17.08.2011·Zahnmedizin Die Prothetik ist nur so gut wie ihr Fundament – 60. Jahrestagung der DGPro in Hamburg
·Zahnmedizin
Die Prothetik ist nur so gut wie ihr Fundament – 60. Jahrestagung der DGPro in Hamburg
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „Zahnmedizin Report“, Berlin
| Die Prothetik ist nur so gut wie ihr Fundament. Auch auf der 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro) vom 12. bis 14. Mai 2011 in Hamburg waren deshalb Implantat-Techniken das Thema der Vorträge. Einige werden hier vorgestellt. |
Beschichtungen gegen Periimplantitis
Die Periimplantitis ist eine ernstzunehmende Bedrohung für den langfristigen Erfolg von implantatverankerten Suprakonstruktionen. Eine Biofilmbildung auf Implantat-Oberflächen unter Beteiligung von parodontalpathogenen Erregern kann zu einer Entzündung der periimplantären Mucosa führen. Durch die Zerstörung des benachbarten Knochens kann dies einen frühzeitigen Implantatverlust verursachen. Überall wird deshalb daran gearbeitet, innovative antibakteriell wirksame Beschichtungen zu entwickeln, die gleichzeitig keinen negativen Einfluss auf die Implantat-Gewebe-Interaktion ausüben.
Die physikochemischen Eigenschaften von Implantatmaterialien haben einen entscheidenden Einfluss auf das Potential zur Anlagerung von oralen Mikroorganismen und damit auf das Risiko für periimplantäre Entzündungen. Das Problem dabei: Die Wirksamkeit der verschiedenen physiko-chemischen Oberflächencharakteristika (Rauheit, Hydrophobizität) variiert spezies-spezifisch je nach Erregertyp, berichten Wissenschaftler der Universität Regensburg. Im Hinblick auf das Potential gegen die Anlagerung von oralen Mikroorganismen scheinen keramische Implantatoberflächen keinen Vorteil gegenüber Titanoberflächen zu haben, schreiben R. Bürgers et al.
Sofortbelastung
Kopp bewertete den Einfluss prothetischer Suprakonstruktionen auf den Erfolg sofortbelasteter Implantate (195 Patienten mit 310 prothetischen Konstruktionen auf 896 Implantaten). Einteilige Implantate wiesen die besten Ergebnisse auf. Implantate, die in frische Extraktionsalveolen inseriert wurden, zeigten weniger Risiko gegenüber Implantaten im ausgeheilten Knochen. Die sofortige Stabilisierung der Implantate durch die prothetische Suprakonstruktion begünstigt den Behandlungserfolg. Als alleiniger patientenimmanenter Risikofaktor zeigt sich die Implantation im Oberkiefer – diesem Risiko kann erfolgreich mit einer Erhöhung der Anzahl der Implantate begegnet werden.
Zahn/Implantat-verankerte Brücken
Im reduzierten Lückengebiss mit wenigen Restzähnen stellt eine additive Implantation unter Einbeziehung aller Pfeiler (Zähne und Implantate) in eine abnehmbare Teilprothese ein patientengerechtes Behandlungskonzept dar. Die Verwendung von Doppelkronen als Verankerungselement gewährleistet für die Patienten eine hohe Stabilität und entsprechenden Tragekomfort bei vereinfachter Mundhygiene. Hierbei sollte die Verankerung des Zahnersatzes mit mehr als vier Pfeilern im Oberkiefer respektive mehr als drei im Unterkiefer und gleichmäßiger Stützzonenverteilung erfolgen. Die zusätzlichen Implantatpfeiler helfen, die noch vorhandenen Zähne zu entlasten. Für den Fall des technischen oder biologischen Versagens ist die einfache Erweiterbarkeit des Zahnersatzes vorteilhaft, schreiben Joda et al. aus Hamburg.
Teleskopkronen-unterstützte Teilprothesen auf Implantaten scheinen eine gute Behandlungsoption für Patienten mit stark reduzierter Restbezahnung zu sein. Trotz unregelmäßiger Nachsorge überlebten alle Prothesen knapp zehn Jahre in befriedigendem Zustand, berichten Moll et al. aus Aachen.
Die kombinierte Verankerung von Brücken und Freiendbrücken auf Implantaten und Zähnen führt kurzfristig nicht zu vermehrten prothetischen Komplikationen, zitiert Rammelsberg aus einer Heidelberger Studie. Keramikabplatzungen verursachen sowohl bei verblendeten Metallbrücken als auch bei Vollkeramikbrücken den größten Reparaturaufwand. Häufige Rezementierungen lassen sich durch Verwendung geeigneter Zemente vermeiden – provisorische Zementierungen führten signifikant häufiger zu Brückenlockerungen.
Beim Zementieren von Kronen treten Dimensionsveränderungen von mehreren µm auf. Darüber hinaus sind axiale Verdrehungen von 3 bis 6° beim Verschrauben von Implantatabutments zu beobachten. In der zahn- und implantatretinierten Doppelkronenprothetik sind daher die Primärkronen in einem ersten Behandlungsschritt definitiv zu zementieren respektive drehmoment-fixiert zu verschrauben und anschließend die Galvanoteleskopkäppchen mit der Sekundärkonstruktion intraoral zu verkleben, empfehlen Joda et al. Durch diese Vorgehensweise könne vorhersagbar eine passive Passung der zahn- und implantatgetragenen Gesamtrekonstruktion erzielt werden.
Die Kinematik im zahnlosen Unterkiefer
Bei Druck- und Kauversuchen verschiedener Verbindungselemente (Kugelkopf, Locator, Magnet, Steggelenk, Teleskop) mit sensortragenden Implantaten unterschieden sich die Bewegungen zwischen belastetem und unbelastetem Sattel signifikant. Die Lagestabilität der magnetverankerten Prothesen war im Vergleich zu den anderen Verbindungselementen bei allen Versuchen am geringsten, wohingegen Teleskopprothesen im Mittel die höchste Lagestabilität aufzeigten, berichtet Boeckler von der Uni Halle-Wittenberg.
Belastbarkeit verschraubter Implantatbrücken (I-Bridge2)
Ziel einer Untersuchung an der Uni Hannover war es, den Einfluss einer mechanischen Wechselbelastung auf die Belastbarkeit verschraubter Implantatbrücken (I-Bridge2/Biomain) zu evaluieren. Insbesondere die Langzeitstabilität der verschraubten Verbindungselemente zwischen Implantatfixtur und Brückenrestauration stand dabei im Fokus des Interesses. Die Verbindungselemente der untersuchten I-Bridge2-Restaurationen zeigten trotz ungünstiger Implantat-Angulationen ein sehr zuverlässiges Langzeitverhalten.
Weiterführender Hinweis
- Der 73-seitige Kongressband „Die ganze Welt der Prothetik“ mit allen Abstracts der Vorträge ist im Online-Service (www.iww.de) unter der Rubrik „Zahnmedizin“ abrufbar.