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03.03.2011 |Fallbeispiel Die Implantatprophylaxe – immer häufiger tägliches Programm einer ZMP

03.03.2011 |Fallbeispiel

Die Implantatprophylaxe – immer häufiger tägliches Programm einer ZMP

Ein Erfahrungsbericht von Sabine Matthaei, Hamburg

Morgendliches Briefing. Unter der Leitung der Zahnärztin werden Patientenfälle mit den Prophylaxe-Mitarbeiterinnen besprochen. Frau Glasewitz hat heute wieder einen Termin. Sie war bereits vor ein paar Tagen zur 01 in der Praxis. Dabei gab es Probleme mit der Festigkeit der Unterkiefer-Totalen, die von zwei Implantaten regio 43, 33 mit Steg getragen wird. Frau Glasewitz beschrieb, dass das „angenehme Schnappen“ beim Einsetzen ihrer Unterkiefer-Prothese nicht mehr vernehmbar sei und sie das Gefühl hätte, der Zahnersatz „geht nicht mehr richtig runter.“ Die Zahnärztin äußert im Briefing ihre Vermutung, was der Grund für das Problem sein könnte. 

Positive Feedbacks geben Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZMFs) und Prophylaxe-Mitarbeiterinnen (ZMPs) die nötige Wertschätzung ihrer Arbeit. Klare Aufgabenabsprache und gezielter Informationsaustausch gewährleisten eine perfekte Vorbereitung auf den Patienten. So bitte ich Frau Glasewitz in mein Prophylaxezimmer. Nach einem kurzen Aufwärmgespräch sehe ich mir den Zahnersatz genau an. Mein Fachblick bestätigt die Vordiagnose der Behandlerin: Erheblicher Zahnstein, dicke Plaquebildung und viele Ablagerungen in den Verankerungselementen der Suprakonstruktion lassen die einwandfreie Friktion des Zahnersatzes nicht mehr zu. 

Seit einem Jahr keine Implantatprophylaxe mehr

Die Implantate wurden einst beim Kieferchirurgen gesetzt, ebenso wie die spätere Eingliederung der Totalprothese. Eine Überweisung zum Hauszahnarzt für die Prophylaxe oder ein Angebot in der MKG-Praxis waren allerdings ebenso ausgeblieben wie eine Instruktion zur konsequenten Mundhygiene. Eine Implantatprophylaxe hatte seit einem Jahr nicht mehr stattgefunden. Im Spiegel demonstriere ich der 72-jährigen Patientin die Ist-Situation. Ich erkläre ihr die Entstehung von Plaque und Zahnstein und erläutere in allgemeinverständlichen Worten die Risiken, die der Biofilm für ihre Implantate bedeutet. Kurz zusammengefasst lautet die fachliche Erklärung der Dysfunktion und die möglichen Konsequenzen: 

 

Ein Implantat ist umgeben von narbenähnlichem Weichgewebe. Das Implantatbett hat mehr Kollagenfasern, aber weniger Fibroblasten, und das periimplantäre Gewebe hat eine geringere Immunabwehr. Durch die Infektion mit parodontal pathogenen Keimen aus der Plaque kam es zur periimplantären Entzündung. Das Krankheitsbild und der Verlauf sind mit der Gingivitis zu vergleichen. Die Entzündung beschränkt sich auf das periimplantäre Gewebe, es entsteht eine Blutung bei Berührung und Sondierung. Das Gewebe schwillt und rötet sich. Erfolgt keine Therapie und keine Veränderung der häuslichen Mundhygienegewohnheiten, kann sich diese Entzündung – ähnlich der Parodontitis – auf den Knochen übertragen. Folge: Es kommt zur Periimplantitis. Die periimplantitis-assoziierten Keime bauen den Knochen schüsselförmig ab und führen zur Implantatlockerung. „Ein gelockertes Implantat, Frau Glasewitz, ist ein verlorenes Implantat. Wir würden Sie gern unterstützen, um ihren Unterkiefer-Zahnersatz ein Leben lang zu erhalten. Gemeinsam schaffen wir das.“ 

Entfernung der Beläge mit der Pulverstrahltechnik

Ich beginne nun mit der Entfernung der weichen Beläge. Schnell, schmerzlos, minimalinvasiv und auch wirtschaftlich ist die Pulverstrahltechnik. Zurück bleibt die mineralisierte Plaque (Pulverstrahl entfernt nicht den Zahnstein). Ein gutes Pulverstrahlgerät lässt eine Regulierung der Wasser, Luft- und Pulvermenge zu, hat eine feine Düse und einen weichen Arbeitsstrahl.  

 

Auf Implantatoberflächen und Suprakonstruktionen benutze ich ausschließlich nichtabrasives Glycin, wie zum Beispiel das Clinpro Prophy Powder. Kontraindiziert ist die Ultraschalltechnik mit Metallarbeitsspitze an den Implantaten, da dadurch die Oberfläche aufgeraut wird. An rauen Oberflächen legt sich der Biofilm schneller an. Ultraschall liegt in der Belastung bei 250 khz. Diese Größe ist für den Patienten oft schmerzhaft. Ich arbeite mit der niedrigfrequenten Schalltechnik, die sich bei 16 khz bewegt. Mit einem Airscaler und der dazugehörigen Arbeitsspitze für Implantate ist der feste Belag auf den Implantaten schnell und schmerzlos entfernt. Zum Einsatz kommt dabei eine PEEK-Spitze aus Polyetherketon, einer Kunststoffbeschichtung, die die Oberfläche nicht zerkratzt. 

 

Mit einer Titan-Kürette scale ich vorsichtig sub- und supragingival alle Restkonkremente von Implantat- und Stegaufbauten. Immer wieder verblase ich mit der Sprayluft Blut und Speichel, um gute Sicht zu haben, denn Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit entscheiden über den Heilungsverlauf. Die Hochglanzpolitur führe ich mit einer Polierpaste mit sehr niedrigem RDA-Wert durch. Eine Goldhochglanzpaste mit dem RDA-Wert 7, eingesetzt mit einem weichen Gumminäpfchen, sichert mir eine glatte und kratzfreie Oberfläche. Den Abschluss gestalte ich mit einer subgingivalen Spülung mit 0,2 Prozent CHX- Lösung. Ich reinige Mukosa und Zungendorsum mit einem CHX-Gel und benetze die Tonsillen der Patientin mit einem CHX-Spray. 

 

In der Zwischenzeit wurde die Prothese im praxiseigenen Labor professionell gereinigt und wir kommen nach einer halben Stunde Reinigung zum für die Patientin emotional entscheidenden Akt – der Anprobe. Die Reinigung führte bereits zu einem „guten Gefühl“ im Mund, das einwandfreie Einsetzen mit dem „Schnapp“ der Verankerungselemente begeistert Frau Glasewitz restlos.  

Unterweisung der Patientin in der Mundhygiene

Der nächste Schritt ist die Unterweisung in der Mundhygiene. Ich zeige und übe mit ihr mehrere Reinigungsschritte. Erstens mit einer weichen Zahnbürste Steg und Aufbauten reinigen, zweitens mit der Solotechnik gezielt den Rand zwischen Implantataufbau und Zahnfleisch säubern. Dazu bekommt sie eine Solobürste aus dem Prophylaxeshop mit nach Hause. Unter dem Steg sollte sie am besten mit einer passenden Zwischenraumbürste arbeiten. Aufgrund der altersbedingt eingeschränkten motorischen Geschicklichkeit empfehle ich ihr kein Implantatband. Ein Floss würde sie nur frustrieren. 

 

Den Zahnersatz kann sie in den Halteelementen nur mit einer guten Prothesenbürste sauber halten. Zur Reinigung von Prothesen ist einfache Handseife gut geeignet – sie ist mild und reinigt effektiv. Bei der Empfehlung der Zahnpasta achte ich auf einen geringen Anteil an CHX. Diese reduziert die Verfärbungstendenz und ist dennoch wirkungsvoll im Kampf gegen parodontal-pathogene Keime. 

Attachmentverlust, daher vierteljährliches Recall

Zuletzt messe ich mit einer Kunststoffsonde die Sondierungstiefen. Ein Jahr nach Eingliedern der Suprakonstruktion hat sich durch mangelnde Mundhygiene ein Attachementverlust von 2 bis 3 mm eingestellt, den es zu verbessern gilt. Deshalb erhält Frau Glasewitz ein vierteljährliches Recall. Abschließend dokumentiere ich meine Tätigkeiten und Empfehlungen in der Praxis-EDV, die ein zusätzliches Prophylaxemodul aufweist. So können unsere behandelnden Zahnärztinnen stets bequem auf die aktuellste Patienten-Dokumentation zugreifen. Der Kreis des professionellen Austauschs schließt sich. 

Prophylaxestunde: Orientierung am Praxisstundensatz

Der Zeitaufwand mit „Warm-up“, Ist-Analyse, Implantatreinigung, Full Mouth Disinfection, Mundhygiene-Instruktion, Dokumentation und Motivation der Patientin betrug eine Stunde. Dazu kommt die Leistung des Labors für eine professionelle Prothesenreinigung. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, sollte sich die Prophylaxestunde am Stundensatz der Praxis orientieren. Beraten Sie sich dazu mit dem Arbeitgeber und gegebenenfalls dem Steuerberater unter Beachtung der aktuellen BWA (Betriebswirtschaftlichen Auswertung). 

 

Frau Glasewitz wird beim nächsten Mal für 45 Minuten eingeplant und alle weiteren Sitzungen werden sicher nicht mehr als 30 Minuten benötigen. Dementsprechend reduziert sich der Preis. Das wird ihr angekündigt. Sie ist zufrieden und will uns weiterempfehlen.  

 

Weiterführender Hinweis

  • In Nrn. 4/September bis 7/Dezember 2010 von „Praxis Implantologie“ – PI – haben wir über die Aufgaben der implantologischen Assistenz berichtet.