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02.10.2014·Aktuelle Rechtsprechung OLG Hamm: Kein Honoraranspruch für Implantatbehandlung wegen Aufklärungsmängeln

·Aktuelle Rechtsprechung

OLG Hamm: Kein Honoraranspruch für Implantatbehandlung wegen Aufklärungsmängeln

| „Eine kostenintensive Zahnbehandlung (Implantatbehandlung mit Knochenaufbau durch Eigenknochenzüchtung) muss nicht bezahlt werden, wenn sich der Patient im Falle seiner ordnungsgemäßen Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten (Knochenaufbau durch Verwendung von Knochenersatzmaterial oder Knochenentnahme aus dem Beckenkamm) gegen die kostenintensive Behandlung ausgesprochen hätte.“ – So lautet der Leitsatz des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. August 2014 (Az. 26 U 35/13, Abruf-Nr. 142676 unter pi.iww.de). |

Der Fall

Eine Patientin befand sich von 2007 bis 2008 in kieferchirurgischer Behandlung, bei der eine Implantatbehandlung mit Knochenaufbau erfolgte. Der Aufbau des Ober- und Unterkieferknochens sollte durch gezüchtetes Knochenmaterial erfolgen. Die Patientin unterzeichnete entsprechende Heil- und Kostenpläne und Einverständniserklärungen.

 

Der Implantologe verlangte eine Vergütung von 20.000 Euro für erbrachte Leistungen, wovon 15.000 Euro auf die Kosten für die Eigenknochenzüchtung entfielen. Die Patientin zahlte in mehreren Teilbeträgen 3.660 Euro, so dass mehr als 15.600 Euro offen blieben. Insgesamt stellte der MKG-Chirurg Kosten in Höhe von 42.000 Euro in Rechnung. Die gesamte Behandlung sollte sogar 90.000 Euro kosten. Die Patientin behauptete, über die Gesamtkosten der Behandlung nicht aufgeklärt worden zu sein. Anderenfalls hätte sie nicht zugestimmt. Außerdem war die Behandlung erfolglos, weil sämtliche Implantate schon nach kurzer Zeit herausgefallen waren.

 

Die Patientin behauptete, sie sei zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung wegen der Einnahme von Tranquilizern nicht geschäftsfähig gewesen. Der Behandler habe die Situation unmittelbar vor dem Eingriff ausgenutzt, um sich ihre Unterschrift zu erschleichen. Einer Behandlung mit einem Kostenaufwand von mehr als 90.000 Euro hätte sie schon wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zugestimmt. Im Übrigen stünde dem Vergütungsanspruch ein Schadenersatzanspruch entgegen, da sich die erbrachten Leistungen als mangelhaft und unbrauchbar erwiesen.

Das Urteil

Das Gericht bestätigte die Einschätzung der Patientin, dass sie die Behandlung bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht hätte vornehmen lassen. Dafür spreche auch bereits der Umstand, dass sich die Patientin zuvor in einer Privatzahnklinik hatte beraten lassen, wo ihr der dortige Professor zwecks Kieferknochenaufbau zu Knochentransplantationen geraten hatte. Den Implantologen hatte sie aufgesucht, weil sie eine zweite Meinung einholen wollte.

Drei Verfahren wären in Betracht gekommen

Das Gericht folgte in seiner Entscheidung den Ausführungen des Sachverständigen, laut dem theoretisch drei Verfahren in Betracht gekommen wären: Neben der Eigenknochenzüchtung wäre auch die Verwendung von Knochenersatzmaterial und eine Knochenentnahme infrage gekommen.

 

  • Aus der Urteilsbegründung

„Im Rahmen der erforderlichen Aufklärung hätte der Zahnarzt … ordnungsgemäß und vollständig über die in Betracht kommenden Alternativen zum Knochenaufbau im Ober- und Unterkiefer aufklären müssen. Daran fehlt es jedoch hier. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass vorliegend theoretisch drei Verfahren in Betracht gekommen wären. Neben der Eigenknochenzüchtung wäre, so der Sachverständige, die Verwendung von Knochenersatzmaterial (Collagen) und die Knochenentnahme in Betracht gekommen. Unstreitig hat der Zahnarzt allerdings nur auf die Knochenentnahme aus dem Beckenkamm als alternative Behandlungsmethode hingewiesen.

 

Darüber hinaus hat er diese Methode als ungeeignet dargestellt und zur Begründung darauf verwiesen, dass die Menge des für den Ober- und Unterkiefer benötigten Knochenmaterials zu groß sei, um sie durch die Beckenkammoperation gewinnen zu können. Dies ist nach Einschätzung des durch den Sachverständigen beratenden Senats unzutreffend und irreführend. Der Sachverständige hat bereits in seinem im Verfahren vor dem LG Hannover (Az. 14 OH 1/09) erstatteten schriftlichen Gutachten, das der Senat gemäß § 411 a ZPO in Kenntnis der Parteien herangezogen hat, ausgeführt, dass das Verfahren der Eigenknochenzüchtung zwar eine schon länger angebotene Therapieoption sei, der „golden standard“ jedoch die Verpflanzung des eigenen Knochens aus dem Kiefer oder dem Beckenkamm sei.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er weitergehend erläutert, dass das Verfahren der Eigenknochenzüchtung zwar nicht kontraindiziert gewesen sei, es jedoch in der klinischen Routine nicht verwandt werde. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar damit begründet, dass bei dieser Methode die Schwierigkeit bestehe, den bei größeren Defekten erforderlichen dreidimensionalen Aufbau zu erreichen, sodass nur kleinere Defekte damit behandelt würden. Die Knochenentnahme aus dem Beckenkamm sei nach der zusammenfassenden Einschätzung des Sachverständigen noch immer das beste Verfahren.

 

Der Sachverständige erklärte zudem, dass die Entnahme aus dem Beckenkamm zwar in einer Klinik vorgenommen werden müsse, die Knochenentnahme zur Züchtung jedoch nur ambulant erfolgen könne. Da aber auch hier eine Beckenkamm-Operation zusätzlich durchgeführt worden sei, hätteman auch den übrigen Knochenaufbau (Sinuslift) auf diese Weise vornehmen können.

Kein Honorar, weil über Alternativen nicht aufgeklärt wurde

Da sich – so das Oberlandesgericht – bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung die Patientin gegen die Behandlung ausgesprochen hätte und somit sämtliche in der Rechnung aufgeführten Positionen nicht angefallen wären, entfällt der geltend gemachte Honoraranspruch.

Das Urteil ist rechtskräftig

Eine Revision zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.