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05.07.2011 |Kostenerstattung PKV erstattet die Nrn. Ä2675 und Ä444 nicht – wie können wir argumentieren?

05.07.2011 |Kostenerstattung

PKV erstattet die Nrn. Ä2675 und Ä444 nicht – wie können wir argumentieren?

Frage: „Wir haben an 37 ein Implantat gesetzt, 38 fehlt. Da es sich um eine Freiendsituation mit größerer Wundversorgung handelt (38 mit einbezogen), habe ich die Nrn. Ä2675 und Ä444 auf dem Therapieplan erfasst. Die Wunde war etwa 2 cm breit. Die Versicherung erkennt die Nrn. Ä2675 und Ä444 jedoch nicht an. Sie teilt unserem Patienten mit, dass die Ziffern mit den Gebühren der chirurgischen Leistung abgegolten seien, und schreibt: ‚Die primäre Wundversorgung ist integraler Bestandteil der chirurgischen Leistung. Der Verschluss der Wunde – in welcher Form auch immer – ist somit mit den Gebühren für die Nr. 901 GOZ ff. abgegolten.‘ Wie können wir argumentieren?“ 

 

Antwort: Die Auffassung der Krankenversicherung entbehrt jeglicher Grundlage. Hier wird eine selbstständige und medizinisch notwendige Maßnahme der Wundversorgung zugeordnet, wobei die erforderliche Vestibulumplastik Inhalt einer der GOZ-Nrn. 901 ff. sein soll. Wenn die Vestibulumplastik Inhalt einer GOZ-Ziffer wäre, dann müsste sich auch ein Hinweis im Leistungstext der Ziffer finden, was jedoch nachweislich nicht der Fall ist. 

 

Im Vorwort von Abschnitt „K. Implantologie“ wird die primäre Wundversorgung als Bestandteil der Leistungen nach Abschnitt K. erwähnt. Eine Definition des Begriffs „Wundversorgung“ findet sich jedoch weder hier noch an anderer Stelle der Gebührenordnung. Die primäre Wundversorgung bedeutet, dass die beiden Wundränder, die durch den Chirurgen geschaffen werden, unverändert innerhalb weniger Stunden wieder aneinander fixiert werden (siehe Pschyrembel). Sie können durch traumatisches oder atraumatisches Nahtmaterial, Klammern oder Klebstoffe miteinander verbunden werden. 

 

Wird das gesamte Operationsgebiet mit Splittlappentechnik präpariert, das heißt das Epithel von der periostalen Auflage getrennt, so wird dies als Splittlappentechnik bezeichnet. Damit ist eine besondere mukogingivalchirurgische Maßnahme vollzogen, die zwar eine primäre Wundversorgung nach sich zieht, sich aber in ihrer Präparationstechnik von der eines Mukoperiostlappens deutlich unterscheidet. Die Schwierigkeit und der Zeitaufwand sind erheblich. Zudem weisen die GOZ-Nr. 324 sowie die GOÄ-Nrn. 2675, 2676 und 2677 einen selbstständigen Charakter auf.  

 

In jedem Fall aber ist eine Splittlappentechnik ein besonderer mukogingivalchirurgischer Eingriff zur Verlängerung der Epitheldecke. Besondere weichteilchirurgische Maßnahmen müssen angeschlossen werden, um eine primäre Wundversorgung und eine spannungsfreie Naht zu erzielen. Jede Maßnahme, die mit einer Veränderung der beiden chirurgisch geschaffenen Wundränder einhergeht, ist nicht Bestandteil implantologischer Leistungen und kann nach dem Gebührenrecht berechnet werden.  

 

Nach 2,3-fachem Gebührensatz erhält man für die Aufbereitung einer Knochenkavität und für das Einbringen eines Implantats (GOZ-Nrn. 901 und 903) ein Honorar in Höhe von 124,20 Euro. Eine Vestibulumplastik nach GOÄ-Nr. 2675 führt bei 2,3-fachem Gebührensatz und OP-Zuschlag Ä444 zu einem Honorar von 189,71 Euro. Allein schon im Honorarvergleich wird deutlich, dass die Vestibulumplastik nicht Inhalt der GOZ-Nrn. 901 und 903 sein kann. 

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte am 16. März 2006 (Az: III ZR 217/0; Abruf-Nr. 0609205), dass auch die Bewertung der Leistungen im Hinblick auf die Zielleistung beachtet werden muss. Im Urteilsfall war die vermeintliche Teilleistung mehr als doppelt so hoch bewertet wie die vermeintliche Zielleistung. Laut BGH ist es jedoch nicht nachvollziehbar, dass der Verordnungsgeber einen Leistungsbestandteil niedriger bewertet als die übergeordnete Zielleistung. Der Bewertung der Leistungen kommt somit ebenfalls eine eigenständige Bedeutung bei der Frage zu, ob das „Zielleistungsprinzip“ greift oder nicht. Ist die Teilleistung höher bewertet als die „Zielleistung“, spricht dies für die Möglichkeit, beide Leistungen eigenständig abrechnen zu können.  

 

Laut aktuellem Urteil des AG Köln vom 14. Dezember 2010 (Az: 146 C 79/09; Abruf-Nr. 110248) ist die GOÄ-Nr. 2675 berechenbar:  

 

„Bezüglich der Vestibulumplastik gemäß Ziffer 2675 GOÄ hat der Sachverständige in seinem Gutachten und in der Ergänzung ausgeführt, dass es sich bei dieser Position um eine Behandlungsmaßnahme handele, die im Sinne eines komplexen Weichgewebsmanagements definiert werden solle. Dazu gehöre u. a. ein so genanntes Split-Flap-Verfahren als auch die Anwendung von mucogingivalen Schwenk- oder Rotationslappen. Wenn ein solches Weichgewebemanagement im Operationsbereich erfolge, dann seien diese eigenständig erbrachten Behandlungsmaßnahmen nicht im Sinne eines einfachen Wundverschlusses zu verstehen, sondern über eine eigenständige Leistungsposition, wie im vorliegenden Fall gemäß Ziffer 2675 GOÄ je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich berechenbar.“ 

 

Ein äußerst erfreuliches Urteil, das einen Lichtblick im Abrechnungsdschungel darstellt.  

 

Mit Blick auf den GOZ-Referentenentwurf vom 29. März 2011 findet sich in „K. Implantologie“ ferner eine Erläuterung, was unter einer „primären Wundversorgung“ zu verstehen sein soll. Im Vorwort heißt es: „1. Die primäre Wundversorgung (z. B. Reinigen der Wunde, Wundverschluss ohne zusätzliche Lappenbildung, ggf. einschließlich Fixieren eines plastischen Wundverbandes) ist Bestandteil der Leistungen nach Abschnitt K und nicht gesondert berechnungsfähig.“