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07.04.2014·Aktuelle Rechtsprechung OLG München: Honorarwegfall aufgrund fehlerhafter implantologischer Behandlung

·Aktuelle Rechtsprechung

OLG München: Honorarwegfall aufgrund fehlerhafter implantologischer Behandlung

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de

| Nicht jede zunächst passungenaue prothetische Versorgung ist fehlerhaft und nicht jede fehlerhafte Behandlung führt zum Verlust des Honoraranspruchs des Zahnarztes. Das Oberlandesgericht (OLG) München wendet in einer aktuellen Entscheidung vom 14. August 2013 (Az. 3 U 1474/13, Abruf-Nr. 140976 unter pi.iww.de) die in der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen des Verlusts des zahnärztlichen Honoraranspruchs im Kontext einer implantologischen Versorgung an. |

Der Sachverhalt

Der behandelnde Zahnarzt hatte seine Honorarforderung einem Abrechnungszentrum verkauft und abgetreten. Die Patientin wurde daher nicht vom Behandler, sondern vom Abrechnungszentrum auf Zahlung der Honorarforderung des Zahnarztes verklagt. Die Patientin wandte die Unwirksamkeit der Abtretung ein, verklagte ihrerseits den behandelnden Zahnarzt auf Zahlung von Schmerzensgeld aus fehlerhafter Behandlung und rechnete für den Fall, dass der Zahlungsklage gegen ihn stattgegeben werden sollte, hilfsweise mit ihrem Schmerzensgeldanspruch gegen den Zahnarzt auf.

 

Das erstinstanzlich befasste Landgericht (LG) Traunstein bejahte zwar einerseits einen Schmerzensgeldanspruch der Patientin aufgrund eines einfachen Behandlungsfehlers gegen den Zahnarzt, ging aber auch davon aus, dass der Honoraranspruch des Zahnarztes hierdurch nicht entfallen sei. Infolge der durch die Patientin erklärten Aufrechnung wurde die Klage dennoch weitestgehend abgewiesen. Die Patientin hatte damit zwar die Klage gegen sich abgewendet, gleichzeitig jedoch ihren Anspruch gegen den Zahnarzt verloren. Aus diesem Grunde legte sie Berufung ein.

 

Das OLG München war der Auffassung, dass der Vergütungsanspruch des Zahnarztes erstinstanzlich zu Unrecht bejaht worden sei, und wies die Klage des Abrechnungszentrums ab. Darüber hinaus sprach es der Patientin sogar ein (geringfügig) höheres Schmerzensgeld zu, weil entgegen der Auffassung des LG Traunstein ein schwerer Behandlungsfehler angenommen wurde. Im Ergebnis ging somit das Abrechnungszentrum „leer“ aus und der behandelnde Zahnarzt – bzw. dessen Haftpflichtversicherer – hat zudem Schadenersatz zu leisten.

Die Grundlage des Honorarverlusts

Das Abrechnungszentrum und der Zahnarzt hatten sich darauf berufen, dass „von den ursprünglich eingebrachten sechs Implantaten zwei bis vier auch weiterhin als Stützpfeiler für eine prothetische – herausnehmbare – Versor-gung Verwendung finden könnten“. Das OLG München kam demgegenüber zum Schluss, dass die prothetische Versorgung für die Patientin „gänzlich unbrauchbar“ sei und daher der Vergütungsanspruch entfalle. Es berief sich hierzu auf die Ausführungen des Sachverständigen, der ausgeführt hatte:

 

„Für jeden Nachbehandler stellt die bei der Patientin vorhandene Situation eine extreme Herausforderung dar. Um eine nutzbare Einschubrichtung der verbleibenden vier Implantate zu erreichen, müssen die Implantate 13 und 11 stark beschliffen werden. Eine Prognose, inwieweit diese Implantate dann noch dauerhaft tragfähig für einen Zahnersatz sind, kann kein Behandler abgeben. Jeder Zahnarzt muss aber Verantwortung für seine Planung und die entsprechende Ausführung des Zahnersatzes übernehmen. Aufgrund der misslichen Ausgangssituation der Implantatachsen wird diese Verantwortung wohl kaum ein Nachbehandler eingehen.“

 

Das Gericht bestätigte auch die Auffassung des Sachverständigen, wonach ein Behandler nicht lege artis handelt, wenn er nach einem schlüssigen Therapieplan nur Teilschritte ausführt und berechnen will. Der Hinweis, der Patient könne sich zur Nachbehandlung in eine Universitätsklinik begeben, ändere nichts daran, dass auch der dort tätige Nachbehandler mit dem Problem der fehlenden Prognostizierbarkeit eines Behandlungserfolges konfrontiert ist. Für die Annahme eines schweren Behandlungsfehlers bezog sich das Gericht auf die Äußerungen des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung, der ausgeführt hatte: „Der Kardinalfehler ist für mich die Verwendung von Einstückimplantaten, zeitgleich mit Augmentation und Prothese. Das halte ich für grottenfalsch.“

 

FAZIT | Lässt sich eine prothetische Versorgung in mehrere „Bestandteile“ zerlegen, wirkt sich ein Behandlungsfehler aber nur auf einen bestimmten Teil aus, sodass bestimmte Arbeitsergebnisse für den Patienten weiterhin verwendbar sind, so sind die auf diese „Bestandteile“ entfallenden Leistungen zu vergüten. Der Behandler kann deshalb nach einer fehlerhaften implantatgestützten prothetischen Versorgung zu seinen Gunsten einwenden, die Implantate seien weiter verwendungsfähig (und insofern vergütungspflichtig). Die Implantate müssen dann jedoch in der inserierten Form auch geeignet sein, einen Aufbau zu tragen. Nach Auffassung des OLG München stellt die Verwendung von Einstückimplantaten zeitgleich mit Augmentation und Prothese einen schweren Behandlungsfehler dar. Stelle sich eine prothetische Versorgung zudem als „völlig unbrauchbar“ dar, so habe dies den Verlust des Vergütungsanspruches zur Folge.

 

Mit dieser Argumentation wird man einen Vergütungswegfall aber nicht immer bejahen können. Der Bundesgerichtshof hat nämlich festgestellt, dass es zum einen „nicht genüge, dass die Leistung objektiv wertlos ist, wenn der [Patient] sie gleichwohl nutzt, zum anderen aber auch nicht, dass der [Patient] sie nicht nutzt, obwohl er sie wirtschaftlich verwerten könnte.“ (BGH, 29. März 2011, Az. VI ZR 133/10; vgl. hierzu Langhoff, PI 12/2012, Seite 12). Die bloße objektive Wertlosigkeit muss daher nicht zwingend den Honorarverlust nach sich ziehen – sie wird es in aller Regel aber, nämlich dann, wenn der Patient die Versorgung auch tatsächlich nicht nutzt. Diese Feststellung hat das OLG München zwar nicht ausdrücklich getroffen, musste dies aber vermutlich auch aus rein tatsächlichen Erwägungen nicht tun, da die ursprüngliche Versorgung „aufgrund der misslichen Ausgangssituation der Implantatachsen“ nicht verwertbar gewesen sein dürfte.