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31.05.2013·Aktuelle Rechtsprechung Die Haftung des Implantologen bei der Insertion von Implantaten

·Aktuelle Rechtsprechung

Die Haftung des Implantologen bei der Insertion von Implantaten

von Wolfgang Frahm, Vors. Richter des für Zahnarzt- und Arzthaftungsfälle zuständigen Spezialsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts

| Ist in der Öffentlichkeit von mangelhaften Implantaten die Rede, so geht es in jüngerer Zeit vorwiegend um Brustimplantate. Aber auch zu Zahnimplantaten gibt es Haftungsfälle, über die in diesem Beitrag berichtet wird – mit dem Ziel, aus den Erfahrungen zu lernen und die Fehler anderer Implantologen möglichst zu vermeiden. |

Haftung bei mangelfreien Implantaten

Ist der Operationserfolg ausgeblieben oder hat der Eingriff beim Patienten einen gesundheitlichen Schaden verursacht, gibt es bei der Verwendung mangelfreier Implantate mehrere Haftungsansätze und eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen:

 

  • So kann ein Behandlungsfehler schon bei der Entscheidung zum Einsetzen eines Implantats vorliegen, wenn zum Beispiel der Knochen keinen ausreichenden Halt bietet (Zahnärztliches Implantat, OLG Köln NJW-RR 1999, 388).

 

  • Möglicherweise verstößt der Implantologe gegen seine Aufklärungspflicht über die Behandlungsalternativen bezogen auf unterschiedliche Operationstechniken mit unterschiedlichen Implantat-Typen (Zahnärztliche Implantate, OLG Stuttgart, VersR 2002, 1286).

 

  • Ein haftungsrechtlich relevanter Fehler kann in einem Aufklärungsfehler über die Auswahl verschiedener Implantate vorliegen oder wenn verschiedene Materialien in Betracht kommen (Zahnimplantologische Versorgung mit Knochenmaterial vom Rind oder mit eigenem Knochenmaterial zum Knochenaufbau vor dem Implantat, OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 1389).

 

  • Der Zahnarzt muss unter Umständen auch dann haften, wenn er nicht über die Risiken der Implantatversorgung oder eine mögliche Implantatabstoßung (Zahnärztliches Implantat, OLG Brandenburg, Urteil vom 29. Mai 2008, 12 U 241/07, veröffentlicht in Juris) oder über die mögliche Verletzung des Nervus alveolaris sowie deren Folgen bei zahnärztlicher Implantatversorgung aufklärt (Implantat in regio 44 – 47, OLG Köln, Urteil vom 22. April 2009, Az. 5 U 152/08).

 

  • Der Patient muss über das (mangelfreie) Implantat und mögliche Gefahren aufgeklärt werden. Die Pflicht ist umso gewichtiger, je weniger der Eingriff medizinisch indiziert ist und unabhängig davon das Implantat mangelhaft ist.

Haftung des Implantologen bei Einsatz mangelhafter Implantate

Gegen den Implantologen oder weitere eventuell Haftende gibt es keine Ansprüche aus dem Medizinproduktegesetz (MPG); dieses Gesetz enthält zwar Pflichten, aber keine Haftungsnorm. Eine Inanspruchnahme des Produzenten kommt bei mangelhaftem Implantat nach dem Produkthaftungsgesetz (§§ 1 ff. ProdHaftG – sogenannte Gefährdungshaftung), dem BGB (§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB: Verschuldens- oder Produzentenhaftung), dem Kaufvertrag (§§ 437, 280 BGB – mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) oder § 443 BGB (Garantieanspruch) in Betracht.

 

Für die Haftung des Implantologen ist nur eine Verschuldenshaftung relevant, also aufgrund einer schuldhaften (§ 276 Abs. 1 und 2 BGB) Verletzung des Behandlungsvertrages (§ 280 Abs. 1 BGB) oder aus Delikt gemäß § 823 BGB. Eine Gefährdungshaftung besteht nicht – es sei denn, der Implantologe ist selbst Hersteller, was selten der Fall ist.

 

Fraglich ist, in welchen Fällen der Implantologe – gegebenenfalls neben dem Hersteller – überhaupt haften könnte, wenn er ein mangelhaftes Implantat verwendet. Das wird maßgebend davon abhängen, ob dem Implantologen bei der Behandlung des Patienten ein Fehler unterläuft, der erforderliche Facharztstandard (§ 630a Abs. 1 BGB) also nicht eingehalten wird. Diese Frage wird im Prozess mit der Hilfe eines medizinischen Sachverständigen zu klären sein.

 

In der Rechtsprechung gibt es bislang kaum Fälle, die hierzu entschieden worden sind. Das liegt in erster Linie daran, dass die Hersteller solche Prozesse fürchten; wie leicht verliert man seinen guten Ruf und damit Marktanteile. Besteht der Verdacht einer Mangelhaftigkeit des Implantats, wird der entstandene Schaden vom Hersteller schnell und diskret zugunsten des Patienten außergerichtlich reguliert.

Die Behandlungsfehlerhaftung

Eine Behandlungsfehlerhaftung kommt bei mangelhaftem Implantat unter folgenden Gesichtspunkten in Betracht: Der Implantologe verwendet ein Implantat, bei dem das Verfallsdatum augenscheinlich abgelaufen ist oder bei dem keine CE-Kennzeichnung besteht.Das CE-Kennzeichen ist zwingend vorgeschrieben und von hohem Wert (§§ 8 ff, 22 ff. MPG, MPBetreibV), da von dem Medizinprodukt keine Gefahren ausgehen darf.

 

Eine weitere Möglichkeit gibt es – und das ist der klassische Fall: Der Implantologe hat trotz CE-Kennzeichen den begründeten Verdacht, dass von dem Produkt eine Gefahr ausgeht, etwa weil es falsch bezeichnet ist (Verstoß gegen § 14 S. 2 MPG), oder er prüft das Implantat nicht ausreichend und übersieht dessen Mangelhaftigkeit.

Der Umfang der Prüfungspflicht des Implantologen

Die maßgebende Frage ist, wie weit die Prüfungspflicht geht. Dazu gibt es kaum Rechtsprechung. Die Frage lässt sich aber beantworten, wenn man die BGH-Rechtsprechung zur Überwachungspflicht medizinischer Geräte heranzieht. Auch hier muss der Implantologe in bestimmtem Maße kontrollieren, sich vergewissern, und bei Bedenken diesen nachgehen.

 

Die für den Einsatz medizinischer Gerätschaften entwickelten Grundsätze müssen auch gelten, wenn es um implantologische Ersatzteile und ihre Funktion geht.Von einem Implantologen kann jedoch nicht verlangt werden, dass er mit der Funktionsweise sämtlicher Implantate vertraut ist.

Beweiserleichterung zugunsten des klagenden Patienten

Im medizinischen Bereich sind Erfolg und Misserfolg von ärztlichen Maßnahmen zumeist von den Unwägbarkeiten aus der Eigenart des lebenden Organismus heraus beeinflusst. Es gibt jedoch Bereiche, in denen das nicht der Fall ist – so bei der Anwendung technischer medizinischer Geräte. Hier steht dem Patienten zum Beispiel eine Beweiserleichterung zu, wenn feststeht, dass die Gesundheitsschädigung auf dem voll beherrschbaren Risikobereich beruht, also etwa eine Fehlfunktion des medizinischen Geräts vorlag.

 

Diese Grundsätze wird man durchaus auch auf die Kontroll- und Prüfungspflichten beim Einsetzen von Implantaten anwenden, auch wenn es dazu noch keine Rechtsprechung gibt. Wichtig ist nur, dass das Implantat tatsächlich mangelhaft war; nur dann kommt diese Beweiserleichterung in Betracht. Der Implantologe muss und kann sich jetzt zumeist nur entlasten, wenn er insbesondere durch Sachverständigenbeweis belegen kann, dass die Mangelhaftigkeit auch bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war.

 

Fazit: Bei der Behandlung mit mangelhaften Implantaten kann die Haftung des Implantologen bei der Verletzung der Kontrollpflicht ansetzen, verbunden mit einer eventuellen Beweiserleichterung zugunsten des Patienten.

Die Haftungsansätze im Überblick

Folgende Anknüpfungspunkte für eine Haftung des Implantologen kommen in Betracht:

 

  • 1.Es besteht ein Haftungsanspruch, wenn für die Behandlung keine Indikation bestand (war eine Implantation erforderlich?). Der Implantologe haftet dann für die aus der Operation herrührenden Gesundheitsschäden.
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  • 2.Der Implantologe haftet, weil ihm bei der Implantation ein schadensmitursächlicher Fehler unterläuft.
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  • 3.Er haftet auch, wenn der Patient nicht ordnungsgemäß über den bevorstehenden Eingriff aufgeklärt wurde, insbesondere über die damit verbundenen Risiken oder Behandlungsalternativen.
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  • 4.Ein Misserfolg der Operation wird zu spät erkannt, es wird fehlerhaft oder nicht schnell genug darauf reagiert, sodass ein Dauerschaden resultiert.