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24.12.2014·Praxismarketing Wie seriös sind Arztbewertungsportale?

·Praxismarketing

Wie seriös sind Arztbewertungsportale?

von Dr. med. dent. Georg Taffet, Rielasingen-Worblingen

| Ich betreibe seit 1991 eine Zahnarztpraxis in einer süddeutschen Kleinstadt. Man kennt sich persönlich, teilweise sind vier Generationen aus einer Familie bei mir in Behandlung. Bereits seit 2001 ist unsere Webseite online (www.drtaffet.com). Außer den üblichen Informationen zur Praxis und zum Team bieten wir zahnmedizinische Informationen an. Jeder Neupatient erhält vorab einen Anmeldebogen per Post zugesandt. Hier fragen wir den Patienten auch, wie er auf uns aufmerksam wurde. Mehr als 90 Prozent kreuzen „auf Empfehlung“ an. Die anderen haben unser Praxisschild gesehen. Nur ganz wenige haben uns über das Internet gefunden. Deswegen war ich der Meinung, mich nicht mit Bewertungsportalen beschäftigen zu müssen. |

Unzufriedener Patient gab eine schlechte Bewertung ab

Kürzlich jedoch hatte ich eine Meinungsverschiedenheit mit einem Patienten. Ein junger Managertyp hatte uns über das Internet gefunden. Der junge Mann stand kurz vor seiner Hochzeit und war mit dem Aussehen seiner abradierten und mehrfach geflickten Frontzähne nicht zufrieden. Wir haben ihn umfassend über alle medizinisch sinnvollen und möglichen Maßnahmen beraten, der Zeitaufwand dafür betrug mehr als eine Stunde. Da er sich als Privatpatient ausgegeben hat, erhielt er eine Rechnung für diese Beratung (Ä3). Er wollte sie dann aber nicht bezahlen, vielleicht war er gar nicht versichert. Als ich auf Bezahlung bestanden habe, hat er es schließlich doch getan.

 

Einige Tage später habe ich vom Arztbewertungsportal „Jameda“ eine E-Mail erhalten, in der ich darüber informiert wurde, dass ein Patient mich bewertet hätte. Der Wortlaut der anonymen Bewertung war praktisch identisch mit dem Schreiben, das ich vorher von ihm erhalten hatte: „Bei dem Arzt hat man den Eindruck, es geht ihm in erster Linie um die Gesundheit seiner Finanzen und weniger um die Zahngesundheit seiner Patienten.“

 

Jetzt musste ich mich wohl oder übel mit dem Thema „Bewertungsportale“ beschäftigen. Wer ist überhaupt „Jameda“? Das ist ein Online-Bewertungsportal, das sich selbstbewusst als „Deutschlands größte Arztempfehlung“ tituliert, und versucht in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, es handele sich um einen modernen „Robin Hood für Patientenrechte“.

 

Jameda und die meisten anderen Arztbewertungsportale sind kommerzielle, auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen und wahrlich keine Körperschaften der Nächstenliebe. Jameda ist laut eigenen Angaben eine 100-prozentige Tochter der börsennotierten Tomorrow Focus AG mit Hubert Burda Media als Hauptaktionär. Ärzten wird angeboten, sich mithilfe von „kostenpflichtigen Premiumeinträgen“ mit ihren Praxen darzustellen. Eine Art „Internetmarkt“ also. Garniert mit Werbung, denn – so ist auf der Website zu lesen: „Werbetreibenden aus der Gesundheits- bzw. Pharmabranche bietet Jameda ein hochwertiges Werbeumfeld mit hoher Reichweite – perfekt angepasst an die Themen und Interessen der jeweiligen Zielgruppen.“ Gleichzeitig wird den Ärzten versprochen (Zitat): „100 Prozent Seriosität. Wir schützen Sie vor Beleidigungen und Schmähkritik. Das jameda-Qualitätsteam garantiert allen Ärzten einen verantwortungsvollen Umgang mit Bewertungen. Wir bearbeiten Problemmeldungen rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche und prüfen Ihr Anliegen persönlich.“

 

Selbstverständlich kann das Jameda-Team nicht prüfen, ob die Aussage meines ehemaligen Patienten betreffend meiner Beratung richtig ist oder nicht. Das sind subjektive Wahrnehmungen des Patienten, das kann niemand objektiv überprüfen. Deshalb akzeptiere ich seine Bewertung. Offensichtlich war meine Kommunikation zu schlecht, um zu ihm durchzudringen und ihm den Unterschied zwischen der zahnmedizinischen Realität und seinen Vorstellungen klar zu machen.

 

Jedoch ist seine Bewertung auch in Sachen Praxisausstattung, Entertainment, Sprechzeiten, öffentliche Erreichbarkeit usw. auch überall im Bereich der Noten 5 bis 6. „Die Praxis ist in den 90-er Jahren stehen geblieben“ meint er. Das aber ließe sich von einem interessierten Jameda-Mitarbeiter objektiv überprüfen, ein Blick auf unsere Webseite würde bereits reichen. Auch ein Blick auf meine auf der Webseite verfügbaren Fortbildungszertifikate und Qualifikationen würde dem „persönlich prüfenden“ Jameda-Mitarbeiter vielleicht ein Licht aufgehen lassen. Dass die Bewertung offensichtlich nicht stimmt, müsste für die Portalbetreiber zumindest ein Indiz dafür sein, dass es sich hier um eine Schmähkritik handelt. Möglicherweise müssten auch die beiden anderen – sehr positiven – Bewertungen meiner Praxis beim gleichen Portal den Verantwortlichen zu denken geben.

 

Also habe ich Jameda angeschrieben und um Prüfung der Bewertung gebeten. Einige Wochen später habe ich die Benachrichtigung bekommen, dass Jameda mit dem Patienten Kontakt aufgenommen hätte, dieser auf seinen Aussagen bestehe und somit die Bewertung als korrekt angesehen werden muss! Von einer persönlichen, objektiven und seriösen Prüfung der Bewertungen durch Jameda kann also unter diesen Umständen keine Rede sein. Möglicherweise ist diese Prüfung ja ein Privileg für die Kollegen, die einen kostenpflichtigen Premiumeintrag bei Jameda haben?

 

Es hat sich auch in diesem Fall wieder gezeigt, dass unzufriedene Kunden ihre negativen Erlebnisse deutlich häufiger weitererzählen als ihre positiven. Das ist naheliegend: Werden unsere Erwartungen erfüllt, dann sehen wir das als ganz „normal“ an. Werden unsere Erwartungen jedoch nicht erfüllt, fühlen wir uns frustriert und machen diesem Frust Luft.

Jameda muss schlechte Benotung eines Arztes löschen

Aber es gibt auch einen Lichtblick. Bisher mussten Bewertungsportale zwar falsche Behauptungen löschen, wenn sich Ärzte dagegen gewehrt haben, jedoch nicht die schlechte Benotung. Dies hat sich mit dem Urteil des OLG München vom 17. Oktober 2014 (Az. 18 W 1933/14, Abruf-Nr. 143307) geändert. Ein HNO-Arzt wurde bei Jameda schlecht benotet. Unter der Headline „Kein guter Arzt“ hatte ein Patient behauptet, der HNO-Arzt habe sich während des Hörtests mit seiner Mitarbeiterin unterhalten. In den Kategorien „Behandlung“, „Vertrauensverhältnis“ und „Betreuung“ vergab der Patient die Schulnote 6, bei „Aufklärung“ und „genommene Zeit“ jeweils die Note 5.

 

Der betroffene HNO-Arzt wehrte sich gerichtlich und erhielt vor dem OLG München vollumfänglich Recht. Seine Mitarbeiterin versicherte an Eides statt, dass sie sich während des Hörtests nicht mit ihrem Chef unterhalten hatte. Außerdem wurde festgestellt, dass der Patient entgegen seiner Behauptung intensiv untersucht worden war. Konsequenz: Jameda musste die schlechten Beurteilungen löschen.

 

Nach Ansicht der Anwaltskanzlei, die den Arzt vertreten hatte, führt diese Entscheidung zu einschneidenden Veränderungen im Umgang mit Bewertungsportalen, weil diese künftig bei der Beanstandung einer Bewertung Sorgfaltspflichten beachten müssten, die den für Journalisten geltenden journalistischen Sorgfaltspflichten entsprechen. Außerdem müssten die Portale nun schlechte Benotungen löschen, wenn sich die Sachschilderung als zum Teil unwahr oder unvollständig erweisen sollte.

Was bedeutet dies für den Umgang mit Bewertungsportalen?

Unter den gegebenen rechtlichen Vorgaben kann man sich gegen böswillige Bewertungen zwar zur Wehr setzen, aber der Aufwand ist enorm und der Erfolg ungewiss. Es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen.

 

Ich habe mich entschieden, weiterhin die Bewertungsportale zu ignorieren. Keineswegs werde ich mich dazu überreden lassen, ihnen mein sauer verdientes Geld für einen „Premiumeintrag“ zu überlassen und somit ihr Geschäftsmodell zu unterstützen. Die wenigen Patienten, die sich – abhängig von solchen digitalen „Bewertungen“ – entschließen, nicht in meine Praxis zu kommen, dürfen gerne weg bleiben. Ich freue mich aber weiterhin über jede analoge Mund-zu-Mund-Empfehlung, die einer meiner langjährigen treuen Patienten täglich für mich ausspricht.

 

Aktives „Bewertungsmanagement“ als Alternative?

Was ist jedoch, wenn ein Kollege meint, dass er über die Bewertungsportale potentielle Patienten erreichen kann? Nun, dann muss er ein aktives „Bewertungsmanagement“ betreiben: Er muss praktisch jeden zufriedenen Patienten um eine positive Bewertung bitten, damit er mehr positive als negative Bewertungen erhält, seine Bewertungsergebnisse also aktiv verbessern.

 

Man kann es nicht jedem Patienten Recht machen

Eines habe ich nämlich in den 24 Jahren, seit ich niedergelassen bin, gelernt: Ganz gleich wie sehr man sich bemüht, man kann es nicht jedem Patienten Recht machen. Zu oft differieren deren Vorstellungen von dem, was unter den gegebenen Umständen für sie tatsächlich getan werden kann. Wir werden leider immer auch einige unzufriedene Patienten haben.

 

Denken Sie mal nach: Wann haben Sie das letzte mal gelobt? Wann über positive Erlebnisse berichtet? Und wann haben Sie das letzte mal geschimpft, geklagt? Schauen Sie doch sich mal die täglichen Nachrichten an: Wie viele der uns bekannten Medien halten es für notwendig, über Positives zu berichten? Und wie viele negative Berichte gibt es im Gegenzug?

 

Das ist wohl die Art und Weise, wie die Gattung „Homo Sapiens“ tickt. Insofern kann das Bild, das solche Portale von der Praxis eines Mediziners darstellen, gar nicht positiv ausfallen, falls es nicht mehr oder weniger objektiv und seriös „frisiert“ wird. Es wird immer mehr zufriedene als unzufriedene Patienten in der Praxis geben, ansonsten könnte sie ja nicht existieren. Die große Masse der zufriedenen Patienten äußert sich jedoch – wenn überhaupt – nur im persönlichen Gespräch. Die wenigen frustrierten, nach Rache Sinnenden werden aber nach Wegen suchen, möglichst großen Schaden anzurichten. Die Anonymität der Bewertungsportale ist dafür das geeignete Mittel.

 

Besteht für den einzelnen Mediziner bisher noch die Möglichkeit, sich bei übler Nachrede gegen den Schmäher juristisch zu wehren, sofern dieser namentlich bekannt ist, so besteht nach den letzten Gerichtsurteilen diese Möglichkeit bei übler Nachrede im Internet nicht mehr: Jameda und die anderen kommerziellen Bewertungsportale können nicht gezwungen werden, die Identität des Schmähers preiszugeben. Somit sind öffentlichen anonymen und rufmordenden Aussagen Tür und Tor geöffnet ,ohne dass die Schmäher irgendetwas befürchten müssen.