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30.03.2017·Risiken und Chancen Implantate bei Rheumatoider Arthritis? Warum nicht – wenn Sie ein paar Dinge beachten!

·Risiken und Chancen

Implantate bei Rheumatoider Arthritis? Warum nicht – wenn Sie ein paar Dinge beachten!

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „ZR ZahnmedizinReport“, Berlin

| Folgender Fall: Angenommen, Ihr Patient hat eine Rheumatoide Arthritis im Knie. Sie wird mit 15 mg pro Woche Methotrexat (MTX) und 5 mg Cortison pro Tag behandelt. Es ist verständlich, wenn Sie spontan erwägen, unter solchen Umständen auf ein Implantat zu verzichten. Doch Studien sprechen für eine erfolgreiche Implantatbehandlung von Rheumapatienten – wenn Sie ein paar grundlegende Dinge beachten. |

Implantat-Überlebensrate mit gesunden Patienten vergleichbar

Die gute Nachricht vorab: Rheumapatienten, denen Implantate gesetzt wurden, fallen in der Statistik nicht negativ auf. Die Implantat-Überlebensrate bei Rheumapatienten ist vergleichbar mit der bei gesunden Patienten. Eine Übersichtsarbeit zeigt, dass die Erfolgsquoten zwischen 93,8 und 96,1 Prozent liegen. Keine der untersuchten Studien fand signifikante Korrelationen zwischen der Rheumatoiden Arthritis und dem Implantationserfolg. Es gibt nur einen schwachen Zusammenhang zwischen abnehmender Knochendichte bei Osteoporose und Implantatversagen.

 

Bei der Rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung der Gelenke. Bei Fortschreiten der Entzündung wird eine Gelenk- und Knochendestruktion durchgeführt. Die Entzündung zerstört über eine überschießende Immunreaktion das Verhältnis zwischen knochenaufbauenden Osteoblasten und knochenabbauenden Osteoklasten: Der Knochenaufbau wird gehemmt, der Knochenabbau beschleunigt. In erster Linie sind die Knochenheilung und Einheilung des Implantats verlangsamt.

Risiken durch Medikamente

Nicht nur die entzündlichen Vorgänge bergen Risiken für die Implantatbehandlung. Auch die Medikation gegen Rheumatoide Arthritis ist nicht ohne Risiko: Bei einer Einnahme von mehr als fünf Milligramm entzündungshemmendem Kortikoid pro Tag über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten muss mit einer medikamenten-indizierten Osteoporose gerechnet werden. Eine Kortikoid-Dauermedikation kann die Qualität des Knochens so reduzieren, dass die chirurgische Technik der Aufbereitung des Knochens zur Aufnahme eines Implantatkörpers verändert werden muss (z. B. kein Gewindeschneiden, non-ablative Implantatbett-Präparation).

 

Bisphosphonate zur Behandlung von Osteoporosen (die auch durch die Dauermedikation mit Kortikoiden entstehen), können in hohen Dosen die sog. „Bisphosphonat-induzierte-Osteonekrose“ auslösen. Das Risiko gilt nicht nur für Zahnimplantate, sondern für alle chirurgischen Eingriffe am Kieferknochen (z. B. auch eine Zahnextraktion). Ein hoch dosiertes Verabreichen von Bisphosphonaten wird als absolute Kontraindikation für chirurgische Eingriffe am Kiefer angesehen. Bei oraler Einnahme in niedrigeren Dosen gilt eine solche klare Einschränkung nicht mehr.

 

PRAXISHINWEIS | Wie man dieses Problem in den Griff bekommen kann, beschreibt eine S3-Leitlinie, die im vergangenen Herbst veröffentlicht wurde. Zur Risikostratifizierung kann der „DGI-Laufzettel Risiko-Evaluation“ in der jeweils aktuellen Fassung herangezogen werden – eine Rücksprache mit dem behandelnden Rheumatologen bzw. Internisten ist aber auf jeden Fall Pflicht!

 

Die Erfahrungen, die man in den vergangenen 15 Jahren seit den ersten Erwähnungen von Kiefernekrosen unter Bisphosphonaten gemacht hat, zeigen, dass nach dem eventuellen Absetzen der Medikamente und unter systemischer Antibiotikaprophylaxe und lokaler Gabe von CHX doch erfolgreich implantiert werden kann. Notwendige zahnärztliche Eingriffe zur Sanierung von Infekten und Reduktion des Infektrisikos sollen vor Implantationen durchgeführt werden. Auf Augmentationen sollte man verzichten. Noch ungeklärt ist die Rolle von Immunsuppressiva – sog. DMARDs („disease-modifying anti-rheumatic drugs“). Diese greifen modulierend in die gestörte überschießende Autoimmunreaktion ein. Erste Studien zeigen, dass auch niedrig dosiertes Methotrexat (MTX) mögliche negative Auswirkungen auf die Knochenheilung hat. Annussek et al. warnen vor Effekten, wie man sie bei der bisphosphonat-induzierten Osteonekrose des Kiefers sehen konnte.

Periimplantitis-Risiken

Auch nach der Operation sind die theoretischen Risiken für einen Implantatmisserfolg höher: Immunsupressiva können die körpereigene Abwehr gegen Parodontitiserreger herunterregulieren. Erhöhte Aktivitäten von Gingivitis, Parodontitis und Periimplantitis wurden in solchen Fällen beobachtet. Bei Patienten mit Arthritis und gleichzeitigen Bindegewebserkrankungen (Kollagenosen) können Unterschiede in den periimplantären Parametern – z. B. ausgeprägte marginale Knochenresorption und Blutungen – erwartet werden. Die Wechselwirkung der Rheumatoiden Arthritis mit der entzündlichen Parodontitis bzw. Periimplantitis über systemische Entzündungsbotenstoffe erhöht theoretisch das Risiko. Doch eine große schwedische Kohortenstudie fand keine Hinweise auf eine erhöhte Prävalenz der Parodontitis bei Rheumapatienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Auch eine schwedische Übersichtsarbeit über aktuelle Studien fand keinen Risiko-Zusammenhang zwischen Rheumatoider Arthritis und Periimplantitis.

 

PRAXISHINWEIS | Wichtig ist, dass der Patient motiviert bleibt: Eine gute häusliche Mundhygiene und ein dichtes Recall-Programm sollten gegeben sein. Unter Bisphosphonat-Therapie ist eine halbjährliche Inspektion der Mundhöhle durch einen mit der Bisphosphonat-assoziierten Osteonekrose vertrauten Zahnarzt oder MKG-Facharzt Pflicht, empfiehlt Prof. Dr. Jochen Jackowski, Uni Witten-Herdecke.

 

Literatur

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  • 18: S3-Leitlinie (Langversion) „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva (inkl. Bisphosphonate)“ AWMF-Registernummer: 083 –