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03.07.2012·Kongressbericht Implantatinsertion in einem bestrahlten Kiefer? Keine Angst vor Tumorpatienten!

·Kongressbericht

Implantatinsertion in einem bestrahlten Kiefer? Keine Angst vor Tumorpatienten!

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „Zahnmedizin Report“, Berlin

| Auf dem 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer und Gesichtschirurgie vom 31. Mai bis 2. Juni 2012 ermutigte Prof. Dr. Ralf Dammer aus Straubing die Zahnärzte, mehr von der Möglichkeit der Implantatversorgung nach Radiatio Gebrauch zu machen, weil die Gefahr der Radio-Osteomyelitis relativ gering, der Gewinn an Lebensqualität aber hoch sei. Eine Studie demonstriert, dass die Überlebensraten von Implantaten bei Tumorpatienten zwar niedriger erscheinen als bei gesunden Patienten, dass dies aber eher auf die höhere diagnosebedingte Mortalität der Tumorpatienten und nicht auf die fehlende Osseointegration der Implantate zurückzuführen ist. |

Voraussetzungen für Implantatversorgung bei Tumorpatienten

Prof. Dammer berichtete über 7 Patienten, bei denen er nach einer Radikaloperation und anschließender Bestrahlung Implantate inseriert hatte: viermal ausschließlich im Unterkiefer und dreimal sowohl im Ober- als auch Unterkiefer. Die längste Beobachtungszeit beträgt 9 Jahre. Bei einer Patientin hatte Dammer 20 Jahre nach Unterkiefer-Teilresektion und Bestrahlung eine Implantatversorgung vorgenommen.

 

Essentielle Voraussetzungen waren der ausdrückliche Wunsch des Patienten nach einem implantatgestützten Zahnersatz und eine sehr gute Mundhygiene. Es musste ein ausreichendes Angebot ortsständigen Knochens vorliegen. Auf augmentative Massnahmen hatte er – abgesehen von umschriebenen lateralen Aufbauten mit autologen Knochenspänen – verzichtet. Die Einheilung der Implantate erfolgte submukös. Die prothetische Versorgung erfolgte in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Zahnärzten – wann immer möglich mit Stegkonstruktionen, weil dadurch die Kraftverteilung günstiger gestaltet und die Schleimhaut besser entlastet werden konnte. Die Einheilzeit betrug vier bis sechs Monate. Implantatverluste traten bislang nicht auf. [1]

Implantate sind oft die einzige Möglichkeit

Die therapiebedingten schwierigen anatomischen Verhältnisse infolge großer Defektrekonstruktionen und Folgeerscheinungen wie Xerostomie nach einer Radiatio erschweren die prothetische Versorgung von Patienten mit Tumorerkrankung in der Mundhöhle. Das Einbringen von enossalen Implantaten stellt oft die einzige Möglichkeit dar, die Patienten prothetisch suffizient rehabilitieren zu können. [2] Misserfolge in der zahnärztlichen Implantologie sind oft mit einem negativen Image der Praxis behaftet. Unter anderem deshalb ist die Insertion von Implantaten im bestrahlten Kiefer zumeist großen MKG-chirurgischen Kliniken vorbehalten. Prof. Dammers Erfahrung zeigt, dass Patienten mit oropharyngealen Karzinomen, die von MKG-Chirurgen behandelt wurden, regelmäßig auf die Möglichkeit einer implantatgestützten Gebissrehabilitation hingewiesen werden, während Patienten, die von Ärzten anderer Fachrichtungen operiert worden sind, diese Option seltener angeboten wird. [1]

Bestrahlung zeigte keinen Einfluss auf die Erfolgsraten

Wissenschaftler der Universität Freiburg beurteilten den klinischen Langzeiterfolg der prothetischen Rekonstruktion bei Tumorpatienten: An der Studie waren 140 Patienten mit 672 Implantaten beteiligt. Alle Patienten wurden aufgrund eines Plattenepithelkarzinoms operativ behandelt. 53 Patienten wurden prae implantationem bestrahlt. Alle 6 oder 12 Monate wurden die Erfolgsparameter nach Buser erfasst und Komplikationen dokumentiert. Der Nachuntersuchungszeitraum betrug im Mittel 130 Monate.

 

Insgesamt gingen von den 672 nachuntersuchten Implantaten 64 verloren. Innerhalb dieses Zeitraums starben 8 Patienten mit 42 Implantaten, deren Implantate ebenfalls als Verlust bewertet wurden. Die kumulative Überlebensrate lag somit nach 3 Jahren bei 95 Prozent, nach 8 Jahren bei 84 Prozent und nach 13 Jahren bei 69 Prozent. Alter, Geschlecht, die Lokalisation der Implantate oder die Radiatio zeigte keinen Einfluss auf die Überlebensraten. Bei 104 Patienten wurden steggetragene Prothesen und bei 7 Patienten eine Teleskopprothese eingesetzt. 29 Patienten wurden festsitzend versorgt. Die Ergebnisse zeigten bei herausnehmbaren Versorgungen in 4 Fällen Schraubenlockerungen, bei 11 Prothesen mit konventionellen Stegen mussten die Friktionselemente ausgetauscht werden. Bei Versorgungen mit Galvanostegprothesen und bei festsitzenden Arbeiten traten keine Komplikationen auf. [2]

Implantat-Beschichtung ohne Einfluss auf den Erfolg

Beobachtungen an der Berliner Charité und der Uniklinik Freiburg zeigen, dass sowohl SLA- als auch SLActive-Implantate hohe Erfolgsraten in oral bestrahlten Tumorpatienten aufweisen können. Die Implantat-Beschichtung war statistisch ohne Einfluss auf den Erfolg. Alle 20 beteiligten Patienten wurden aufgrund einer Tumorerkrankung der Mundhöhle operiert und bestrahlt. Im Rahmen der prothetischen Rehabilitation wurden 102 Implantate (50 SLA, 52 SLActive) im Splitmouth-Design inseriert. Alle Implantate wurden supracrestal (smooth/rough border) inseriert. Die belastungsfreie Einheilzeit im Oberkiefer betrug 10 Wochen, im Unterkiefer 6 Wochen. Der durchschnittliche Nachuntersuchungszeitraum betrug 42,8 Monate (38 bis 47 Monate). Bei den klinischen Parametern gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Implantattypen. Die periimplantären Knochenabbauraten bei beiden Implantatoberflächen lag bei durchschnittlich 0,9 mm. [3]

 

Quellen

  • [1] R Dammer: Implantatinsertion im bestrahlten Kiefer in der Praxis – ein vertretbares Risiko?
  • [2] S Nahles et al.: Retrospektive Untersuchung implantat-prothetischer Versorgungen bei Tumorpatienten über einen Zeitraum von 14 Jahren
  • [3] C Nack et al.: Klinischer und radiologischer Vergleich von SLA und SLActive Implantaten bei oral bestrahlten Patienten: 3-Jahres Ergebnisse