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06.01.2017·Kongressbericht Die Kontroverse: Eigenknochen oder Knochenersatz bei vertikaler und lateraler Augmentation?

·Kongressbericht

Die Kontroverse: Eigenknochen oder Knochenersatz bei vertikaler und lateraler Augmentation?

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter des wissenschaftlichen Informationsdienstes „ZR Zahnmedizin Report“, Berlin

| Ist autologer Knochen bei komplexen und mehrdimensionalen Knochendefekten wirklich die „Ultima Ratio“ bei der vertikalen und lateralen Augmentation? Auf dem DGI-Kongress 2016 in Hamburg waren die Meinungen der Fachreferenten geteilt: Kann man mithilfe von CAD/CAM-gefertigten individuellen Titangittern ganz auf autologen Knochen und Beckenkammtransplantate verzichten oder nicht? |

Autologer Knochen: gute Langzeitergebnisse, wenig Komplikationen

Die Reproduzierbarkeit und Stabilität der Langzeitergebnisse sowie die geringe Komplikationsrate sind für Prof. Dr. Fouad Khoury (Zahnklinik Schloss Schellenstein, Olsberg) die Hauptgründe für die Überlegenheit des autogenen Knochens gegenüber allen Knochenersatzmaterialien. Sowohl kleine Knochendefekte als auch umfangreiche Knochendefizite lassen sich mithilfe intraoral gewonnener Knochentransplantate in bester Weise ohne Membrane oder Biomaterialien wieder rekonstruieren.

 

Während limitierte Defekte mit lokal gewonnenem Knochenkern sehr häufig ausreichend aufgebaut werden können, werden für die Rekonstruktion von ausgedehnten Knochendestruktionen Knochenblöcke meistens aus dem Retromolarenbereich des Unterkiefers benötigt. Die Rekonstruktion mit dünnen kortikalen mandibulären Blöcken in Verbindung mit partikuliertem Knochenmaterial hat sich aufgrund der schnellen Revaskularisierung und hoher Vitalität des Regenerats über Jahre sehr gut bewährt, betonte Khoury. [1]

Vertikale Kieferkammaugmentation: anspruchsvoll

Noch anspruchsvoller und in ihrem klinischen Erfolg variabler als die laterale ist die vertikale Kieferkammaugmentation. Nicht umsonst wird deshalb versucht, durch Kurzimplantate, angulierte Implantate oder Zygomaimplantate eine vertikale Augmentation in der Implantologie zu umgehen. Bei reduziertem oder qualitativ minderwertigem Weichgewebe stellen die Distraktionsosteogenese oder die Interpositionsplastik Erfolg versprechende Methoden dar.

 

Lediglich lokal begrenzte Kieferdefekte mit geringem Höhendefizit (≤ 4 mm) können durch die alleinige Anwendung von Knochenersatzmaterialien (xenogen oder alloplastisch) oder allogenen Knochentransplantaten in Kombination mit Membranen augmentiert werden. Häufig sind nach vertikaler Knochenaugmentation Weichteilkorrekturen (Vestibulumplastik, Schleimhauttransplantation) notwendig. Auch für Prof. Dr. Dr. Norbert R. Kübler (Klinik für Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie der Universität Düsseldorf) steht fest: Große ausgedehnte Knochendefizite oder ersatzschwache Transplantatlager bedürfen einer direkten Augmentation mit körpereigenem Knochen. [2]

Individuelle Titangitter: Das „Aus“ für Beckenkammtransplantate?

Ist autologer Knochen bei komplexen und mehrdimensionalen Knochendefekten wirklich die „Ultima Ratio“ bei der vertikalen und lateralen Augmentation? Prof. Dr. Dr. Dr. Robert Sader (Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie der Universität Frankfurt am Main) ist da anderer Meinung: Mit individuellen Titangittern könne man bei komplexen und mehrdimensionalen Knochendefekten nicht nur die Erfolgsrate der Augmentation deutlich steigern, man könne dann auch auf Beckenkammtransplantate endgültig verzichten.

 

Häufig ist aufgrund einer komplexen Anatomie der Einsatz von granulärem Knochenersatzmaterial limitiert. Deshalb wurde in den letzten Jahren postuliert, dass für die Behandlung solcher Knochendefekte solide Blöcke besser geeignet seien. Untersuchungen haben allerdings nachgewiesen, dass diese Blöcke in Abhängigkeit ihres Ursprungs und ihrer Herstellung organische Bestandteile enthalten können, die genetische Informationen vom Spender zum Empfänger übertragen könnten. Auch zeigten histologische und histomorphometrische Untersuchungen, dass das Gerüst dieser Materialien eine Knochenneubildung in der Tiefe des Materials oft nicht garantiert: Diese Knochenblöcke sind in ihren vertikalen und lateralen Dimensionen oft nur Platzhalter, die vom körpereigenen Knochen nicht durchbaut werden, so Sader.

 

Als Alternative zu Knochenblöcken wurden dreidimensionale, CAD/CAM-gefertigte individuelle Titangitter (z. B. Yxoss CBR®, Fa. Geistlich) entwickelt, die mit ganuliertem Knochenersatz aufgefüllt werden können. Um die regenerativen und osteokonduktiven Fähigkeiten des Knochenersatzmaterials zeit- und kosteneffizient zu erhöhen, kann z. B. ein „chairside“ gewonnenes PRF (Platelet-Rich-Fibrin)-Konzentrat mit hinzugegeben werden.

 

Wie Robert Sader darstellt, haben zahlreiche In-vitro-, In-vivo- und klinische Untersuchungen gezeigt, dass mit dieser Technik nicht nur große und komplex geformte Knochendefekte erfolgreich präimplantologisch versorgt werden können, sondern dass diese Technik vor allem auch bei Risikopatienten – z. B. bei Immunkompromittierung – erfolgreich eingesetzt werden kann.

 

Quellen

  • [1] Khoury F. Die laterale Augmentation – Eigenknochen oder Knochenersatz? – Konzept A.
  • [2] Kübler N. R. Die vertikale Augmentation – komplexe Rehabilitation – Konzept A.
  • [3] Sader R. Vertikale Augmentation – biologische Erfolgsparameter bei der komplexen Rehabilitation – Konzept B.
  • Alle: 30. Kongress der DGI, Hamburg, 24. bis 26. November 2016.