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20.09.2011·Betriebswirtschaft in der Implantologie, Teil 1 Einige Grundüberlegungen und Kosten für den Tätigkeitsschwerpunkt „Implantologie“

·Betriebswirtschaft in der Implantologie, Teil 1

Einige Grundüberlegungen und Kosten für den Tätigkeitsschwerpunkt „Implantologie“

von Dr. med. dent. Detlev Nies und Dipl. Volkswirtin Katja Nies, Sachverständigensozietät, www.praxisbewertung-praxisberatung.de, Köln

| Dieser Beitrag beschäftigt sich mit wirtschaftlichen Überlegungen und Fragestellungen zum Tätigkeitsschwerpunkt „Implantologie“. Es wird unterstellt, dass ein Leser den Tätigkeitsschwerpunkt entweder anstrebt oder bereits ausübt. Im ersten Teil geht es um Grundüberlegungen und die Erläuterung von Fachbegriffen aus der Betriebswirtschaft, die Kosten für die Erlangung des Tätigkeitsschwerpunkts und die Anlaufkosten vor Beginn des Implantierens. Später werden die laufenden Kosten und die Erlöse aus der Behandlung aufgezeigt. Auf dieser Basis wird ermittelt, unter welchen Voraussetzungen und nach welcher Zeit sich die Investitionen rentieren. |

Ökonomie versus Ethik

Jeder Zahnarzt weiß, dass wirtschaftliche Überlegungen einerseits und ethische bzw. sozialpolitisch begründete Überzeugungen und Vorgaben andererseits kollidieren können. Derartige Widersprüche können im Rahmen dieses Beitrages zwar gegebenenfalls angesprochen, aber nicht gelöst werden. Daher sollte aus den Ausführungen dieses Beitrages keine moralische oder sozialpolitische Bewertung von Handlungsalternativen abgeleitet werden.

Grundüberlegungen und Begriffe

Die Darstellung der Berechnungsbeispiele kann nicht alle praxisindividuellen Gegebenheiten berücksichtigen. Die hier verwendeten Zahlen sind zwar durchaus typisch, müssen aber im Einzelfall entsprechend den tatsächlichen Investitionen, Kosten, Erlösen und sonstigen Gegebenheiten angepasst werden. Der Beitrag soll eine Berechnungssystematik darstellen, mit deren Hilfe die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten in der Implantologie erfasst werden können. Die praxiseigenen Zahlen und Annahmen sind aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen und den statistischen Daten der Praxissoftware zu ermitteln und statt der hier verwendeten Werte einzusetzen.

Erläuterung einiger betriebswirtschaftlicher Begriffe

Fixe Kosten: Unter „fixen Kosten“ sind Kosten zu verstehen, die unabhängig vom Umfang der Praxisleistung anfallen: Zum Beispiel muss unabhängig von der Höhe des Praxisumsatzes jeden Monat die Miete bezahlt werden. Diese Kosten sind einer bestimmten Tätigkeit nicht direkt zurechenbar (sie müssen ggf. anhand eines geeigneten Schlüssels aufgeteilt bzw. zugeordnet werden).

Sprungfixe Kosten haben einerseits den Charakter von Fixkosten, fallen also unabhängig vom Umfang der Leistungserbringung an, andererseits verändern sie sich aber nur in definierten „Sprüngen“. Das sind zum Beispiel die Kosten für das Praxispersonal: Wenn eine neue Mitarbeiterin eingestellt wird, steigen die Kosten sofort „sprungartig“ um das entsprechende Gehalt und den Arbeitgeberanteil der Sozialabgaben an, auch wenn die Praxisumsätze diese Sprünge nicht mitmachen, sondern sich kontinuierlich entwickeln.

 

Variable Kosten sind Kosten, deren Höhe von der Leistungserbringung der Praxis abhängen. Zum Beispiel sind Materialkosten für Implantate variable Kosten, weil sie in der Höhe von der Anzahl der gesetzten Implantate und damit vom Umfang des Leistungssegments „Implantologie“ abhängen.

 

Opportunitätskosten: Unter der Voraussetzung, dass die Arbeitskapazität des Praxisinhabers voll ausgelastet ist, muss berücksichtigt werden, dass er in der Zeit, in der er implantologische Arbeiten ausführt, keine anderen Leistungen für die Praxis erbringen kann. Der Vorteil der Leistungserbringung im Rahmen der Implantologie muss also „kalkulatorisch“ korrigiert werden um den Umfang der „Ausfälle“, die dadurch entstehen, dass andere Leistungen in der gleichen Zeit nicht erbracht werden können.

 

  • Beispiel

Angenommen, der Praxisinhaber erzielt bei implantologischen Arbeiten einen Stundenumsatz von 300 Euro. Wenn er in der gleichen Arbeitszeit andere zahnärztliche Leistungen erbringt, beträgt sein Umsatz 250 Euro. Somit beläuft sich der zusätzliche Umsatz pro Arbeitsstunde auf 50 Euro. Dieser Betrag ist den zusätzlichen Kosten, die dadurch entstehen, dass die Einrichtung des Tätigkeitsschwerpunkts mit Investitionen, laufenden Kosten etc. verbunden ist, gegenüberzustellen.

Kalkulatorische Zinsen: Investitionen müssen finanziert werden – sei es durch Eigenkapital oder durch Fremdkapital. Die Zinsen für das eingesetzte Kapital sind unabhängig von der Mittelherkunft bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung zu berücksichtigen. Die kalkulatorischen Zinsen werden nach Maßgabe des durchschnittlich gebundenen Kapitals ermittelt: Investitionsbetrag dividiert durch 2 multipliziert mit dem unterstellten Zinssatz.

Kosten für die Erlangung des Tätigkeitsschwerpunkts

Bevor die Tätigkeit aufgenommen werden kann, muss zunächst sowohl in die implantologische Ausbildung als auch in die implantologische Erstausstattung der Praxis investiert werden. Die dabei anfallenden Kosten sind bei der späteren implantologischen Tätigkeit gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Curriculum: Es werden die Kosten für ein Curriculum „Implantologiex“ angesetzt. Hier gibt es viele Anbieter, die in Bezug auf Angebot und Preis jedoch nur eingeschränkt vergleichbar sind. Als durchschnittlicher Preis für ein Curriculum werden 10.000 Euro unterstellt. Falls ein akademischer Grad im Zusammenhang mit der Implantologie erworben wird (zum Beispiel Master-Studiengang), liegen sowohl die für das Studium anfallenden Kosten als auch die dadurch verursachten Ausfallzeiten wesentlich höher als der genannte Betrag.

 

Ausfallzeiten: Fast noch wichtiger als die Kosten des Curriculums sind die Kosten, die durch den Ausfall von Behandlungszeiten entstehen. Zwar bemühen sich die meisten Veranstalter, die Fortbildungsveranstaltungen auf Zeiten zu legen, in denen die Praxis geschlossen ist, aber es ist in der Regel nicht möglich, nur Kurse zu finden, die zu behandlungsfreien Zeiten stattfinden.

 

Die nachfolgenden Zahlen entsprechen den statistischen Durchschnittswerten je Praxisinhaber aus dem Jahr 2009 (gerundet; neuere Zahlen sind noch nicht verfügbar) und werden der Kalkulation zugrunde gelegt (sind aber im Einzelfall durch die tatsächlichen Zahlen zu ersetzen):

 

Jahresbehandlungszeit

1.600 Stunden

Umsatz pro Behandlungsstunde

250 Euro (alte Bundesländer)

Kosten pro Behandlungsstunde

170 Euro (alte Bundesländer)

Gewinn pro Behandlungsstunde

80 Euro

Ausfall an Arbeitszeit wegen des Besuchs von Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen eines Curriculums „Implantologie“ (10 Behandlungstage à 9 Stunden)

90 Stunden (gesamt)

Hieraus errechnen sich folgende Werte (es werden Zahlen für die alten Bundesländer verwendet, Zahlen für Gesamtdeutschland in Klammern):

 

Umsatzausfall

22.500 Euro (21.600 Euro)

davon Kosten, denen keine Einnahmen gegenüberstehen

15.300 Euro (14.400 Euro)

Gewinnausfall

7.200 Euro (7.200 Euro)

 

Zudem müssen Fahrtkosten, An- und Abfahrzeiten, ggf. auch Übernachtungskosten, berücksichtigt werden. Hierfür werden pauschal 1.000 Euro angesetzt. Soweit die Fortbildungsveranstaltungen zu Zeiten stattfinden, zu denen die Praxis sowieso geschlossen ist, werden keine zusätzlichen Kosten bzw. Erlösausfälle erfasst. Jeder ist aber aufgefordert, sich zu überlegen, wie viel ihm seine Freizeit „wert“ ist. Die Berechnungen müssen ggf. korrigiert werden.

Erstausstattung: Für eine implantologisch tätige Zahnarztpraxis sind die nachfolgend genannten Geräte und Ausstattungen erforderlich, die in einer nicht implantologisch tätigen Zahnarztpraxis entbehrlich sind:

 

Chirurgiemotor

1.500 bis 4.000 Euro

Zusätzliches chirurgisches Instrumentarium (zum Beispiel für Sinuslift etc.)

1.000 bis 2.000 Euro

Chirurgisches Winkelstück mit entsprechender, für Implantologie geeigneter Untersetzung

ca. 1.000 Euro

Grundausstattung für ein aufwändiges Implantatsystem

10.000 Euro (im Folgenden: System A für aufwändig)

Grundausstattung für ein kostengünstiges Implantatsystem

4.000 Euro (im Folgenden: System B für bescheiden)

Grundausstattung für sonstiges, im Zusammenhang mit der Implantologie benötigtes Material (zum Beispiel Bone Block Fixation Set)

ca. 1.500 Euro

Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle die Investitionen in medizintechnische Geräte und Röntgenausstattungen wie zum Beispiel eine OP-Ausstattung, DVT-Geräte und/oder dazu gehörende EDV-Lösungen (Hardware und Software).

Anlaufkosten

Personalkosten: In der Regel gibt es in jeder Zahnarztpraxis eine Mitarbeiterin, die bei der Durchführung von chirurgischen Eingriffen assistiert und die mit dem Behandler ein eingespieltes Team bildet. Insofern sind keine zusätzlichen personellen Änderungen oder Erweiterungen erforderlich. Auch im Bereich der Praxisverwaltung wird unterstellt, dass die Abrechnungsmitarbeiterin die im Zusammenhang mit der Implantologie anfallenden Verwaltungstätigkeiten erledigt. Die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen für die Assistenz und die Verwaltung ist aber empfehlenswert. Der Aufwand hierfür dürfte etwa 300 Euro betragen.

 

Werbemaßnahmen: Die Zeiten, in denen man davon ausgehen konnte, dass implantologische Leistungen sich bei den Patienten auch ohne entsprechende Werbemaßnahmen „herumsprechen“, sind angesichts der Konkurrenzsituation einerseits und der deutlich gelockerten Rechtsprechung bezüglich der Zulässigkeit von Werbemaßnahmen andererseits endgültig vorbei. Je nach Marketingkonzept werden Anzeigen geschaltet, Informationsveranstaltungen für Patienten abgehalten, Patienteninformationen verteilt usw.. In diesem Beitrag soll davon ausgegangen werden, dass vor der Aufnahme einer implantologischen Tätigkeit Werbemaßnahmen im Umfang von 2.000 Euro ergriffen werden.

Zwischenergebnis

Bevor in der Praxis mit dem Implantieren begonnen werden kann, fallen entsprechend den in diesem Beitrag getroffenen Annahmen in etwa die folgenden Kosten an:

 

Curriculum

ca. 10.000 Euro

Praxisausfallzeiten

ca. 22.500 Euro (Umsatzausfall)

Investitionen

ca. 19.000 bis 22.500 Euro

Anlaufkosten

ca. 2.300 Euro

Insgesamt

ca. 53.800 bis 57.300 Euro

Weiterführender Hinweis

  • In den nächsten Beiträgen werden unter anderem die folgenden Fragen beantwortet: Wie hoch sind laufenden Kosten des implantologischen Betriebs? Wie hoch sind die voraussichtlichen Behandlungserlöse? Unter welchen Voraussetzungen und nach welcher Zeit rentieren sich die Investitionen in das Angebot von Implantatbehandlungen? Sollte man sich für ein Implantatsystem oder für mehrere Systeme entscheiden? Was ist bei der Zusammenarbeit mit Großlaboren im Ausland zu beachten?