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30.09.2019·Praxisfall Implantation mit Bone-Split: Erstattungsprobleme und fehlerhafte Rechnung

·Praxisfall

Implantation mit Bone-Split: Erstattungsprobleme und fehlerhafte Rechnung

| Im Rahmen der Insertion von zwei Implantaten regio 45 und 46 wurde von einem MKG-Chirurgen aufgrund eines schmalen Kieferkamms ein Bone-Split durchgeführt, um die Implantate fachgerecht zu inserieren. Die Rechnung enthält Ungereimtheiten, die PI nachfolgend erläutert. Zudem lehnt die PKV die Kostenbeteiligung für den Bone-Split ab. Ist dies gerechtfertigt? |

Die implantologische Rechnung

In der folgenden Auflistung sind einige Ungereimtheiten enthalten. Diese werden im Anschluss aufgezeigt, erläutert und richtig dargestellt.

 

Datum
Region
Nr.
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anz.
Euro
Material

12.08.19

Ä1

Beratung

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

Ä5004

Panoramaaufnahme

1,8

1

41,97

9000

Implantatbezogene Analyse

3,4950*

1

173,76

0060

Abformung für Situations- und Planungsmodelle

2,3

1

33,63

§ 10 GOÄ

Materialkosten Abformung

1

6,00

27.08.19

47

0100

Leitungsanästhesie

2,3

1

9,05

45

0090

Infiltrationsanästhesie

2,3

1

7,76

9003

Verwendung einer Orientierungsschablone

2,3

1

12,94

46, 45

GOZ

Materialkosten Bohrschablone

1

100,00

46, 45

9010

Implantatinsertion, je Implantat

3,5**

2

608,25

0530

OP-Zuschlag

1,0

1

123,73

47‒45

9130

Bonesplit

2,3

1

199,21

Ä5004

Panoramaaufnahme

1,8

1

41,97

GOZ

Nahtmaterial atraumatisch gemäß § 10 GOÄ/§ 5 GOZ

1

6,00

GOZ

Injektion subkutan/submukös

2,3

1

5,36

§ 10 GOZ

Cortison mit Spritze zur Schwellungsminderung

1

5,00

§ 10 GOZ

Materialkosten für Implantat Roxolid SLA

2

425,86

§ 10 GOZ

Materialkosten für Verschlussschrauben Bone Level

2

65,46

§ 10 GOZ

Materialkosten für Octaaufbau und Implantat

2

164,22

§ 10 GOÄ

Bohrerset

1

58,31

GOZ

Materialkosten Skalpell

1

0,53

Ä2006

Behandlung einer Wunde, die nicht primär heilt

2,3

1

8,45

Ä2007

Entfernung von Fäden oder Klammern

2,3

1

5,36

Ä75

Ausführlicher schriftlicher Befundbericht

2,3

1

17,43

Porto

Portokosten

2,3

1

0,70

Honorar

1.310,31 Euro

Material- und Laborkosten:

832,08 Euro

Gesamtbetrag:

2.142,39 Euro

 

* Kurzbegründung beim Überschreiten des Regelsatzes: S01 aufgrund reduzierter Kortikalisschichtdecke

** Kurzbegründung beim Überschreiten des Regelsatzes: S02 aufgrund ausgeprägter Alveolarkammatrophie

 

  • Die Anlage zur Rechnung

Patient, Geburtsdatum:

 

Materialkostenabrechnung

(Zur Vorlage bei Ihrer Krankenkasse)

 

Hersteller:

Fa. Straumann GmbH, Jechtinger Straße 9, 79111 Freiburg

 

Produkt
Artikel-Nr.
Einzelpreis
Menge
Gesamtpreis

Syn Octa ‒ BL ‒ RC Manipulierimplantat

025.4101

36,89 Euro

2

73,78 Euro

Syn Octa ‒ BL ‒ RC Abformkappe

025.4202

45,22 Euro

2

90,44 Euro

164,22 Euro

 

Die Endliquidation beträgt 2.142,39 Euro.

 

Welche Fehler finden sich bei der Rechnungslegung?

Der Therapieplan nach Nr. 0030 GOZ fehlt auf der Rechnung. Da der Patient eine Zahnzusatzversicherung hat, ist mit Sicherheit eine Planung erstellt worden. Somit fehlen rund 25 Euro ‒ es sei denn, dem Patienten wurde das Honorar erlassen.

 

Die Material- und Laborkostenberechnung ist fehlerhaft. Um den Überblick nicht zu verlieren, sind in der folgenden Tabelle in der ersten und zweiten Spalte fehlerbehaftete Passagen im Zusammenhang mit den Paragrafen und in der dritten und vierten Spalte die korrekte Zuordnung erfasst.

 

Fehlerbehaftet
Text Rechnung
Korrekt
Textvorschlag

§ 10 GOÄ

Materialkosten Abformung

§ 4 Abs. 3 GOZ

Abformmaterial

GOZ

Materialkosten Bohrschablone

§ 9 GOZ

Bohrschablone

Nahtmaterial atraumatisch gemäß § 10 GOÄ/§ 5 GOZ

§ 4 Abs. 3 GOZ

Nahtmaterial atraumatisch

§ 10 GOZ

Cortison

§ 10 Abs. 1 GOÄ

Cortison

§ 10 GOZ

Materialkosten für Implantat Roxolid SLA

§ 4 Abs. 3 GOZ

Implantat Bone Level Roxolid SLA, Fa. Straumann

§ 10 GOÄ

Materialkosten für Verschlussschrauben Bone Level

§ 4 Abs. 3 GOZ

Verschlusskappe

§ 10 GOZ

Materialkosten für Octaaufbau und Implantat

§ 4 Abs. 3 GOZ

Manipulierimplantat

§ 4 Abs. 3 GOZ

Abformpfosten verschraubbar

§ 10 GOÄ

Bohrerset

§ 4 Abs. 3 GOZ

Einpatientenbohrer-Set

Porto

Portokosten

§ 3 GOZ

Porto

 

Da für die Nr. 0060 GOZ beide Kiefer abgeformt werden müssen, fehlt in der Rechnung einmal Abformmaterial. Die Rechnungsbeträge für die Abformung, die Bohrschablone, das Nahtmaterial und das Cortison sind alle mit gerundeten Preisen erfasst. Das kann bei Berechnung von Bruttopreisen kaum der Fall sein. Seit dem Antikorruptionsgesetz nach § 299a Strafgesetzbuch (StGB) müssen die tatsächlich entstandenen Kosten 1:1 weitergereicht werden.

 

Die Berechnung der Anästhetika fehlt. Dafür wurden die Materialkosten für ein Skalpell angesetzt, das nach Leistungen der GOZ nicht berechenbar ist. Die OP-Zuschläge enthalten derartige nicht separat berechenbare Kosten für Einmalartikel.

 

Bei der Nr. 9003 fehlt die Kieferangabe auf der Rechnung.

 

Die Materialkosten

§ 10 GOÄ ist nicht zuständig für die Abrechnung von Materialkosten für die Abformungen, Verschlussschrauben und Bohrerset. Diese Produkte gehören nach § 4 Abs. 3 GOZ zu Honorarleistungen der GOZ. Das Bohrerset sollte besser als „Einpatientenbohrer-Set“ bezeichnet werden, da nur Einmalbohrer bzw. -fräsen berechnet werden dürfen.

 

Der Begriff „Materialkosten“ ist bei berechenbaren Materialien überflüssig. § 10 Abs. 2 Punkt 6 GOZ fordert bei der Rechnungslegung diesbezüglich drei Angaben: die Art, die Menge und den Preis der verwendeten Produkte.

 

Freiwillig sollte bei hochpreisigen Produkten (ab 50 Euro) der Hersteller auf der Rechnung genannt werden, damit private Kostenträger die Preise überprüfen können. Diese Praxis hat derartige Nachfragen anscheinend schon häufiger erhalten und daher eine Materialkostenabrechnung als Anlage zur Rechnung beigefügt. Wenn schon eine freiwillige Anlage für die Implantatmaterialien erstellt wird, gehören die Implantate mit Verschlussschrauben und Einmalbohrer-Set auch auf diese Liste.

 

Die Materialpreise

Die Rechnung enthält bei den Implantatmaterialien nur teilweise aktuelle Preise. Ein Manipulierimplantat kostet derzeit netto 33 Euro, der Bruttobetrag beträgt 39,27 Euro. Ein verschraubbarer Abformpfosten kostet aktuell 39 Euro, brutto 46,41 Euro. Wenn die in der Software eingepflegten Materialpreise nicht laufend überwacht werden, kommt es schnell zu nicht unerheblichen finanziellen Verlusten.

 

Die Bezeichnung „Materialkosten für Octaaufbau und Implantat“ auf der Rechnung ist verwirrend, da der „Octaufbau“ 1989 durch ein synOcta-Sekundärteil abgelöst wurde und zudem nicht auf ein Bone-Level-Implantat passt. Zudem ist mit „Implantat“ ein Manipulierimplantat gemeint, das später für die Fertigung der Zahntechnik notwendig ist. Das sollte auch so bezeichnet werden. Die Preise innerhalb der Rechnung für die verwendeten Implantate und Verschlusskappen sind korrekt.

 

Die subkutane Injektion

Die „Injektion subkutan/submukös“ wird nicht nach GOZ abgerechnet, sondern nach Nr. 252 GOÄ („Injektion, subkutan, submukös, intrakutan oder intramuskulär“). Die Nr. 252 ist im 2,3-fachen Gebührensatz mit 5,36 Euro bewertet ‒ also einem Betrag, der sich auf der Rechnung wiederfindet. Entsprechend müsste aus der Rechnung statt „GOZ“ die Nr. 252 GOÄ aufgeführt werden. Cortison gehört zu der Nr. 252 und wird daher nach § 10 Abs. 1 GOÄ berechnet.

 

Gebühren für andere Leistungen

Erbringen Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen Leistungen, die in der GOZ aufgeführt sind, sind diese nach den Vorschriften der GOZ in der jeweils geltenden Fassung zu berechnen (§ 6 Abs. 1 GOÄ). Die Nachkontrolle und -behandlung ist nach GOZ und nicht nach den Nrn. Ä2006/Ä2007 GOÄ zu erbringen, da ein zahnärztlicher Eingriff (Implantation) durchgeführt wurde.

 

PKV sieht Bone-Split als augmentative Maßnahme ‒ stimmt das?

Die Kostenerstattung der privaten Krankenzusatzversicherung beträgt 1.360,24 Euro. Der Kundenservice „Gesundheit“ hat dazu folgende Information für den Kunden verfasst: „Minderungsbetrag Knochenaufbau (GOZ 9130) = 199,21 Euro. Bei der Kostenerstattung aus Ihrem Tarif MediDent berücksichtigen wir die kalenderjährlich vorgenommenen Zahnarztbesuche. Für Sie ergibt sich daraus ein Erstattungssatz von 70 Prozent. Augmentative Maßnahmen gehören nicht zum Leistungsinhalt Ihres versicherten Tarifs. Unter augmentativen Maßnahmen versteht man den Knochenaufbau mit künstlichem oder natürlichem Knochenmaterial. Diese Kosten haben wir deshalb nicht berücksichtigt.“

 

Mit dieser Einschätzung, beim Bone-Split handele es sich um eine augmentative Maßnahme, liegt die PKV in diesem Behandlungsfall falsch. Warum das so ist, haben wir in dem folgenden Musterschreiben dargestellt.

 

Musterschreiben / Warum Bone-Split keine augmentative Maßnahme ist

Durch Einführung der Piezochirurgie hat sich die Durchführung der Bone-Split-Operationsmethode in Lokalanästhesie deutlich vereinfacht. Einerseits wird der Knochen weniger traumatisiert und andererseits kann die Morbidität des Eingriffs reduziert werden. Der Leistungsinhalt der Nr. 9130 GOZ lautet: „Spaltung und Spreizung von Knochensegmenten (Bone Split), ggf. mit Auffüllung der Spalträume mittels Knochen oder Knochenersatzmaterial, ggf. einschließlich zusätzlicher Osteosynthesemaßnahmen, ggf. einschließlich Einbringung resorbierbarer oder nicht resorbierbarer Barrieren und deren Fixierung je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, oder vertikale Distraktion des Alveolarfortsatzes einschließlich Fixierung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich.“

 

Die Aufspreizung des kompromittierten Ober- oder auch Unterkiefers im Sinne der Bone-Split-Technik ist ein Verfahren, bei dem selbst im Fall einer hochgradigen Alveolarkammatrophie eine Implantation in einem Eingriff kombiniert werden kann. Bone-Spreading- bzw. Bone-Split-Techniken dienen im Wesentlichen dazu, einen schmalen Kieferkamm, der zur Aufnahme von Zahnimplantaten ungeeignet ist, auf eine entsprechende Breite zu erweitern.

 

Im Unterkiefer können wegen des stärkeren kortikalen Kieferkammanteils gelegentlich nur geringere Aufdehnbreiten erreicht werden, sodass eine Augmentation mit Eigenknochen und/oder Knochenersatzmaterial nicht in allen Fällen medizinisch notwendig ist. Nach dem vorsichtigen Aufdehnungsprozess werden die Implantate inseriert. Der verbleibende Hohlraum kann optional mit Eigenknochen oder Ersatzmaterial aufgefüllt werden, wenn eine Augmentation erforderlich ist.

 

Ein Bone-Split ist keine Augmentation, sondern das Aufdehnen von Knochen. In der Leistungslegende wird daher auch „ggf.“ mit Auffüllung der Spalträume mittels Knochen- oder Knochenersatzmaterial erwähnt. Eine Augmentation ist daher auch nicht Voraussetzung für die Berechenbarkeit eines Bone-Splits.

 

 

FAZIT | Bei diesem Behandlungsfall ist laut Aussage des MKG-Chirurgen keine Augmentation erfolgt; es wurde ausschließlich ortsständiger Knochen bearbeitet. Der Patient muss prüfen, ob in seinem Tarif MediDent die Nr. 9130 GOZ als Augmentationsziffer ausgewiesen ist. Sollte dies der Fall sein, ist die Kostenablehnung durch die PKV rechtens. Andernfalls sollte der Patient die Kürzung nicht akzeptieren und ggf. rechtlichen Beistand hinzuziehen.