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31.08.2016·Fallbeispiel Erstattungsprobleme bei einer Implantation: Komplexer Fall in vier Phasen- Teil 2

·Fallbeispiel

Erstattungsprobleme bei einer Implantation: Komplexer Fall in vier Phasen- Teil 2

| Komplexe Therapien und Therapiepläne zu erstellen, ist zeitintensiv. Der Zeitaufwand für den Schriftverkehr mit privaten Kostenträgern erhöht die Praxiskosten und mindert damit indirekt das Honorar. Wie sieht die Planung für Phase 2 aus und welche Einwände kommen diesmal von der Krankenversicherung? Hinweis: Phase 1 wurde in PI 08/2016, S. 1 ff., bereits beschrieben. |

Die Planung in Phase 2

Nachdem das Weichgewebsmanagement stabil ist, soll der Kieferkamm regio 36-37 aufgebaut werden. Die Patientin war beim ersten Eingriff sehr nervös und bittet für die weiteren Eingriffe um medikamentöse Unterstützung. Eine intravenöse Analogsedierung ist als Dauerinfusion bei der OP vorgesehen.

 

  • Der Therapieplan
Region
GOÄ/GOZ
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anzahl
Euro

Ä1

Beratung

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

Ä5004

Orthopantomogramm

1,8

1

41,96

9000

Implantatanalyse

2,3

1

114,35

0030

Heil- und Kostenplan

2,3

1

25,87

36, 48

0080

Oberflächenanästhesie

2,3

2

7,77

38, 48

0100

Leitungsanästhesie

2,3

2

18,12

Ä272

Infusion intravenös (länger 30 Min.)

2,3

1

24,13

Ä250

Blutentnahme Vene

1,8

1

4,19

Ä2442a

Thrombozytenreiches Plasma – PRP-Verfahren – entspr. Einbringen von alloplastischem Material

2,3

1

120,66

48

9140

Entnahme von Knochen

3,5

2

255,92

36, 37

9100

Aufbau Alveolarfortsatz

3,5

1

530,32

0530

Zuschlag bei ambulanter OP

1,0

1

123,73

Ä602

Oxymetrische Untersuchung

1,8

1

15,95

Ä206

Tape-Verband

2,3

1

9,38

Ä70

Befundbericht

2,3

1

5,36

38, 48

3290

Nachkontrolle

2,3

2

14,21

38, 48

3300

Nachbehandlung

2,3

2

16,84

Zwischensumme Honorar

1.350,20

Geschätzte Materialkosten

550,00

Voraussichtliche Gesamtkosten

1.900,20

 

Implantatanalyse

Die GOZ-Nr. 9000 kann im Rahmen der Diagnostik, der Augmentation und/oder der Implantation notwendig sein. Da der Kieferkammaufbau und die Implantation in getrennten Sitzungen erfolgen (zweizeitiges Vorgehen), ist eine erneute Analyse der knöchernen Verhältnisse vor der Implantation erforderlich, um die geeigneten Implantate auszuwählen (Länge, Durchmesser etc.).

Eine Analogsedierung mit Pulsoxymetrie

In jeder Praxis gibt es Angstpatienten, die in Einzelfällen keine Hypnose oder eine Zusammenarbeit mit Psychologen und Psychotherapeuten wünschen. Besteht dennoch ein Behandlungswunsch, so kann die Analogsedierung angewandt werden. Zur Vorbereitung muss der Patient die Möglichkeiten dieser Therapie beim Hausarzt abklären. In der Zahnarztpraxis gibt eine erweiterte Anamnese Auskunft über das Körpergewicht sowie bestehende Leber-, Lungen- und Herzerkrankungen sowie einen eventuellen Drogenkonsum, der gerne bei der regulären Anamnese verschwiegen wird.

 

Die Analogsedierung erfolgt oft mit Dormicum (Wirkstoff Midazolam). Um eine gute Steuerung der Medikamentenapplikation zu erzielen, wird ein intravenöser Zugang gelegt. Dazu wird dem Patienten eine Verweilkanüle in eine periphere Vene gelegt und gesichert. In der Regel handelt es sich um die Hand oder die Ellenbeuge. Zur dauerhaften Spülung wird eine isotonische Kochsalzlösung angelegt. Auf den hygienischen Umgang, die medizinischen Aspekte und die Verkehrstüchtigkeit des Patienten wird hier nicht näher eingegangen.

 

Midazolam verfügt über einen schlafinduzierenden und sedierenden Effekt von hoher Intensität und wirkt darüber hinaus angst- und krampflösend sowie entspannend auf die Muskulatur. Rund 10 bis 15 Minuten vor Beginn der Behandlung wird eine Anfangsdosis von Midazolam appliziert. Auftretende Sprachschwierigkeiten, Schläfrigkeit bis hin zum leichten Schlaf des Patienten zeigen den Wirkungseintritt an. Nachdem die erforderliche Dosis verabreicht ist, wird die reguläre Infiltrations- und/oder Leitungsanästhesie durchgeführt. Zahnärzten ist ein Zugriff auf diese Gebührenziffer aufgrund der Bestimmungen von § 6 Abs. 2 GOZ verwehrt, daher ist eine Analogberechnung für diese medizinisch notwendige Maßnahme bei Zahnärzten erforderlich.

Warum wird ein Pulsoxymeter eingesetzt?

Nicht nur bei Operationen gehört der rot leuchtende Clip am Finger oder am Ohr zur Routine. Um die Vitalparameter des Patienten kontinuierlich und verlässlich bei operativen Eingriffen zu kontrollieren, sollte eine Analogsedierung immer unter Verwendung der Pulsoxymetrie (Ä602) erfolgen, da der Patient Medikamente bekommt, die seine Atmung und sein Bewusstsein beeinflussen. Das Pulsoxymeter dient während der Behandlung als Überwachungsinstrument der prozentualen Sauerstoffsättigung im Blut und erfasst den Pulsschlag. Dadurch erhält der Zahnarzt zusätzlich einen Anhaltspunkt über die Kreislauffunktion, also den Herzschlag und zumindest ansatzweise über den Blutdruck.

PRP-Verfahren

Nach der Entnahme einer geringen Menge an Eigenblut (GOÄ-Nr. 250) wird dies in einem speziellen Verfahren – mittels Zentrifuge – in der Praxis aufbereitet und das gewonnene Platelet Rich Plasma (PRP) dem Knochenersatzmaterial für die Augmentation zugeführt. Die PRP-Gewinnung ist weder in der GOZ noch in der GOÄ enthalten, sodass die Berechnung entsprechend § 6 Abs. 1 GOZ bzw. § 6 Abs. 2 GOÄ einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung vorzunehmen ist. Eine analoge Berechnung wird von der BZÄK befürwortet (siehe Analogliste der BZÄK, Stand Juni 2016, unter bzaek.de, Rubrik „Für Zahnärzte“, dann Rubrik „GOZ-Kommentar“). In dieser MKG-Praxis wird das PRP-Verfahren nach GOÄ-Nr. 2442a analog berechnet.

Der Aufbau des Alveolarfortsatzes

Der Kieferkamm wird mittels Eigenknochen aus dem rechten Kieferwinkel, Knochenersatzmaterial, PRP und einer Membran aufgebaut. Da ein Knochenblock präpariert und in das Empfängerbett transplantiert wird, ist die GOZ-Nr. 9140 zweimal berechenbar. Ein Tape-Verband (GOÄ-Nr. 206) verhindert unerwünschte oder übermäßige Bewegungen (funktioneller Verband). Der verwendete Pflasterstreifen ist unelastisch und einseitig mit einer Klebemasse beschichtet. Die GOÄ-Nr. 206 befindet sich in Abschnitt F der GOÄ, der für Zahnärzte nicht geöffnet ist.

Die Rechnung

Nach Abschluss des Kieferkammaufbaus reicht die Patientin erneut die Rechnung bei ihrer PKV ein. Die Rechnung entspricht nahezu dem abgebildeten Therapieplan, nur die Kosten der Verbrauchsmaterialien sind niedriger.

 

Material/Auslagen
Anzahl
Euro

Solu-Decortin H 250 mg Ampulle

1

19,76

Dormicum Ampulle

2

5,98

Perfalgan Infusionslösung

1

2,45

Metronidazol Infusionslösung

1

6,14

Novalgin Ampulle

1

1,55

Rohypnol Infusionslösung

1

3,40

Ampicillin Infusionslösung

1

3,15

Anästhetikum

4

2,76

Bone Scraper

1

36,89

Knochenersatzmaterial BioOss 0,75 g (Geistlich)

1

161,84

Membran BioGide 25×25 mm (Geistlich)

1

145,18

Atraumatisches Nahtmaterial

1

12,80

Atraumatisches Nahtmaterial

2

20,12

Porto für Arztbrief

1

0,70

Gesamtkosten

422,72

 

Was moniert die Versicherung – und ist sie im Recht?

Die private Krankenversicherung schreibt:

 

  • Stellungnahme der Versicherung

„Bei dem PRP-Verfahren handelt es sich um eine Maßnahme, deren Wirksamkeit mit den Mitteln der wissenschaftlichen Medizin noch nicht ausreichend belegt ist. Aufgrund der bisher durchgeführten Analysen und Diskussionen in der Literatur mitgeteilten Ergebnisse, handelt es sich um noch keine medizinisch indizierte und valide Behandlungsmethode und aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse kann eine medizinische Notwendigkeit nicht abgeleitet werden. In mehreren großen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die primären Intentionen für die PRP-Methode einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht standgehalten haben. Die DGZMK hat 2013 mitgeteilt, dass die Wirksamkeit dieser Methode im Zusammenhang mit einer implantologischen Behandlung nicht nachgewiesen ist. Daher wird dieses Verfahren gemäß den Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversorgung (MB/KK) nicht erstattet. Eine Modifikation unserer Entscheidung gibt es nicht.“

 

Eigenblutprodukte haben eine wissenschaftlich fundierte Tradition. Bereits in den sechziger Jahren war der Einsatz von Eigenblut und zentrifugiertem Eigenblut klinisch etabliert und dokumentiert. Darüber hinaus wurden in jüngerer Vergangenheit Verfahren zur Anreicherung von Thrombozyten durch Modifikation von Zentrifugationsprotokollen entwickelt – so die DGZMK.

 

Das Landgericht Köln hat am 03.02.2010 (Az. 23 O 56/07, Abruf-Nr. 110542 unter pi.iww.de) sowohl die medizinische Notwendigkeit als auch die Berechenbarkeit bestätigt. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt:

 

  • Zitat aus dem Urteil des Landgerichts Köln

„Auch die PRP-Behandlung durfte in diesem Fall abgerechnet werden. Zwar äußert sich der Sachverständige dahingehend, dass es PRP-Verfahren gebe, bei denen die wissenschaftliche Evidenz in nicht ausreichendem Maße bestehe und sie deshalb nicht medizinisch notwendig seien. Er differenziert aber gegenüber der im vorliegenden Fall vorgenommenen PRP-Behandlung, deren Anwendung er im spezifischen Fall für vertretbar ansieht, weil eine wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit dieser konkreten PRP-Methode bestehe. Die Kammer nimmt deshalb auf der Grundlage dieser differenzierten und plausiblen Bewertung des Gutachters für diesen konkreten Fall eine medizinische Notwendigkeit der PRP-Behandlung an.“

 

Zur medizinischen Notwendigkeit hatte der Behandler in diesem Rechtsverfahren erläutert, dass sich durch den Einsatz von PRP die Heilungschancen verbessern. Dies hatte der Sachverständige für diesen Fall bejaht. Weiterhin wurde auf Studien verwiesen, die den erfolgreichen Einsatz von PRP belegten. Leider kommt es jedoch immer auf die Sachlage des Einzelfalls an.

 

FAZIT | Moderne Therapieverfahren werden von der Kostenerstattung privater Krankenversicherungen meistens ausgeschlossen. Um ein rechtssicheres Begleichen der Rechnung zu erwirken, sollten alle Leistungen in eine Vereinbarung der Vergütungshöhe integriert und nach den Formvorschriften von § 2 Abs. 1 und 2 GOZ vereinbart werden. Zahnarzt und Patient haben einen gültigen Vertrag geschlossen. Zudem hat der Patient unterschrieben, dass „eine Erstattung nicht in vollem Umfang gewährleistet ist“. Er weiß also, dass ein Eigenanteil auf ihn zukommt. Mit der Vereinbarung legen Sie selbst den Preis fest, der Ihnen eine angemessene Vergütung für Ihre Leistungen entsprechend Ihrem persönlichen Qualitätsanspruch sichert.