29.01.2014·ABRECHNUNG Was ist beim Ausstellen und der Abrechnung einer AU-Bescheinigung zu beachten?
·ABRECHNUNG
Was ist beim Ausstellen und der Abrechnung einer AU-Bescheinigung zu beachten?
| Das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeits-(AU)-Bescheinigung kommt in der Zahnarztpraxis nicht so häufig vor wie im ärztlichen Bereich. Dennoch sind einige Besonderheiten zu beachten. Zu Diskussionen führt beispielsweise oft die Frage, ob eine AU-Bescheinigung im Rahmen einer Implantatbehandlung bei GKV-Versicherten nach BEMA oder GOÄ auszustellen ist. |
Rechtliche Grundlagen für das Ausstellen der Bescheinigung
Gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, wenn er unverschuldet infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 EFZG).
Bei einer Arbeitsunfähigkeit von bis zu drei Kalendertagen genügt eine formlose Mitteilung (zum Beispiel Anruf, Bote, nicht jedoch Brief). Bei länger als drei Kalendertage dauernder Arbeitsunfähigkeit ist am vierten Tag zwingend eine ärztliche AU-Bescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber darf jedoch auch bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit die Vorlage einer AU-Bescheinigung verlangen. Kommt der Arbeitnehmer seiner Mitteilungspflicht nicht nach, steht dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht zu (keine Entgeltfortzahlungspflicht).
Einen Lohnfortzahlungsanspruch haben alle Arbeitnehmer und Angestellte – einschließlich Auszubildenden – bis zu einer Dauer von sechs Wochen ab dem Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs unterfallen auch geringfügig und kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer und Angestellte dem EFZG und haben ebenfalls Anspruch auf krankheitsbedingte Entgeltfortzahlung.
Die Begriffe „Krankheit“ und „Arbeitsunfähigkeit“ sind nicht deckungsgleich. Nicht jede Krankheit muss zur Arbeitsunfähigkeit führen. Konkret:
- Eine Krankheit im medizinischen Sinn ist anzunehmen, wenn ein regelwidriger Körper- und Geisteszustand vorliegt, der einer Heilbehandlung bedarf.
- Arbeitsunfähigkeit liegt hingegen (erst) vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann (zum Beispiel nach stationärer Aufnahme im Krankenhaus) oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss schließlich die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung und damit den Ausfall der Arbeitsleistung sein.
Entscheidung über Arbeitsunfähigkeit beim Arzt bzw. Zahnarzt
Die Entscheidung, ob eine auf Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit vorliegt, obliegt ausschließlich dem Arzt oder Zahnarzt. Für Vertragszahnärzte ergibt sich diese Pflicht auch aus § 12 Abs. 1 Bundesmantelvertrag für Zahnärzte (BMV-Z, Stand 12. Juni 2013). Dort ist geregelt, dass die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf ihre Bedeutung eine besondere Sorgfalt erfordere und nur aufgrund einer zahnärztlichen Untersuchung bescheinigt werden dürfe. Ohne Untersuchung hat die AU-Bescheinigung für den Arbeitnehmer keine Beweiskraft.
Bei der Entscheidung, ob eine Arbeitsunfähigkeit besteht, ist nur auf objektive Gesichtspunkte abzustellen. Maßgebend ist ausschließlich die vom Arzt bzw. Zahnarzt nach objektiven medizinischen Kriterien vorzunehmende Bewertung. Leichte Erkrankungen oder Unpässlichkeiten – wie etwa eine „flappless“ (lappenlose) Implantation oder die Veränderung eines implantatbasierten (Langzeit)provisoriums oder eines individuellen Gingivaformers – beeinträchtigen in der Regel die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht.
Ein Patient, der nach einer Freilegung seines Implantats Wundbeschwerden bekommt, ist zwar medizinisch gesehen krank, jedoch nicht im arbeitsrechtlichen Sinne. Etwas anderes gilt, wenn bei einem Patienten erhebliche feststellbare Schmerzen vorliegen oder die Gefahr einer erneuten Blutung nach einer komplizierten Sinusbodenaugmentation besteht. Dies sind Krankheitsgründe, die vom Zahnarzt problemlos feststellbar sind. Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien, Stand 3. Juli 2013) gilt:
Ist ein für die Ausübung der Tätigkeit oder das Erreichen des Arbeitsplatzes erforderliches Hilfsmittel – zum Beispiel ein Körperersatzstück – defekt, dann besteht Arbeitsunfähigkeit so lange, bis die Reparatur des Hilfsmittels beendet oder ein Ersatz des defekten Hilfsmittels erfolgt ist. Ob in solchen Fällen von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Keine Arbeitsunfähigkeit liegt bei kosmetischen und anderen Operationen ohne krankheitsbedingten Hintergrund und ohne Komplikationen vor. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss ganz aktuell in seiner Sitzung vom 14. November 2013 im Rahmen des Beschlusses über eine Neufassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien entschieden.
Was außerdem bei einer AU-Bescheinigung zu beachten ist
Nach dem § 12 Abs. 2 BMV-Z soll die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit auf dem dafür vorgesehenen Vordruck erfolgen. Da es sich hierbei um eine „Soll-Vorschrift“ handelt, darf davon nur aus besonderen Gründen abgewichen werden.
Die Arbeitsunfähigkeit darf für einen vor der ersten Inanspruchnahme des Zahnarztes liegenden Zeitraum grundsätzlich nicht bescheinigt werden (§ 12 Abs. 3 BMV-Z). Eine Rückdatierung auf einen Tag vor Behandlungsbeginn ist nur ausnahmsweise und nach gewissenhafter Prüfung – und dann auch nur für bis zu zwei Tage – zulässig. Im ersten Absatz von § 5 Satz 1-4 EFZG heißt es: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.“
Auf der AU-Bescheinigung dürfen keine zusätzlichen Angaben – zum Beispiel ausführlicher Befund mit Angabe der Erkrankung – gemacht werden. Auch im Rahmen der AU-Bescheinigung unterfällt die Krankengeschichte des betreffenden Arbeitnehmers der strafbewährten ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. StGB). Eine Ausnahme ist nur im Zusammenhang mit Anfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zulässig, die dieser zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt (§ 275 SGB V).
Ist der Patient GKV-versichert, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes dazu enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.
AU-Bescheinigung nach implantologischem Eingriff: Was gilt?
Im Praxisalltag stellt sich immer wieder die Frage, ob ein GKV-Patient nach einer außervertraglich erbrachten Implantation für die AU-Bescheinigung selbst aufkommen muss. Hier gibt es widersprüchliche Aussagen von zahnärztlichen Organisationen und in Kommentierungen. Vertretbar wäre unseres Erachtens die folgende Auffassung: Die Implantatbehandlung ist für einen Kassenpatienten außervertraglich zu leisten. Dies gilt nicht nur für die Zielleistung der Implantation, sondern auch für alle flankierenden Leistungen, sodass die AU-Bescheinigung nach der GOÄ-Nr. 70 zu berechnen wäre. Fragen Sie im Zweifel aber Ihre KZV oder Zahnärztekammer, wie sie es sieht!
Ein weiteres Problem tritt auf, wenn ein implantatgetragener Zahnersatz in das Dentallabor zur Reparatur gegeben wird, der Patient GKV-versichert ist und ohne Zahnersatz seinem Job mit Publikumsverkehr nicht nachkommen kann. Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 10. Januar 1977 (Az. 10 Sa 162/76) entschieden, dass eine Arbeitsunfähigkeit dann vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer eine Totalprothese trägt und beide Prothesen zur Wiederherstellung der Funktion durch Unterfütterungen in das Dentallabor weitergereicht werden. Somit muss Gleiches auch für Implantatprothesen gelten.
Und wie verhält es sich, wenn ein Implantat mittels Osteotomie entfernt werden muss und aus diesem Grund eine AU-Bescheinigung erforderlich wird? Da hierzu keine bundeseinheitliche Aussage vorliegt, sollten Sie zu Ihrer Sicherheit die KZV bzw. Zahnärztekammer schriftlich um Klärung des Sachverhalts bitten und die Antwort archivieren.