01.02.2017·Implantatprothetik Zementieren oder Verschrauben? Neue Möglichkeiten bei Brückenkonstruktionen
·Implantatprothetik
Zementieren oder Verschrauben? Neue Möglichkeiten bei Brückenkonstruktionen
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZR ZahnmedizinReport, Berlin
| Sollen festsitzende implantatgetragene Suprakonstruktionen zementiert oder verschraubt werden? Praktiker empfehlen: Kronen zementieren, größere Brückenkonstruktionen verschrauben. Doch abgewinkelte Schraubenkanäle erlauben Verschraubungen auch an Stellen, an denen früher nur zementiert werden konnte. |
Zementieren
Die chirurgisch und prothetisch vermeintlich einfachere Vorgehensweise ist die Zementierung, bei der auch vorhandene Implantatdivergenzen mittels abgewinkelter individualisierter Abutments ausgeglichen werden können und die Ästhetik der Rekonstruktion nicht durch sichtbare Schraubeneingänge kompromittiert wird.
Nachteile sind jedoch oft biologische Probleme durch im Sulkus verbliebene Zementreste und daraus resultierende Mukositis oder Periimplantitis. Zementierte Versorgungen zeigen im Periimplantatsulkus signifikant höhere Bakterienbelastungen, aber deutlich niedrigere bakterielle Belastungen am inneren Teil der Implantatverbindung. Massive Zementrückstände können vermieden werden, wenn man nur 1 mm des Kronenrandes zirkulär mit Zement beschickt. Auch der Halt der Krone ist dadurch ausreichend gesichert.
PRAXISHINWEIS | Die Krone nicht mit Zement überfüllen! Besser den Zement mit der Sonde an die Innenwände der Krone streichen und die Ränder benetzen. |
Nach in vitro gewonnenen Ergebnissen, bei denen die Implantat-Abutment-Verbindung getestet wurde, ist das Zementieren das Mittel der Wahl. Das Zementieren mit einem temporären Zement führt dabei nicht zwangsläufig zu einer höheren Anzahl von gelösten Rekonstruktionen. Die permanente Zementierung mit Zink-Eugenol-Zement scheint gerechtfertigt zu sein.
Verschrauben
Die Prävalenz der Lockerung von verschraubter Prothetik ist signifikant höher als die der zementierten Brückenkonstruktionen. Doch auch wenn sie sich im praktischen Einsatz öfter oder schneller lockern: Verschraubte Suprakonstruktionen sind in dieser Hinsicht weniger problematisch und haben – insbesondere bei größeren Brückenkonstruktionen – den Vorteil, dass sie einfach entfernt, repariert bzw. geändert werden können. Der unästhetische Schraubkanal wird einfach mit einem lichthärtenden Komposit verschlossen. Eine Verschraubung stellt jedoch größere Ansprüche an die Implantatpositionierung, da die Schraubeneingänge optimal gelegen sein müssen. Selbst unter Zuhilfenahme DVT-basierter Bohrschablonen ist dies aufgrund der knöchernen Situation nicht immer zu realisieren und würde zum Teil umfangreiche augmentative Maßnahmen notwendig machen. Insbesondere im anterioren und auch atrophen zahnlosen Oberkiefer resultieren häufig nach labial geneigte Implantat-Achsen, die eine gewünschte Verschraubung nicht ermöglichen.
Zusammenfassende Empfehlung, aber…
In einer größeren Literaturstudie aus dem Jahr 2012 lag die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei allen prothetischen Implantat-Rekonstruktionen zwischen 89,3 und 100 Prozent, was insgesamt ein positives Ergebnis darstellt. Beide Befestigungsvarianten führten zu unterschiedlichen klinischen Ergebnissen und haben ihre Vor- und Nachteile. Keine Verfahrensweise ist der anderen klar überlegen, somit haben auch beide ihre Berechtigung. Die Zementierung von Suprakonstruktionen führt jedoch unter Umständen zu schwer therapierbaren marginalen Knochenverlusten. Schwierigkeiten bereiten bei verschraubten Restaurationen eher die technischen Komplikationen und temporäre Weichgewebsirritationen, jedoch sind diese Misserfolge leichter zu reparieren und Schraubenlockerungen ohne übermäßigen Aufwand zu beheben. Aufgrund dieser Ergebnisse tendierten die Autoren bei mehrgliedriger Implantatprothetik zur Verschraubung, ohne dies jedoch strikt zu fordern. Bei Einzelkronen konnten sie jedoch beide Befestigungen empfehlen.
… Optionen durch abgewinkelte Schraubenkanäle
Diese Empfehlungen geben heute auch die European Association of Osseointegration (EAO) und die meisten Praktiker: Einzelkronen verschrauben oder zementieren, mehrgliedrige Konstruktionen verschrauben. Schwierig wird es aber, wenn das Titanknie hervorkommt oder die Schraubenkanäle inzisal oder bukkal austreten. Neue Technik-Optionen (z. B. cara I-Bridge®/Heraeus-Kulzer) erlauben auch in diesen klinisch heiklen Situationen ein direktes Verschrauben auf der Implantatschulter. Durch ein „Verschrauben um die Ecke“ mittels spezieller Schraubensysteme können die Schraubeneingänge in die gewünschte Position verlegt werden. So wird eine direkte Verschraubung ermöglicht, wo sonst nur zementierte Versorgungen bzw. aufwendige Mesostrukturen realisierbar wären.
Neue Abutments mit angewinkeltem Schraubkanal können die Empfehlung auch bei Einzelkronen in Richtung „verschrauben“ bewegen. Ein Artikel im „International Journal of Prosthodontics“ präsentiert drei Fälle von einzelnen, labial gekippten Implantaten, die mit verschraubten Einzelkronen versorgt wurden. Individuelle Abutments mit einem abgewinkelten Schraubenkanal wurden verwendet, um einen unästhetischen vestibulären Zugangskanal zu vermeiden. Diese individualisierten Abutments erlauben es dem Zahnarzt und dem Zahntechniker, verschraubbare Restaurationen zu verwenden, wo ansonsten eine zementierte Rekonstruktion erforderlich wäre.
Literaturliste
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