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31.05.2013·Implantologie Socket Preservation: Rettet den Kieferkamm!

·Implantologie

Socket Preservation: Rettet den Kieferkamm!

von Wolfgang Schmid, Berlin, Schriftleiter des „Zahnmedizin Report“

| Die Rekonstruktion der dentofazialen Harmonie in der ästhetisch kritischen Zone ist derzeit eine der größten Herausforderung in der modernen Implantologie. Gerade im Oberkiefer-Frontzahnbereich geht der Verlust eines Zahnes nach Extraktion häufig mit einem Verlust an Hart- und Weichgewebe einher. Durch das Auffüllen der Alveolen mit einem Knochenersatzmaterial direkt nach der Extraktion kann der Alveolarknochen sowohl horizontal als auch vertikal gut erhalten werden. Diese Maßnahme dient als Platzhalter für eine spätere erfolgreiche Implantatinsertion. |

Das Vorgehen bei der Socket Preservation

Nach einer Zahnextraktion müssen Sie mit den folgenden, das ästhetische Ergebnis beeinflussenden biologischen Veränderungen rechnen: das bukkale, crestale Knochenniveau, der hartgewebige Anteil in der Alveole und die horizontale Kammbreite nehmen ab.

 

Um ein Einsinken der Gingiva in den Defekt zu verhindern, sind verschiedene Vorgehensweisen möglich:

 

  • Der Defekt kann nach der Zahnentfernung mit Knochen(ersatz)material aufgefüllt werden. Damit wird ein Einsinken der Gingiva verhindert. Nach knöcherner Durchbauung des Transplantats ist eine verzögerte Implantation möglich.

 

  • Bei entzündungsfreien Verhältnissen kann nach der Zahnentfernung – eventuell in Kombination mit augmentativen Maßnahmen – eine Sofortimplantation erfolgen, um eine Resorption des Restknochens zu verhindern.

 

Nachfolgend beleuchten wir die Option „Auffüllen mit Knochenersatzmaterial“näher. Übersetzt bedeutet Socket Preservation „Erhalt des Zahnfachs (Alveole)“. Durch diese Maßnahme soll das Zahnfach nach Zahnextraktion zwar nicht erhalten, aber die Knochenregeneration unter Erhalt der Knochenwände gefördert werden.

Was geschieht im Knochen?

Araújo et al. haben festgestellt, dass der sogenannte Bündelknochen eine maßgebliche Rolle bei den Resorptionsvorgängen spielt: Nach einer Extraktion kommt es zwangsläufig zur Knochenresorption im Bereich dieses Knochens, da die Funktion – die Verankerung des Zahns – nicht mehr benötigt wird. Art und Umfang der Resorption sind abhängig von der Zusammensetzung der bukkalen Knochenlamelle. Besteht die Lamelle überwiegend aus Bündelknochen, ist ein knöchernes Defizit unumgänglich. Die Beurteilung der Zusammensetzung der bukkalen Lamelle kann in der Praxis durch Messung der horizontalen Knochendicke subjektiv erfolgen. Die Tatsache, dass der Bündelknochen zwangsläufig einem osteoklastären Abbau unterliegt, scheint auch die Ursache für die ästhetischen Misserfolge nach Sofortimplantation in der Oberkieferfront zu sein: Sofortimplantate können die Resorption des Bündelknochens bei derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht verhindern.

Socket Preservation: Das Konzept von Ackermann

Der Oralchirurg Dr. Karl-Ludwig Ackermann postuliert in Abhängigkeit vom knöchernen Zustand der Alveole eine Einteilung in die Termini „Socket Preservation“ bei vollständig erhaltener Extraktionsalveole (sogenannte „4-wandige Knochentaschen“) und „Ridge Preservation“ für Alveolen mit defizitären Knochenwänden, die aufgrund von Fenestrationen oder Dehiszenzen entstanden sind (sogenannte „3- bis 0-wandige Knochentaschen“).

 

Das auf dem Osteology-Congress 2008 in Baden-Baden von Ackermann vorgestellte Procedere, in einem ersten Schritt die Alveole aufzufüllen, um dann in einem zweiten Schritt entweder konservativ-prothetisch zu versorgen, zu implantieren oder weiterführend zu augmentieren, ist nahezu für alle Indikationen gleich. Lediglich die Sofortimplantation ermöglicht unter Einhaltung strenger Kriterien eine abweichende Vorgehensweise.

 

Wurde früher die Heilung der Hart- und Weichgewebe abgewartet und anschließend vor oder mit der Implantation eine Augmentation durchgeführt, wird heute versucht, simultan mit der Zahnentfernung den Hart- und Weichgewebedefekt direkt über der Alveole minimalinvasiv zu regenerieren. Eine entscheidende Rolle dabei spielt der primäre Wundverschluss, der mithilfe unterschiedlicher Weichgewebstransplantate ohne Verschiebung der mukogingivalen Grenze erfolgen kann. Zudem führen einige dieser Techniken zu einer Verdickung und Stabilisierung der bukkalen Weichgewebe und zu einer Umwandlung eines dünnen in einen dicken parodontalen Gingivatypus.

Was kann man machen?

Derzeit gibt es noch wenig wissenschaftliche Evidenz, wie das Einbringen von Knochenersatzmaterial in die frische Extraktionsalveole die Resorptionsneigung beeinflussen kann. Die vorhandenen Daten sind uneinheitlich, jedoch ist auch bei der Socket Preservation mit einer – wenn auch verringerten -Resorption zu rechnen. So fanden Zahnmediziner aus Utrecht um ten Heggeler in der Übersicht von neun klinischen Studien bei natürlicher Heilung Breitenverluste von 2,6 bis 4.6 mm und Höhenverluste zwischen 0,4 und 3,9 mm. Bei der Socket Preservation schnitt gefriergetrocknetes Knochen-Allograft mit einem Zugewinn an Höhe am besten ab, verzeichnete aber dennoch einen Verlust in der Breite von rund 1,2 mm.

 

Auch Nevins und Mitarbeiter berichteten von einer Reduktion des mittleren bukkalen Höhenverlusts von 2,42 mm bei der mit Geistlich Bio-Oss® augmentierten Alveole gegenüber 5,24 mm bei der unbehandelten Alveole.

 

Zahnmediziner der Universität Modena analysierten klinisch und histologisch den Heilungsprozess von gefüllten und nicht-gefüllten Alveolen unter Einbezug der Dicke der bukkalen Knochenplatte. Dünne bukkale Knochenplatten haben einen negativen Einfluss auf die Abheilung der Extraktionsalveole. Die Wissenschaftler um Sergio Spinato verwendeten zur Füllung der Extraktionsalveolen mineralisiertes humanes Allotransplant (Puros®), abgedeckt mit einer bioresorbierbaren, kollagenvernetzten Membran (Collaplug®; beide: Zimmer Dental). Der Behandlungsablauf zeigt nach Meinung der Autoren, dass durch Socket Preservation ein vorhersagbares ästhetisches und funktionelles Ergebnis erzielt werden kann.

 

In einer aktuellen Studie der Universität Dresden konnte gezeigt werden, dass sowohl Bio-Oss® Collagen als auch autogener Knochen zur Socket Preservation geeignet sind. Die Breite des Kieferkamms zeigte für die Bio-Oss® Collagen-Gruppe eine Verringerung von 9,33 ± 4,97 Prozent nach vier und 13,17 ± 5,08 Prozent nach sechs Monaten. In der mit autologem Knochen augmentierten Gruppe verminderte sich die Breite um 11,73 ± 6,40 Prozent (vier Monate) bzw. 19,17 ± 8,38 Prozent (sechs Monate). Die Biopsien zeigten für beide Augmentate eine suffiziente Einheilung ohne Entzündungsreaktion. In der Bio-Oss® Collagen-Gruppe war im Vergleich mit der autogenen Augmentation weniger reifer Knochen feststellbar (32 Prozent gegenüber 48 Prozent).

 

Doch selbst wenn es durch das Einbringen von Ersatzmaterial nicht zu einer knöchernen Ausheilung der Alveole kommt, kann dies die Ausgangslage für weitere Interventionen verbessern. Das Konzept der Socket Preservation ist somit geeignet, den Patientenkomfort durch Vermeidung größerer chirurgischer Eingriffe zu verbessern und letztendlich Kosten zu sparen, urteilt Happe.

Wie lange soll man warten?

Der richtige Zeitpunkt für eine Implantation nach Socket- oder Ridge-Preservation ist derzeit aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Datenlage nur schwer zu bestimmen. Um aber dem Weichgewebe und dem sich regenerierendem Hartgewebe ausreichend Zeit zur Reifung zu geben, erscheint ein Implantationszeitpunkt nicht vor 16 Wochen nach Extraktion als sinnvoll.

 

Falls zum Beispiel BioOss®-Kollagenmatrix in die Alveole appliziert wird, sollte 16 Wochen bis zur Wiedereröffnung gewartet werden. Eine optimale Ausnutzung der Vorteile von xenogenen und autologen Materialien bietet das Mischungsverhältnis 60 bis 70 Prozent autogen zu 30 bis 40 Prozent xenogen. Die Makro-, Mikro- und chemischen Strukturen beider Materialien unterscheiden sich nach Ansicht von Ackermann kaum. Bei xenogenen Materialien sollte das Biomaterial seit mindestens drei Jahren auf dem Markt sein. Neutrale Studien sollten dessen Effzienz bestätigen, fordert Ackermann.

 

Die Implantatinsertion kann bei defizitären Weichgewebsverhältnissen mit einem Bindegewebstransplantat kombiniert werden, um das Weichgewebevolumen nach Bedarf zu dimensionieren. Das Weichgewebe benötigt etwa sechs bis acht Monate zur vollständigen Maturation und zur definitiven prothetischen Versorgung.