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18.04.2019·Interdisziplinäres Medikamentengruppen und Implantatversagen ‒ da gibt es Zusammenhänge!

·Interdisziplinäres

Medikamentengruppen und Implantatversagen ‒ da gibt es Zusammenhänge!

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZahnmedizinReport, Berlin

| Wussten Sie, dass Medikamente, die den Magen schonen sollen, die Implantatversorgung Ihrer Patienten gefährden können? Warum es auch für den implantologisch tätigen Zahnarzt wichtig ist, regelmäßig den Medikamentengebrauch seiner Patienten abzufragen, zeigt ein ITI-Consensus-Report: Bei einigen Medikamentengruppen sollten Sie als Implantologe hellhörig werden! |

Medikamente können die Implantattherapie beeinflussen

Bluthochdruck, Depression, Rheuma, Schmerzen, Osteoporose und saurer Magen: Die demografischen Veränderungen sind auch mit einer Zunahme der Einnahme von Medikamenten zur Behandlung dieser stark verbreiteten Krankheiten verbunden. Einige dieser Medikamente können den Gewebestoffwechsel und damit die Ergebnisse der Implantattherapie beeinflussen!

 

Hauptziel des ITI-Consensus-Reports war es, die Korrelation zwischen der Implantatversagensrate als primäres Ergebnis bei der Einnahme oraler oder parenteraler Medikamente zu bewerten, die den Knochenstoffwechsel beeinträchtigen können. Die zugrunde liegende systematische Überprüfung umfasst 16 Untersuchungen mit insgesamt 4.827 Patienten und 13.247 Implantaten.

 

Ausreichende Daten waren verfügbar, um Metaanalysen für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), Protonenpumpenhemmer (PPIs) und Bisphosphonate (BPs) durchzuführen. Die Heterogenität des Studiendesigns und der Methodik in den ausgewählten Studien ließ keine klaren Aussagen für die weit verbreiteten Antirheumatika (NSAR) und die Blutdrucksenker (Antihypertensiva) zu. Daher sollten diese Ergebnisse der systematischen Überprüfung mit Vorsicht interpretiert werden.

Nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAR)

Zu dieser Gruppe von Medikamenten gehören z. B. Ibuprofen, Flurbiprofen, Celecoxib, Acetylsalicylic, Rofecoxib, Nabumetone, Naproxen, Etodolac und andere. Ergebnis des Reports: Der Zusammenhang zwischen der Einnahme von nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (Antirheumatika) und der Implantatversagensrate ist unklar.

 

Diese Aussage basiert auf der Analyse von fünf Studien (d. h. drei RCTs, davon insgesamt 191 Patienten, und zwei retrospektiven Kohortenstudien, davon insgesamt 81 Patienten). Sie zeigten eine ausgeprägte Heterogenität des pharmakologischen Regimes in den ausgewählten Studien auf. Die Mehrheit der Studien berichtete über kein Implantatversagen entweder in den Test- oder Kontrollgruppen oder in beiden Gruppen.

Antihypertensive Medikamente

Zu dieser Gruppe von Medikamenten zählen Betablocker, Thiaziddiuretika, Angiotensin-konvertierende Enzymhemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker und andere. Ergebnis des Reports: Der Zusammenhang zwischen der langfristigen Einnahme bestimmter Antihypertensiva (Blutdrucksenker) und der Implantatversagensrate ist unklar.

 

Diese Aussage basiert auf sehr wenigen verfügbaren Beweisen für eine retrospektive Studie mit 728 Patienten. Bemerkenswert ist, dass Antihypertensiva eine geringere Implantatversagensrate aufwiesen als die Kontrollpopulation, die in dieser Studie keine Antihypertensiva einnahm.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)

Zu dieser Gruppe von Medikamenten zählen Citalopram, Dapoxetin, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Indalpin, Paroxetin, Sertralin, Venlafaxin, Zimeline und andere. Ergebnis des Reports: Die Einnahme bestimmter Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ist mit einer statistisch signifikant erhöhten Implantatversagensrate verbunden.

 

Diese Aussage basiert auf der quantitativen Analyse von zwei retrospektiven Kohortenstudien mit insgesamt 790 Patienten. Die Analyse deutet darauf hin, dass die Implantatversagensrate bei Probanden, die SSRIs einnahmen, höher war als bei einer Kontrollpopulation (Odds ratio: 2,92; durchschnittliche Differenz: 7,48 %, C.I. [95 %] = 6,96‒8,00 mit einem p < 0,01, zwischen 36 und 90 Monaten Follow-up).

Protonenpumpenhemmer (PPIs)

Zu dieser Gruppe von Medikamenten zählen Omeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol, Dexlansoprazol, Esomeprazol, Rabeprazol und andere. Ergebnis des Reports: Die Aufnahme von Protonenpumpenhemmern ist mit einer statistisch signifikant erhöhten Implantatversagensrate verbunden.

 

Diese Aussage basiert auf der quantitativen Analyse von zwei retrospektiven Kohortenstudien mit insgesamt 1.798 Patienten. Die Analyse deutete darauf hin, dass die Implantatversagensrate bei Probanden, die Protonenpumpenhemmer einnahmen, höher war als bei einer Kontrollpopulation (Odds Ratio: 2,02; durchschnittliche Differenz: 4,29 %, C.I. [95 %] = 3,81‒4,77 mit einem p < 0,01, zwischen 16 und 94 Monaten Follow-up).

 

PRAXISTIPP | Diese Protonenpumpenhemmer werden nicht nur bei Reflux verschrieben. Häufig werden die Säureblocker als Begleitmedikation bei NSAR oder Thrombozytenaggregationshemmern eingesetzt, um die magenreizenden Nebenwirkungen dieser Medikamente abzupuffern. Fragen Sie also auch bei Patienten, die Blutverdünner einnehmen, nach!

 

Bisphosphonate (BPs) im Zusammenhang mit Osteoporose

Zu dieser Gruppe von Medikamenten zählen Risedronat, Ibandronat, Alendronat, Zoledronsäure und andere. Ergebnis des Reports: Die Einnahme von Bisphosphonaten im Zusammenhang mit der Behandlung von Osteoporose war nicht mit einer erhöhten Implantatversagensrate verbunden.

 

Diese Aussage basiert auf der quantitativen Analyse von sechs Kohortenstudien (d. h. fünf Retrospektiven über orale Bisphosphonate und eine prospektive mit intravenösen Bisphosphonaten) mit insgesamt 1.239 Patienten. Die Analyse deutete darauf hin, dass die Implantatversagensrate bei Patienten, die Bisphosphonate einnehmen, höher war als bei einer Kontrollpopulation (durchschnittliche Differenz: – 0,13 %, C.I. [95 %] = – 0,3‒0,05, zwischen 12 und 66 Monaten Follow-up). Bei der Interpretation dieser Daten ist Vorsicht geboten, da das Risiko einer medikamentenbedingten Osteonekrose bei Patienten, die Bisphosphonate einnehmen, besteht.

 

PRAXISTIPP | Die Wirkung von Bisphosphonaten auf die Implantatergebnisse bei Patienten, die sich einer Therapie neoplastischer Erkrankungen unterziehen, wurde nicht bewertet, da die Implantattherapie in dieser Population in der Regel kontraindiziert ist.

 

Was können Implantologen tun?

Zahnärzte und Patienten, die eine Implantattherapie in Betracht ziehen, sollten sich über das Risiko eines medikamentenbedingten Implantatversagens im Klaren sein. Daher sollte eine umfassende Beurteilung und ein Verständnis des medizinischen Hintergrunds und der aktuellen Medikamente des Patienten sowie eine personalisierte Einwilligung nach Aufklärung als integraler Bestandteil aller Phasen der modernen Implantattherapie (Erst- und Begleittherapie) angesehen werden. Wichtig erscheint vor allem:

 

  • Sie sollten bei Ihrer routinemäßigen Risikobewertung im Rahmen einer umfassenden Implantattherapie den Zusammenhang zwischen einer erhöhten Implantatversagensrate und der Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPIs) oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) berücksichtigen.

 

  • Sie sollten mit Vorsicht vorgehen, wenn die Implantattherapie bei Patienten in Betracht gezogen wird, die Bisphosphonate (BPs) im Zusammenhang mit Osteoporose einnehmen.

 

  • Kontraindiziert ist die Standardimplantattherapie bei Patienten mit hochdosierten Bisphosphonaten (BPs) zur Behandlung neoplastischer Erkrankungen!

 

Quelle

  • Jung R E et al. Group 1 ITI Consensus Report: The influence of implant length and design and medications on clinical and patient-reported outcomes. Clinical oral implants research 20198; 29 (S16): 69‒77.

Literatur