtige Anwendung dieser Programme darin, dass sie als QM-konforme Warenwirtschaftssysteme genutzt werden können: Jedes Verbrauchsmaterial wird beim Wareneingang mit einem Aufkleber versehen und eingescannt (bisher sind die Identifizierungssysteme der Hersteller noch nicht einheitlich). Dadurch weiß das Programm, wann und in welcher Menge ein Artikel eingekauft wurde. Wenn ein Artikel später aus dem Warenlager entnommen wird, muss er erneut eingescannt werden. Das Programm erstellt eine Chargendokumentation, verwaltet die Sicherheitsdatenblätter, korrigiert den Warenbestand entsprechend, weist auf ein Unterschreiten der praxisindividuellen und produktspezifischen Mindestbestellmenge hin, weist auf ältere Wareneingänge des gleichen Artikels hin und meldet ggf. eine Überschreitung der Mindesthaltbarkeitsdauer.

 

Die Einrichtung eines derartigen Systems ist zunächst zeit- und damit auch kostenintensiv und erfordert Mitarbeiterinnen, die sich strikt an die vorgeschriebenen Arbeitsabläufe halten. Ist diese Voraussetzung jedoch erfüllt, kann insbesondere bei größeren Praxen der Umfang des Lagers reduziert und damit ein Teil des im Lager gebundenen Kapitals freigesetzt werden. Außerdem ist das Risiko gering, dass Verbrauchsmaterialien wegen Überschreitung des Haltbarkeitsdatums weggeworfen werden müssen.

Fazit: Materialbestellung per Internet ist der Vorzug zu geben

Unter Kostengesichtspunkten ist der Materialbestellung per Internet im Allgemeinen der Vorzug zu geben. Die vom Dentaldepot gebotenen Vergünstigungen bei der Inanspruchnahme von Servicetechnikern oder Durchführung von Rabattaktionen können oft den Preisvorteil des Versandhandels nicht aufwiegen. In Einzelfällen ist aber zu berücksichtigen, dass das Dentaldepot vor Ort schneller liefern kann als der Versandhandel.

 

Für kleine Praxen dürfte derzeit ein Warenwirtschaftssystem noch entbehrlich sein. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass Verbrauchsmaterialien regelmäßig auf ihr Verfallsdatum überprüft werden. Alle anderen Praxen sollten sich mit den am Markt befindlichen Warenwirtschaftssystemen auseinandersetzen und überlegen, ob sie ein solches System einführen wollen.