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29.04.2019·Abrechnungsbesonderheiten Implantatpatienten mit Pflegegrad o. Ä. (Teil 1): Abrechnung der neuen präventiven Leistungen

·Abrechnungsbesonderheiten

Implantatpatienten mit Pflegegrad o. Ä. (Teil 1): Abrechnung der neuen präventiven Leistungen

| Bei der Behandlung von Patienten, die einen Pflegegrad aufweisen oder Eingliederungshilfe erhalten, muss der Implantologe gebührenrechtlich einige Besonderheiten beachten. Das fängt schon dabei an, ob der Patient in der eigenen Praxis oder andernorts behandelt wird. In der jetzt beginnenden Beitragsserie zeigt PI die gebührenrechtlichen Besonderheiten auf. Die vielen Leistungen werden mit Beispielen zu gesetzlich und privat versicherten Implantatpatienten vorgestellt und kommentiert. Gestartet wird mit den gesetzlichen Grundlagen und den neuen präventiven Leistungen. |

Pflegegrad und Eingliederungshilfe

Gesetzlich Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten, haben gemäß § 22a SGB V seit dem 01.07.2018 Anspruch auf präventive Leistungen, die ihnen unabhängig von einer Kooperation mit einem Pflegeheim zustehen.

 

Welche Patienten gehören zum Pflegegrad nach § 15 SGB XI?

Nach den Kriterien von § 15 SGB XI wird mithilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt, welcher Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad) besteht. Die Begutachtung ist in sechs Module eingeteilt. Deren Einzelbeurteilung mündet schließlich in die Zuordnung des Begutachteten in einen Pflegegrad.

 

  • Die fünf Pflegegrade

0

Keine Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

1

Geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

2

Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

3

Schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

4

Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

5

Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

 

Was versteht man unter Eingliederungshilfe?

Die Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII dient Menschen, die aufgrund einer geistigen oder körperlichen Behinderung in ihrer Fähigkeit eingeschränkt sind, sich aktiv in die Gesellschaft zu integrieren. In erster Linie soll eine mögliche Behinderung vermieden oder aber über die Eingliederungshilfe die Folgen einer solchen Behinderung beseitigt werden. Ist dies nicht möglich, soll ein Leben innerhalb der Gesellschaft auch mit Behinderung realisiert werden. Dazu gehört neben der Unterstützung bei der täglichen Pflege bei eigentlich Berufstätigen auch ein Maßnahmenkatalog, um die Weiterausübung des aktuellen Berufs oder aber die Aufnahme eines alternativen Berufs zu ermöglichen.

Der Mundgesundheitsstatus und die Aufklärung

Für den oben beschriebenen Personenkreis sind seit dem 01.07.2018 zwei präventive Leistungen als Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen in den BEMA aufgenommen worden, die nicht dem Budget unterliegen. Diese lauten:

 

  • BEMA-Nrn. 174a und b

Präventive zahnärztliche Leistungen nach § 22a SGB V zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten

a) Mundgesundheitsstatus und individueller Mundgesundheitsplan

b) Mundgesundheitsaufklärung

 

 

Wichtig | Die Anspruchsberechtigung auf eine Leistung nach BEMA-Nr. 174a oder Nr. 174b ist in der Patientenakte zu dokumentieren (ggf. anhand des Bescheids der Pflegekasse oder des Bescheids über die Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII, sofern ein solcher dem Zahnarzt vorgelegt wird). Bei unbefristeten Bescheiden hat dies einmalig zu erfolgen. Bei befristeten Bescheiden ist der Fristablauf zu dokumentieren.

 

Die Leistungen nach den BEMA-Nrn. 174a und 174b können einmal im Kalenderhalbjahr beansprucht werden ‒ und zwar unabhängig davon, ob diese im häuslichen Umfeld, in einer Einrichtung oder in der Zahnarztpraxis erbracht werden. Ggf. sind Pflege- und Unterstützungspersonen des Patienten bei der Aufklärung über die Bedeutung der Mundhygiene und deren individuellen Maßnahmen ‒ insbesondere bei Implantatpatienten ‒ zum Erhalt der Mundgesundheit miteinzubeziehen. Die Aufklärung und Motivation muss dabei in einer für den Patienten und auch dessen Pflege- oder Unterstützungspersonen verständlichen und nachvollziehbaren Art und Weise erfolgen.

 

Die Dokumentation des Mundgesundheitsstatus nach BEMA-Nr. 174a ist anhand des Vordrucks gemäß § 8 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 22a SGB V vorzunehmen. Den Vordruck finden Sie auf den Websites der KZBV und von PI (iww.de/pi > Downloads > Checklisten).

Was enthält der Mundgesundheitsplan?

Der individuelle Mundgesundheitsplan umfasst insbesondere

  • die Erfassung der Lebensumstände des Versicherten sowie dessen individuelle Fähigkeiten und Einschränkungen,

 

  • die Beurteilung des Pflegezustands der Zähne, der Implantate, des Zahnfleischs, der Mundschleimhaut sowie des Zahnersatzes,

 

  • die Angabe der gegenüber dem Versicherten und ggf. der Pflege- oder Unterstützungspersonen zur Anwendung empfohlenen Maßnahmen und Mittel zur Förderung der Mundgesundheit einschließlich der täglichen Mund- und Prothesenhygiene, der Fluoridanwendung, der zahngesunden Ernährung sowie der Verhinderung bzw. Linderung von Mundtrockenheit, die Notwendigkeit von Rücksprachen mit weiteren an der Behandlung Beteiligten sowie zum vorgesehenen Ort der Behandlung.

 

Soweit dem Versicherten ein Verständnis oder die Umsetzung der Hinweise aus der Mundgesundheitsaufklärung nur eingeschränkt möglich ist, sind die Maßnahmen im jeweils erforderlichen Umfang auf Pflege- oder Unterstützungspersonen zu konzentrieren bzw. ggf. zu beschränken. In diesen Fällen sind den Pflege- oder Unterstützungspersonen konkrete Hinweise zur Mund- und Prothesenpflege und zur Zusammenarbeit mit dem Versicherten zu geben.

Pflegeeinstufung und Abrechnung in der PKV

Privat Versicherte stellen einen Antrag bei ihrer Krankenversicherung. Die Begutachtung erfolgt durch Gutachter des Medizinischen Dienstes „MEDICPROOF“. Im Vergleich zur GKV-Abrechnung gilt:

 

  • Der Mundgesundheitsstatus in der GKV ist vergleichbar mit der Nr. 1000 GOZ (Erstellung eines Mundhygienestatus und eingehende Unterweisung zur Vorbeugung gegen Karies und parodontale Erkrankungen, Dauer mindestens 25 Minuten).

 

  • Die Mundgesundheitsaufklärung ist mit der Nr. 1010 GOZ (Kontrolle des Übungserfolges einschließlich weiterer Unterweisung, Dauer mindestens 15 Minuten) oder der Nr. 6190 GOZ (Beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen) vergleichbar.

Abrechnung des Entfernens von Zahnstein

Die Entfernung harter Zahnbeläge kann bei Patienten mit einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI oder bei Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII einmal je Sitzung und Kalenderhalbjahr nach der BEMA-Nr. 107a berechnet werden. Wurde bei einem Versicherten bereits Zahnstein nach BEMA-Nr. 107 entfernt und abgerechnet und erfüllt der Versicherte die Anspruchsvoraussetzungen eines Pflegegrads oder einer Eingliederungshilfe zu einem späteren Zeitpunkt, ist die Leistung nach Nr. 107a innerhalb desselben Kalenderhalbjahrs nicht mehr berechnungsfähig.

 

Werden harte Beläge nach BEMA-Nr. 107a mehr als einmal pro Kalenderhalbjahr entfernt, kann dies nicht zulasten der GKV, sondern nur außervertraglich berechnet werden. Als Gebührenpositionen sind die Nrn. 4050 und 4055 GOZ heranzuziehen. Außervertraglich zu berechnen ist auch die Kontrolle nach Entfernung harter Beläge oder nach einer PZR in separater Sitzung ‒ und zwar nach der Nr. 4060 GOZ (Kontrolle nach Entfernung harter und weicher Zahnbeläge oder professioneller Zahnreinigung nach der Nr. 1040 mit Nachreinigung einschließlich Polieren, je Zahn, oder Implantat, auch Brückenglied). Grundsätzlich gilt, dass vor der Erbringung von außervertraglichen Leistungen eine schriftliche Privatvereinbarung nach § 8 Abs. 7 BMV-Z zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem zu treffen ist.

Leistungsinhalte bei Zahnsteinentfernung und PZR

Der Leistungsinhalt der Nrn. 107 und 107a BEMA unterscheidet sich nicht. Beide enthalten das Entfernen von harten Belägen an einem Zahn.

 

  • Zahnsteinentfernung ‒ Leistungen im BEMA
Nr.
Leistungslegende

107

Entfernen harter Zahnbeläge, je Sitzung

107a

Entfernen harter Zahnbeläge bei Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten, je Sitzung

 

Sowohl die PZR nach Nr. 1040 GOZ als auch die Entfernung von Zahnbelägen nach der Nr. 4050 GOZ sind je Zahn, Implantat und Brückenglied berechenbar. Die Leistungslegenden lauten:

 

  • Zahnsteinentfernung und PZR ‒ Leistungen in der GOZ
Nr.
Leistungslegende

1040

Professionelle Zahnreinigung

4050

Entfernung harter und weicher Zahnbeläge, gegebenenfalls einschließlich Polieren an einem einwurzeligen Zahn oder Implantat, auch Brückenglied

 

Laut Abrechnungsbestimmung zur Nr. 1040 umfasst die Leistung das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied. Das ist im BEMA weder bei der Nr. 107 noch bei der Nr. 107a der Fall.

 

In der Kommentierung von DAISY wird die Berechenbarkeit der Nr. 107 und 107a auch für die Entfernung von Zahnstein an Implantaten, Suprakonstruktionen und Brückengliedern beschrieben. Beide Gebührentexte enthalten jedoch lediglich den Begriff „Zahn“, nicht „Implantat“ und/oder „Brückenglied“ wie in der GOZ. Auch im Kommentar der KZBV zur Nr. 107 findet sich lediglich die Aussage, dass diese nur einmal pro Kalenderjahr abgerechnet werden kann. Die Kommentierung von Liebold/Raff/Wissing hingegen bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Entfernung von Zahnstein an Implantaten, Suprakonstruktionen und an Brückengliedern bei gesetzlich Versicherten außervertraglich zu berechnen sei, da diese Maßnahmen nicht in der Leistungslegende der Nrn. 107 und 107a BEMA enthalten sind. Da unterschiedliche Kommentierungen vorliegen, sollten Sie sich an Ihre KZV wenden.

 

PRAXISTIPP | Die Frage, ob GKV-Versicherte einen Anspruch auf eine Implantatreinigung unter Entfernung harter verkalkter Beläge als Sachleistung gegen ihre Krankenkasse besitzen, wenn eine Ausnahmeindikation bestand, hat das Bundessozialgericht entschieden. Das Gericht führt dazu aus, dass die BEMA-Nr. 107 auch die Entfernung harter Beläge ausnahmsweise als Sachleistung an Implantaten und darauf aufgesetzten Suprakonstruktionen erfasse (Urteil vom 21.06.2011, Az. B 1 KR 17/10 R). Der Begriff „Ausnahmeindikationen“ nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V trifft allerdings nur für einen sehr kleinen Patientenkreis zu.

 

Weiterführender Hinweis

  • Im nächsten Beitrag geht es im Rahmen der Pflegegrade und Eingliederungshilfe um die Besuchsleistungen, die Zuschläge, das Wegegeld und die Reiseentschädigung.