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19.07.2019·Zahnarzthaftung Schadenersatz wegen unbrauchbarem Zahnersatz: Wer kann was vom Zahnarzt verlangen?

·Zahnarzthaftung

Schadenersatz wegen unbrauchbarem Zahnersatz: Wer kann was vom Zahnarzt verlangen?

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de

| Nach ständiger Rechtsprechung haben Patienten immer dann, wenn die Leistung des Zahnarztes unbrauchbar ist, ein Wahlrecht, ob sie das Behandlungshonorar zurückverlangen oder die Zahlung der Kosten einer Nachbehandlung geltend machen. Doch stehen in diesem Zusammenhang neben dem Patienten auch dessen privatem Krankenversicherer Ansprüche gegenüber dem betroffenen Zahnarzt zu? Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht (LG) Hannover und ihm folgend das Oberlandesgericht (OLG) Celle vor Kurzem zu beschäftigen. Das Ergebnis ist für Zahnärzte positiv und schützt sie vor doppelten Inanspruchnahmen. |

Der Fall

Der beklagte Zahnarzt hatte vom September 2007 bis März 2009 bei seiner Patientin eine umfassende Implantatversorgung ihres Ober- und Unterkiefers vorgenommen. Im weiteren Verlauf der Behandlung gab es Probleme sowohl beim Einsetzen der Provisorien als auch der Suprakonstruktionen und bei der Mundhygiene, weil Abstände zwischen Implantaten zu gering waren. Die Patientin brach die Behandlung ab und verklagte den Zahnarzt vor dem LG Hannover auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Die Verfahren vor dem LG Hannover

In einem ersten Verfahren stellte das LG Hannover fest, dass dem Zahnarzt bei der Behandlung Fehler unterlaufen sind (Urteil vom 23.07.2014, Az. 14 O 191/13). So hätte er die den Implantaten zugrunde liegende Stegkonstruktion zu voluminös geplant, die deswegen schlecht zu reinigen war. Weiterhin seien bei zwei Implantaten erforderliche Mindestabstände unterschritten worden und es sei fehlerhaft gewesen, die begonnene Therapie ab einem im Urteil genannten Zeitpunkt weiter fortzusetzen, da diese ab diesem Zeitpunkt nicht mehr indiziert gewesen sei. Der Zahnarzt wurde deshalb zur Zahlung von 424,12 Euro Schadenersatz für Nachbehandlungskosten und weiterer 6.000,00 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Daneben wurde er dazu verpflichtet, sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

 

Auf die Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen in Höhe des gezahlten Behandlungshonorars von 32.109,32 Euro hatte die Patientin verzichtet. Stattdessen sollte der Zahnarzt ihr die Behandlungskosten ersetzen, die bei der Nachbehandlung seiner Behandlungsfehler entstehen.

 

Nachdem das Urteil des LG Hannover rechtskräftig geworden war, hätte die Angelegenheit für den Zahnarzt erledigt sein müssen ‒ wenn man einmal davon absieht, dass er die Geltendmachung von Ersatzansprüchen hinsichtlich der Nachbehandlungskosten durch seine ehemalige Patientin zu erwarten hatte.

 

Private Krankenversicherung wollte Behandlungskosten zurück

Diese Annahme des Zahnarztes erwies sich jedoch als Irrtum, denn nunmehr meldete sich die private Krankenversicherung seiner ehemaligen Patientin und verlangte insgesamt 24.539,85 Euro von ihm zurück. Dies war der Betrag, den die Versicherung an die Patientin des Zahnarztes auf die Behandlungskosten von insgesamt 32.109,32 Euro geleistet hatte.

 

Die anwaltlichen Bevollmächtigten des Zahnarztes lehnten die Ansprüche der Versicherung ab und begründeten das wie folgt:

 

  • Eine Erfüllung der Ansprüche der privaten Krankenversicherung würde dazu führen, dass die Patientin die zahnärztliche Behandlung faktisch umsonst erhalten würde und der Zahnarzt doppelt belastet würde, da er die Nachbehandlungskosten für die Patientin trägt. Dies würde dem Schadenersatzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) widersprechen: Demnach soll der Geschädigte nur so gestellt werden wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Das Schadenersatzrecht sehe zudem auch keine Bestrafung des Schädigers vor. Dieser müsse nur den Zustand wiederherstellen, der ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre.

 

  • Die private Krankenversicherung würde leistungsfrei, obwohl sie nach § 1 der Musterbedingungen der privaten Krankheitskostenversicherung (MB/KK) verpflichtet ist, zahnmedizinisch notwendige Behandlungskosten zu erstatten.

 

Nach Weigerung des Zahnarztes klagte die private Krankenversicherung

Die private Krankenversicherung der Patientin erhob nunmehr Klage gegen den Zahnarzt. Sie argumentierte, dass aus abgetretenem Recht gemäß §§ 194 Abs. 2, 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) das Wahlrecht der Patientin bereits in dem Zeitpunkt auf sie übergegangen sei, in dem sie die Behandlungsrechnung des Zahnarztes in der Höhe, in der die Rückforderungsansprüche geltend gemacht worden sind, bezahlt habe. Die Patientin hätte somit in dem Zeitpunkt, wo sie den Zahnarzt verklagt hat, gar keine Ansprüche gegen diesen mehr gehabt. Diese seien auf die Krankenversicherung übergegangen.

 

Mit Urteil vom 28.05.2018 (Az. 19 O 43/16) wies das LG Hannover die Klage ab und folgte in seiner Argumentation der Rechtsauffassung der anwaltlichen Bevollmächtigten des Zahnarztes. Bei Vorliegen eines Behandlungsfehlers könne der Patient auch dann nicht kumulativ die Rückzahlung des Behandlungshonorars und die Zahlung der Kosten einer Nachbehandlung verlangen, wenn die Leistung für ihn völlig unbrauchbar ist. Der Patient ist nur so zu stellen, wie er ohne Behandlungsfehler gestanden hätte. In diesem Fall wäre auch das Honorar zu zahlen und der Patient würde gerade keine zahnärztliche Versorgung erlangen, ohne ein Honorar gezahlt zu haben.

Die Patientin habe das ihr zustehende Wahlrecht, entweder die Rückzahlung des Honorars oder die Kosten der Nachbehandlung zu verlangen, ausgeübt. Die Ausübung dieses Wahlrechts durch die Patientin könne der Zahnarzt nunmehr auch der klagenden privaten Krankenversicherung entgegenhalten. Deren Anspruch sei mit Ausübung des Wahlrechts durch die Patientin gewissermaßen untergegangen.

 

Dagegen hatte die private Krankenversicherung der Patientin beim OLG Celle Berufung eingelegt.

Das Urteil des OLG Celle

Das OLG Celle bestätigte in seinem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 01.04.2019 (Az. 1 U 62/18, Abruf-Nr. 209470) die Auffassung des LG Hannover und betonte dabei insbesondere nochmals das Wahlrecht der Patientin. Diese könne bei unbrauchbarer Leistung eines Zahnarztes entscheiden, ob sie das Behandlungshonorar zurückverlangt oder die Zahlung der Kosten einer Nachbehandlung geltend macht. Eine parallele Geltendmachung beider Ansprüche sei nicht möglich, was auch das OLG Oldenburg in einer älteren Entscheidung so gesehen hat (OLG Oldenburg, Urteil vom 12.08.2015, Az. 5 U 27/15).

 

Die Auffassung der Versicherung hätte dazu geführt, dass der Zahnarzt zweimal hätte zahlen müssen. Sinn und Zweck der Regelung des § 86 VVG sei es, eine Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu verhindern. Keinesfalls sei die Vorschrift dazu da, private Krankenversicherungen zu begünstigen und deren Versicherungsnehmer in ihrer Wahlmöglichkeit bei zahnärztlichen Behandlungsfehlern, die zur Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Leistungen führen, einzuschränken.

 

Oftmals stelle sich die Fehlerhaftigkeit einer zahnärztlichen Behandlung nicht sofort, sondern erst eine Zeit später heraus. Wenn mögliche Ansprüche der Patientin zu diesem Zeitpunkt bereits auf ihre private Krankenversicherung übergegangen wären, würde die Patientin durch die versicherungsrechtliche Regelung unangemessen benachteiligt, was nicht Sinn und Zweck der Vorschrift sei.

 

FAZIT | Diese Klarstellungen in der Entscheidung des OLG Celle sind uneingeschränkt zu begrüßen. Alles andere hätte zu unhaltbaren Zuständen sowohl für Patienten als auch für Zahnärzte geführt. Patienten würden ihre Rechte genommen, das ihnen von der Rechtsprechung zugebilligte Wahlrecht (entweder Rückzahlung des Honorars oder Erstattung der Nachbehandlungskosten) auszuüben. Und Zahnärzte müssten sich zukünftig mit mehreren Schädigern auseinandersetzen bzw. in jedem Einzelfall klären, wer überhaupt berechtigt ist, Ansprüche geltend zu machen (Patient oder private Krankenversicherung). Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass derartige Klagen wie im vorliegenden Fall weiterhin erhoben werden, da die anwaltlichen Bevollmächtigten der privaten Krankenversicherung daraus offensichtlich ein Geschäftsmodell gemacht haben.