Zahnmedizin

Piezokeramik verkürzt Wurzelbehandlungen

Bei der Wurzelbehandlung müssen Zahnärztinnen oder Zahnärzte mit einer Feile tief in die Wurzelkanäle eindringen, um entzündetes Gewebe zu entfernen. Die rotierende Feile verklebt häufig und muss periodisch gereinigt werden. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS haben einen piezokeramischen Stapelaktor entwickelt, der die Rotationsbewegung mit einer Schwingungsbewegung überlagert. Die Feile verklebt nicht so oft, für Patientinnen und Patienten ist die Behandlung schneller.

Funktionsdemonstrator
Der Funktionsdemonstrator wurde auf dem Fraunhofer-Stand auf der Compamed 2023 in Düsseldorf gezeigt.

Forschende des Fraunhofer IKTS in Dresden haben im Rahmen des Verbundforschungsvorhabens »IPUCLEAN« (Intelligentes piezoelektrisches Ultraschallsystem zur Erhöhung der Reinigungs- und Schneidleistung von Wurzelkanalfeilen aus Nickel-Titan-Legierungen) ein innovatives Feileninstrument konstruiert, das die Arbeit der Zahnärztin oder des Zahnarztes erleichtert und die Behandlungszeit verkürzt. Dafür hat das Team unter Leitung von Dr. Holger Neubert, Abteilungsleiter Intelligente Materialien und Systeme, einen winzigen piezokeramischen Stapelaktor entwickelt, der die Rotation der Feile mit einer axial schwingenden Bewegung im Ultraschallfrequenzbereich überlagert.

Eine Zahnfeile, die rotiert und schwingt

Im klassischen Verfahren rotiert die Zahnfeile durch einen Elektromotor im Handstück mit etwa 200 Umdrehungen pro Minute. Sie wird in den Wurzelkanal eingeführt und dort periodisch vor und zurück bewegt. Ein Teil des zu entfernenden Gewebes haftet als klebriger Debris an der Feile, dadurch sinkt die Reinigungsleistung, die Beanspruchung der Feile steigt. Zwar besteht die Zahnfeile aus einer hochelastischen Nickel-Titan-Legierung (NiTi), allerdings erhöht sich unter der Belastung das Risiko, dass die Feile bricht. Sie muss daher immer wieder entfernt und aufwändig gespült werden.

Neubert erklärt die Vorteile, die sich durch den Einsatz des piezokeramischen Stapelaktors ergeben: »Durch die Überlagerung der Rotation mit einer axialen Schwingung setzt sich die Feile weniger schnell zu und muss daher nicht mehr so oft gespült werden. Die Zahnärztin oder der Zahnarzt können sich viel besser auf die ohnehin diffizile Arbeit im Wurzelkanal konzentrieren. Zudem sinkt das Risiko eines Feilenbruchs.« Für Patientinnen und Patienten bedeutet dies: Die Wurzelbehandlung ist deutlich schneller zu Ende.

»Die Grundidee, die beiden Bewegungen der Zahnfeile zu kombinieren, stammt von den Medizinern der zahnärztlichen Fakultät der Universitätsmedizin Rostock. Da piezokeramische Stapelaktoren die speziellen Anforderungen an Schwingungsamplitude und Frequenz, den kleinen Bauraum sowie die elektrische Versorgungsspannung am besten erfüllen, haben wir diese als Antriebselement realisiert«, erklärt Neubert. Das Unternehmen Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG war Koordinator des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten IPUCLEAN-Projekts. Ärztinnen und Ärzte der zahnmedizinischen Fakultät der Universität Rostock erprobten die Technik bereits an Kunststoffzähnen und gaben positives Feedback.

Aktoren auf piezokeramischer Basis haben mehrere Vorteile. Sie sind kompakt und klein, arbeiten schnell und präzise, lassen sich einfach ansteuern und entwickeln nur geringe Wärmeverluste. Bei Stapelaktoren werden mehrere Schichten übereinandergelegt und so miteinander verschaltet, dass sich die Auslenkung des Aktors vergrößert. Damit konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt IPUCLEAN das Handgerät so miniaturisieren, dass es sich in den beengten Platzverhältnissen des Mundraums noch gut bewegen lässt. Ein weiterer Erfolg: Am Fraunhofer IKTS wurden auch Stapelaktoren aus bleifreiem Material gefertigt. Diese erfüllen bereits zukünftige Anforderungen der europäischen RoHS-Richtlinie und sind frei von gefährlichen Substanzen.