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02.08.2016·Fallbeispiel Erstattungsprobleme bei einer Implantation: Komplexer Fall in vier Phasen – Teil 1

·Fallbeispiel

Erstattungsprobleme bei einer Implantation: Komplexer Fall in vier Phasen – Teil 1

| Implantation, Maßnahmen im Weichgewebe und Augmentation werden befundabhängig auch in mehreren Phasen ausgeführt. Je umfangreicher der Behandlungsfall, umso höher sind die Behandlungskosten, aber auch mögliche Kürzungen der Kostenträger. Was wird moniert und wie kann die Praxis reagieren? In dieser Beitragsserie erhalten Sie Hilfestellungen zu jeder Phase. |

Der Behandlungsfall

Eine Privatpatientin soll bei einem MKG-Chirurgen regio 36 bis 38 bei fortgeschrittener Alveolarkammatrophie zwei Implantate erhalten. Aufgrund der Defizite im Weich- und Hartgewebe wird die Behandlung in vier Phasen erfolgen: Phase 1: Verbesserung der Weichgewebssituation in Form einer Vestibulumplastik mit freiem Schleimhauttransplantat; Phase 2: Kieferkammaufbau; Phase 3: Implantation; Phase 4: Freilegung mit eventueller Korrektur des Hart- und Weichgewebes. Anschließend wird der Hauszahnarzt die Versorgung mit Einzelkronen vornehmen. Nach der klinischen Untersuchung, Auswertung der Röntgenaufnahme (Hauszahnarzt) und der Fotografien sowie Planungsmodelle sind für die erste Phase folgende Leistungen und Materialien geplant:

 

  • Phase 1: Vestibulumplastik mit Gingivatransplantat
Region
GOÄ-GOZ-Nr.
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anzahl
Betrag
in Euro

Ä3

Beratung, eingehend

2,3

1

20,10

Ä6

Eingehende Untersuchung des stomatognathen Systems

2,3

1

13,41

0060

Situations- und Planungsmodelle

2,3

1

33,63

0030

Heil- und Kostenplan

3,0

1

33,75

Ä75

Befundbericht, ausführlich

2,3

1

17,43

Ä1

Beratung

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

17, 36

0080

Oberflächenanästhesie

2,3

2

7,77

17

0090

Infiltrationsanästhesie

2,3

2

15,52

38

0100

Leitungsanästhesie

2,3

2

18,12

38 – 36

Ä2675

Partielle Vestibulumplastik

3,3

1

163,48

Ä444

Zuschlag bei ambulanter OP

1,0

1

75,77

18 -16

Ä2386

Schleimhauttransplantation

3,5

1

140,35

Ä2700

Verbandsplatte

2,3

1

46,92

Ä70

Befundbericht

2,3

1

5,36

17, 37

3300

Nachbehandlung

2,3

2

16,84

Zwischensumme Honorar

629,89

 

Material/Auslagen
Anzahl
Euro

Abformmaterial

3

9,30

Anästhetikum

3

2,08

Atraumatisches Nahtmaterial

1

12,80

Atraumatisches Nahtmaterial

2

20,12

Porto für Arztbrief

2

1,40

Zwischensumme Kosten für Material und Auslagen

Leistungsbeschreibung Zahntechnik
Anzahl
Euro

Praxislabor: Fotografien

8

54,00

Praxislabor: Korrektur Verbandsplatte

1

8,30

Fremdlabor: Verbandsplatte

1

45,30

Zwischensumme Kosten Zahntechnik

Voraussichtliche Gesamtkosten

 

Phase 1: Rechnung und Reaktion der Versicherung

Mittlerweile ist die erste Phase abgeschlossen und die Rechnung bei der Versicherung eingereicht. Die erbrachten Leistungen entsprechen dem Therapieplan, lediglich eine Infiltrationsanästhesie konnte entfallen. Die PKV bittet darum, einen OP-Bericht zuzustellen, und wandelt bei der Teilerstattung willkürlich drei Gebührenziffern in andere um, die bei Überprüfen des Therapieplans im Vorfeld der Behandlung nicht beanstandet wurden.

 

Der Implantologe soll eine Stellungnahme zu den Ziffern verfassen, damit die PKV ihre Leistungspflicht prüfen kann. Nach §§ 241 und 242 BGB gehört es zu den Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag, einen Patienten bei der Durchsetzung seiner Erstattungsinteressen angemessen zu unterstützen.

Können im Nachhinein noch Leistungen moniert werden?

Kann die Versicherung beim Einreichen der Rechnung Leistungen monieren, die im Vorfeld der Therapie nicht beanstandet wurden? Antwort: Ja, das kann sie. Nach geltendem Recht ist die PKV zur Kostenübernahmeerklärung vor Behandlungsbeginn nicht verpflichtet. Für den Versicherungsnehmer nachteilige Abweichungen können sich aus den Musterversicherungsbedingungen (MB/KK) und den weiteren individuellen Versicherungstarifen ergeben. Die Versicherungsleistung wird erst fällig, wenn der Versicherungsnehmer die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Heilbehandlung nachweist und der Versicherer dies anhand entsprechender Unterlagen nachprüfen kann (OLG Köln, 20.3.1996; Az. 5 U 121/95, Abruf-Nr. 110754 unter pi.iww.de).

 

Nach § 192 Abs. 8 VVG hat der Versicherte zunächst nur einen Auskunftsanspruch. Für den Versicherer ergibt sich hieraus nicht die Verpflichtung, eine verbindliche Auskunft zu erteilen, geschweige denn die Kosten zu übernehmen. Werden weitere Unterlagen benötigt, kann der Versicherer diese beim Kunden oder – falls eine rechtskräftige Abtretungserklärung vorliegt – auch direkt beim Arzt bzw. Zahnarzt anfordern.

Der OP-Bericht – Pflicht oder Willkür?

§ 630f BGB beschreibt die Dokumentationspflichten: „1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.“

 

Das Ausstellen eines OP-Berichts ist weder im BGB, der GOÄ, der GOZ, im VVG noch in den MB/KK gefordert. Die Rechtsprechung steht auf dem Standpunkt, dass der Versicherer ein berechtigtes Interesse an der durch die Krankenunterlagen gewährleisteten präzisen Unterrichtung haben muss, wenn er Einsicht in die Behandlungsunterlagen fordern will (vgl. LG Nürnberg-Fürth vom 30.8.1993, – Az. 2 O 1234/93).

 

Der Patient als Kunde der PKV ist allerdings nach § 9 Abs. 2 MB/KK und § 31 VVG verpflichtet, auf Verlangen des Versicherers jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder der Leistungspflicht des Versicherers und ihres Umfangs erforderlich ist, soweit zumutbar.

 

Ein OP-Bericht kann innerhalb der Kartei – papierbasiert oder digital – oder auf einem Vordruck erstellt werden. Neben Namen und Adressdaten ist das Geburts- und OP-Datum des Patienten zu notieren. Eine OP-Beschreibung kann z. B. im Rahmen dieses Beispiels die folgenden Angaben enthalten:

 

  • Beispiel: Mögliche Angaben in der OP-Beschreibung

Infiltrations- und Lokalanästhesie mit Ultracain DS forte. Offene partielle Vestibulumplastik im Unterkiefer links von 34 bis 38 mit epiperiostaler Präparation. Ablösung von hoch strahlenden Muskelfasern und Bändern. Apikale Fixierung der gelösten Mukosa durch Aufhängenähte mit Vicryl rapid 5-0 am Periost im Sinne eines apikalen Verschiebelappens. Präparation der Schleimhaut am Gaumen regio 13 bis 17, Entnahme von keratinisierter Gingiva in Form eines Schleimhauttransplantats mit einer Länge von 40 mm und Dicke von 0,70 mm. Einbringen des Transplantats im präparierten Empfängerbett regio 33 bis 38. Befestigung mit Prolene 6-0, Überknopfnähte mit Periostfixierung mit Vicryl. Befestigung eines Parodontal-Kompressions-Verbands zur Stabilisierung des Transplantats und Verhinderung bzw. Reduktion einer Hämatombildung. Anlegen einer Verbandsplatte nach Korrektur der Basis im OK Wundbereich von 13 bis 17. Aufbringen von Tupfern in das Vestibulum, Reinigung des OP-Gebiets am Patienten, Kreislauf stabil.

 

Sind Fotografien sinnvoll?

Bei Maßnahmen im Weichgewebe und bei Augmentationen ist es vorteilhaft, wenn Fotografien vom Ausgangs- und Endbefund sowie markanter Therapieschritte erfolgen. Sind diese medizinisch notwendig, können sie entweder nach GOZ-Nr. 6000a entsprechend § 6 Abs. 1 GOZ oder alternativ als zahntechnische Leistung berechnet werden, z. B. nach der BEB-Nr. 0706. Der Preis ist vom Behandler zu ermitteln.

Die Mitteilung der Versicherung

Die PKV teilt ferner mit, dass die Liquidation nicht in vollem Umfang bei der Erstattung berücksichtigt wurde, und schreibt, dass zu verschiedenen Punkten keine abschließende Bewertung erfolgen konnte.

 

  • Auszug aus dem Schreiben der Versicherung

„Von der Erstattung wurden die GOÄ-Nrn. Ä2675, Ä444 und Ä2386 vorerst abgelehnt und ersatzweise die GOZ-Nrn. 3240, 0510 und 4130 tarifgemäß erstattet. Wir prüfen Ihre Rechnung im tariflichen Rahmen sowohl auf gebührenrechtliche und rechnerische Übereinstimmung mit der GOÄ bzw. GOZ als auch darauf hin, ob eine medizinisch notwendige Heilbehandlung vorliegt. Für eine Vestibulumplastik sieht die GOZ die Nr. 3240 (3,5-fach 108,27 Euro) mit dem Op-Zuschlag 0510 vor. Die Differenzkosten in Höhe von 55,21 Euro sind von der Erstattung ausgenommen. Für eine Schleimhauttransplantation sieht die GOZ die Nr. 4130 vor (3,5-fach 35,43 Euro). Die Differenzkosten in Höhe von 104,92 Euro sind von der Erstattung ausgenommen.“

 

Wie kann diesem Schreiben begegnet werden?

Der versicherungsinternen Umwandlung der GOÄ-Nr. 2675 in die GOZ-Nr. 3240 ist zu widersprechen. Bei der Behandlung wurde eine umfangreiche Vestibulumplastik im Sinne einer Mundvorhoferweiterung mit Einbringen eines freien Schleimhauttransplantats vom Gaumen durchgeführt, um stabile Verhältnisse im Weichgewebe für die Abdeckung der noch ausstehenden Implantation und Augmentation zu erzielen. Eine Vestibulumplastik über den Bereich von mehr als zwei nebeneinanderliegenden Zähnen ist nach Intention des Bundesgesundheitsministeriums durch die klare Abgrenzung im Leistungstext der GOZ-Nr. 3240 zum 1. Januar 2012 rechtskräftig geworden.

 

Der Leistungstext wurde um die Angabe einer Größenordnung ergänzt, damit es gerade nicht mehr zu Kürzungen durch private Kostenträger kommt. Wie auf den Fotografien intra- und postoperativ deutlich zu erkennen ist, war der Bereich von zwei Zähnen mit der abgebildeten Wundfläche von 33 bis 38 weit überschritten, sodass die partielle Vestibulumplastik nach GOÄ-Nr. 2675 gebührenkonform berechnet wurde.

 

FAZIT | Bestehen Sie auf Nacherstattung der Differenzkosten der Nrn. Ä2675 und Ä444 und nehmen Sie den Patienten in die Pflicht, seine Ansprüche gegen die Versicherung durchzusetzen, denn er ist der Vertragspartner, nicht der Arzt bzw. Zahnarzt. Sowohl der OP-Bericht in Kopie als auch die medizinische Stellungnahme sollten in der Regel immer dem Patienten zur Kenntnisnahme ausgehändigt werden – es sei denn, eine rechtskonforme Entbindung von der Schweigepflicht liegt vor und der Patient bittet ausdrücklich darum, die Stellungnahme der PKV zuzustellen.

 

Weiterführender Hinweis

  • Dieser Beitrag wird fortgesetzt. Im zweiten Teil in der September-Ausgabe wird sowohl die Berechenbarkeit der GOÄ-Nr. 2386 als auch die nächste OP-Phase mit Erstattungshindernissen vorgestellt.