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31.07.2018·Kommentar Die Telematik ‒ Fluch oder Segen für die Zahnarztpraxis?

·Kommentar

Die Telematik ‒ Fluch oder Segen für die Zahnarztpraxis?

von Dr. Georg Taffet, Rielasingen-Worblingen

| Bis zum 31.12.2018 soll jede Zahnarztpraxis in Deutschland an die „Telematik-Infrastruktur“ angeschlossen sein. Das zumindest ist der Wunsch des Gesetzgebers. Doch wie so oft, wenn der Amtsschimmel versucht, etwas durchzusetzen, ist das Ganze noch nicht ausgereift und nicht zu Ende gedacht. Das betrifft die einzelne Praxis, nicht aber diejenigen, die es mit Gewalt ‒ wie anders kann man die Androhung von Honorarkürzungen interpretieren ‒ durchsetzen wollen. Politiker werden i. d. R. für den von ihnen verzapften Mist leider nicht zur Verantwortung gezogen. |

„Anschluss an die Telematik-Infrastruktur“ ‒ was heißt das?

Der Anschluss an die Telematik-Infrastruktur bedeutet, dass die Computer mit der Praxissoftware über ein spezielles, „Konnektor“ genanntes Gerät permanent mit dem Internet verbunden sein müssen. Das Kartenlesegerät, mit dem die Versichertenkarten der Patienten eingelesen werden, schickt die Daten der Karte pseudo-anonymisiert über eine Cloud an die betreffende Krankenkasse und überprüft somit die Gültigkeit der Karte.

 

Auf den ersten Blick ist das eine tolle Sache. Allerdings funktioniert das nur mit neuen Karten, die der „G2“-Norm entsprechen. Die „G1“-Karten sind dann nicht mehr lesbar, was zu einem erheblichen Diskussionsbedarf mit dem Patienten in der Praxis führen wird.

Wie geht es weiter?

Das ist nur die erste Stufe. Geplant ist, dass in Zukunft auch Informationen zur Behandlung der Patienten, zur Medikation etc. auf den Chip der Gesundheitskarte gespeichert werden. Allerdings muss der Patient auch damit einverstanden sein und dieses Einverständnis über die Eingabe eines Sicherheits-PIN signalisieren. Ob das dann auch bei der 92 Jahre alten Omi so gut funktionieren wird?

Welche Kosten fallen an und welche Nachteile gibt es?

Die Daten werden über einen „Telematik-Datentunnel“ angeblich sicher übertragen. Dieser Datentunnel ist zurzeit bei der Telekom für 83 Euro monatlich buchbar. Das macht also 996 Euro pro Jahr, die bei der Praxis bleiben. Hinzu kommt die gerätespezifische Security Card ‒ eine SIM- Karte, die einmalig 480 Euro kostet. Danach fällt dann auch noch die „Kleinigkeit“ von 8 Euro monatlich an, also noch einmal 96 Euro jährlich.

 

Aber das sind ja „Peanuts“ ‒ jedenfalls aus Sicht derjenigen, die uns das Ganze eingebrockt haben. Die Kontrollpflicht der Versichertenkarte und der Anspruchsberechtigung liegt somit de facto auch beim Arzt. Er muss über das Foto die Identität des Versicherten prüfen.

 

Die Kosten für die notwendigen Geräte werden zurzeit von den Krankenkassen übernommen und über eine Monatspauschale in den nächsten Jahren erstattet. Somit ist die Praxis in der Pflicht, in Vorleistung zu gehen und die Rechnung des beauftragten Hard- und Software-Unternehmens zunächst einmal zu bezahlen.

 

Kostendeckend wird das in den seltensten Fällen sein. Vor allem dann nicht, wenn wegen eines technischen Defekts oder Ähnlichem eine Neuanschaffung innerhalb der mit den Krankenkassen vereinbarten Laufzeit notwendig wird. Die Hard- und Software-Unternehmen schließen Wartungs- und Vertragslaufzeiten von maximal 2 Jahren ab, was bei der Kurzlebigkeit und der schnellen Weiterentwicklung der Branche auch sinnvoll ist.

 

Es entstehen der Praxis auch noch Kosten für den benötigten elektronischen Zahnarztausweis. Dieser wird in Form einer Chipkarte in den Konnektor bzw. das Kartenlesegerät eingeführt und trägt die Daten der Praxis. Damit ist für die Krankenkassen und KZVen ersichtlich, wer die Versichertenkarte eingelesen hat. Er gilt als Legitimation für die Benutzung des Geräts bzw. der Datentunnel. Dieser Ausweis muss rechtzeitig vor der Installation der Telematik-Geräte in der Praxis bei der zuständigen KZV beantragt werden und vorliegen.

 

Wie hoch sind die jährlichen Kosten für Softwarewartung und den technischen Support? Und wie soll ich als Praxisinhaber im Rahmen des neuen Datenschutzgesetzes für die Sicherheit der Daten meiner Patienten haften, wenn mein Computer am Internet angeschlossen sein muss? Das sind Fragen, die zurzeit noch niemand beantworten kann.

Was bringt die Telematik der Zahnarztpraxis?

Ich sehe überhaupt keinen Vorteil für die Praxis in der Telematikanbindung, wie sie jetzt vorgeschrieben ist. Das werden sicherlich auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen so sehen. Die „Telematik-Infrastruktur“ kostet mich als Praxisinhaber nur Geld und Zeit und erfordert zusätzliche Geräte in der Praxis. Geräte, die defekt werden und meinen Betrieb erheblich stören könnten.

Wie soll ich mich jetzt verhalten?

Was passiert eigentlich, wenn ich meine Praxis nicht anschließen lasse? Dann wird mein Kassenhonorar ab Januar 2019 um 1 Prozent gekürzt, quasi als „Strafzoll“. Ich werde mich nun hinsetzen und genau rechnen. Vermutlich werde ich ‒ da meine Kassenumsätze den kleinsten Anteil meines Praxisumsatzes ausmachen ‒ mich vorerst nicht anschließen und die angedrohte Honorarkürzung in Kauf nehmen.