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31.07.2014·Honorarklage Wenn der Patient mit Wohnsitz im Ausland nicht zahlt: Zuständigkeit des deutschen Gerichts

·Honorarklage

Wenn der Patient mit Wohnsitz im Ausland nicht zahlt: Zuständigkeit des deutschen Gerichts

von Rechtsanwalt Roland Bisping, Friedrichshafen

| Gerade im grenznahen Bereich kommt es immer wieder vor, dass sich Patienten aus Nachbarländern wegen der günstigeren Behandlungskosten statt in ihrem Heimatland in Deutschland behandeln lassen. Bezahlt der Patient die Rechnung des Zahnarztes nicht, stellt sich für diesen die Frage, wo er seine Ansprüche gerichtlich verfolgen muss – in Deutschland am Gericht des Praxissitzes oder im Ausland am Wohnsitz des Patienten? |

Warum ist die Zuständigkeit des Gerichts so wichtig?

Die Beantwortung dieser Frage spielt bei der Rechtsverfolgung eine erhebliche Rolle. So wird der Rechtsstreit unter Umständen in einem Land ausgefochten, dessen Rechtswesen vom deutschen System abweicht, sodass der Ausgang eines solchen Prozesses weniger kalkulierbar ist. Darüber hinaus muss man sich einen geeigneten Anwalt im Ausland suchen statt mit seinem vertrauten deutschen Anwalt seinen Anspruch zu verfolgen. Und das Kostenrisiko fällt für den Zahnarzt deutlich höher aus, weil die Kosten der Rechtsverfolgung im Ausland vielfach deutlich höher sind als in Deutschland. Hinzu kommt, dass der Patient bei einem Streit um die Bezahlung einer Rechnung oftmals mit tatsächlichen oder vermeintlichen Schadenersatz-Ansprüchen aufzurechnen versucht, sodass sich der Streit um das zahnärztliche Honorar schnell in einen arzthaftungsrechtlichen Fall wandelt.

Klage einer deutschen Praxis gegen österreichische Patientin

So war auch der Fall des Rechtsstreits einer deutschen Zahnarztpraxis gegen eine österreichische Patientin gelagert. Letztere hatte eine zahnärztliche Leistung in Anspruch genommen und die nach Abschluss der Behandlung gestellte Zahnarzt-Rechnung in Höhe von 1.300 Euro nicht beglichen. Außergerichtlich hatte die Patientin, vertreten von einem österreichischen Anwalt, die Bezahlung der Rechnung mit der Behauptung des Vorliegens von Behandlungsfehlern und einem Aufklärungsfehler – beide Vorhalte wurden mit keinem Wort begründet – die Bezahlung der Rechnung verweigert und mit einem vermeintlichen Schmerzensgeldanspruch die Aufrechnung erklärt.

Amtsgericht Lindau: Erfüllungsort einer Geldschuld ist der Wohnsitz des Patienten

Die in Deutschland vor dem Amtsgericht Lindau eingereichte Honorarklage wies das Gericht am 20. Januar 2014 (Az: 1 C 267/13, Abruf-Nr. 142099) ab. Es erklärte sich sowohl international als auch örtlich nicht für zuständig. Als Begründung führte es aus, Gegenstand der Klage sei das Zahnarzthonorar – also eine Geldschuld – und nicht etwa die Behandlung als solche, das heißt die Erbringung einer Dienstleistung. Erfüllungsort der Geldschuld sei aber gemäß § 270 BGB der Wohnsitz des Patienten. Auch bestehe kein gemeinsamer Erfüllungsort gemäß § 29 ZPO am Praxissitz des Zahnarztes, wie schon das Landgericht Mannheim im Urteil vom 13. März 2009 (Az: 1 S 142/08, Abruf-Nr. 091413 unter pi.iww.de) entschieden habe. Es bestehe keine tatsächliche Übung, das Arzthonorar am Sitz der Praxis zu zahlen, sondern nach Abschluss der Behandlung vom Wohnsitz des Patienten aus.

 

Dies stünde im Gegensatz zum Krankenhausaufnahmevertrag, bei dem durch die stationäre Unterbringung des Patienten zumindest teilweise davon ausgegangen werden könne, dass Ansprüche auch dort erfüllt werden (zum Beispiel durch die Zahlung von Tagespauschalen).

 

Im Übrigen weise der Behandlungsvertrag auch keinen so starken Bezug zum Ort der Praxis des Zahnarztes auf, der es gebiete, auch diesen als Erfüllungsort für die Gegenleistung anzusehen. Mit einer solchen Begründung weisen zahlreiche Instanzgerichte Honorarklagen am Praxissitz des Zahnarztes ab – und zwar unabhängig davon, ob beide Parteien ihren Wohnsitz in Deutschland haben oder nur der Zahnarzt.

Landgericht Kempten: Einheitlicher Gerichtsstand für Dienstleistung und Bezahlung

Die gegen das Urteil des Amtsgerichts Lindau eingelegte Berufung hatte Erfolg. So folgte das Landgericht Kempten mit Urteil vom 2. Juli 2014 (Az: 52 S 201/14, Abruf-Nr. 142100) der Rechtsauffassung des Zahnarztes, hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreits zur weiteren Verhandlung an das Amtsgericht zurück.

 

Zur Begründung führte das Landgericht aus: Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei die internationale Zuständigkeit des Gerichts gemäß Art. 5 Nr. 1b EugVVO (Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) gegeben. Danach handele es sich bei der zahnärztlichen Behandlung um eine Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1b EugVVO. Diese Regelung gelte für alle Ansprüche aus Vertrag, das heißt sowohl für die Dienstleistung – also die Behandlung – als auch für die Gegenleistung – die Bezahlung des Honorars. Es bestehe ein einheitlicher Gerichtsstand.

 

Das Berufungsgericht hatte auch keinen Zweifel daran, dass die vertragscharakteristische Leistung bei einer zahnärztlichen Leistung – wie das Präparieren von Zähnen, die Herstellung und Eingliederung von Zahnersatz, die Fertigung von Röntgenaufnahmen, ggf. erforderlich werdende Nacharbeiten am Zahnersatz – in der Praxis des Zahnarztes erbracht werden. Aus der internationalen Zuständigkeit folge auch die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts.

 

Somit bleibt aufgrund dieser Rechtsprechung festzuhalten: Der deutsche Zahnarzt, der seinen im Einzugsgebiet der EugVVO wohnenden Patienten verklagen muss, kann dies am Gericht seines Praxissitzes – also in Deutschland – tun.