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02.10.2014·Kostenerstattung Die Versicherung lehnt eine Einzelimplantation ab – wie kann man reagieren?

·Kostenerstattung

Die Versicherung lehnt eine Einzelimplantation ab – wie kann man reagieren?

| In den vergangenen Monaten werden wieder zunehmend Implantatversorgungen von privaten Krankenversicherungen (PKVen) unter Hinweis auf die Richtlinien der Konsensuskonferenz abgelehnt. Anhand eines aktuellen Behandlungsfalls stellt PI Ihnen die Fakten vor. |

Der Behandlungsfall

Ein Privatpatient ist regio 45-47 mit einer Brücke versorgt. Im Rahmen einer endodontischen Behandlung von Zahn 45 wird zuerst die Erneuerung der Brücke von 45-47 geplant und der entsprechende Heil- und Kostenplan für die zahngetragene Brücke bei der PKV zur Festsetzung der Kostenbeteiligung eingereicht. Im Laufe der Behandlung entscheiden sich der Zahnarzt und der Patient für die Insertion eines Implantats in regio 46 und Einzelkronenversorgung auf 45, 46 und 47. Nach Planungsänderung und erneuter Einreichung des alternativen Behandlungsplans bei der PKV erhält der Patient die folgende Mitteilung:

 

  • Mitteilung der PKV an den Patienten

Leider können wir die gewünschte Leistungszusage für das Einzelzahnimplantat nicht vornehmen. … Um Ihren Leistungserwartungen gerecht werden zu können, prüfen wir, welche medizinischen Gründe für eine Implantatversorgung sprechen. Hierbei orientieren wir uns an einer Indikationsbeschreibung und Einteilung, die gemeinschaftlich von den Fachverbänden implantologisch tätiger Zahnärzte, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, Oralchirurgen sowie wissenschaftlichen Gesellschaften entwickelt wurde. Danach sind Einzelzahnimplantate indiziert, wenn die Nachbarzähne intakt sind. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, sodass eine Erstattung bzw. Leistungszusage in erbetenem Umfang nicht möglich ist. Das bedeutet aber nicht, dass wir keinerlei Leistungen für notwendige zahnärztliche Versorgung übernehmen. An den Aufwendungen für eine Brückenversorgung (45-47) werden wir uns selbstverständlich im tariflichen Umfang … beteiligen.

 

Haben Sie sich bereits für die geplante Implantatversorgung entschieden? Eine alternative Kostenerstattung ist möglich, wenn Sie uns hierzu eine fiktive Rechnung über die genannte Brückenversorgung zusenden.

 

Die von der PKV erwähnten Indikationsklassen wurden 2008 zuletzt überarbeitet (siehe PI 03/2010, Seite 7 f.). Der Sachverhalt zeigt sich jedoch anders als oben abgebildet. Es gibt keine gemeinsame Empfehlung der Fachverbändeund wissenschaftlichen Gesellschaften. Da damals kein gemeinsamer Konsens gefunden werden konnte, haben sowohl der BDIZ als auch die anderen angeführten Parteien eigene Indikationsklassen verabschiedet. Auszugsweise stellen wir Ihnen die Stellungnahmen bezogen auf die Freiendsituation vor:

 

  • Indikationsklassen BDIZ, Präambel für Implantationen

Die optimale Therapie des Zahnverlustes ist der Ersatz jedes einzelnen Zahnes durch ein Implantat. Dabei ist der Zahn 8 eines Quadranten in der Regel nicht zu ersetzen. Da die optimale Therapie aus verschiedensten Gründen – insbesondere anatomische, aber auch finanzielle – nicht immer durchgeführt werden kann, wurden die nachfolgenden Empfehlungen für Regelfallversorgungen aufgestellt.

 

 

  • Klasse Ib – Seitenzahnersatz

Den zunehmenden Belastungsverhältnissen in der Nähe des Kauzentrums wird beim Zahnverlust im Seitenzahnbereich auch durch den Ersatz eines jeden fehlenden Zahnes durch je ein Implantat Rechnung getragen. Als weitere Voraussetzung wird von nicht behandlungsbedürftigen lückenangrenzenden Nachbarzähnen ausgegangen. In diesem Zusammenhang steht der funktionelle Zustand der klinischen Intaktheit der Nachbarzähne im Vordergrund, nicht der einer klinischen Unversehrtheit.

 

 

  • Indikationsklassen DGMKG, BDO, DGI und DGZI

Klasse II – Grundsatz

Reduzierter Restzahnbestand und Freiendlücke

Bei der implantologischen Versorgung des reduzierten Restgebisses ist die Bezahnung des Gegenkiefers zu berücksichtigen. Darüber hinaus gelten die Regeln der konventionellen Prothetik.

 

Klasse IIa „Freiendlücke“

Zahn 8 fehlt:

in Ausnahmefällen Indikation zur Implantation

Zähne 7 und 8 fehlen:

Indikation für 1 Implantat

Zähne 6 bis 8 fehlen:

Indikation für 1 bis 2 Implantate

Zähne 5 bis 8 fehlen:

Indikation für 2 bis 3 Implantate

Zähne 4 bis 8 fehlen:

Indikation für 3 Implantate

 

Die beiden Empfehlungen unterscheiden sich insbesondere in dem Zusatz „nicht behandlungsbedürftigen lückenangrenzenden Nachbarzähnen.“ DieserHinweis findet sich zwar beim BDIZ, aber nicht bei der DGMK und den anderen Parteien. Da keine gemeinsame Empfehlung existiert, ist die Aussage der PKV nicht korrekt.

Umfang und Grenzen der „medizinischen Notwendigkeit“

Die Erstattungspflicht der PKV knüpft an die „medizinische Notwendigkeit“ der betreffenden Heilbehandlung an (§ 192 Abs. 1 VVG; § 1 Abs. 2 MB/KK). Dies eröffnet einen Behandlungskorridor, der in der Regel mehrere Behandlungsmethoden als medizinisch vertretbar erscheinen lässt. Das ist einerseits den Besonderheiten der Medizin und dem Fortschreiten ihrer Erkenntnisse und andererseits den Unsicherheiten bei der Diagnostik geschuldet.

 

Der Vertragszweck des Versicherungsvertrages wäre für den Versicherten nicht erreicht, wenn nicht alle aus ärztlicher Sicht vertretbaren Behandlungsmethoden und -schritte abgedeckt wären, weil er sonst das Risiko dafür tragen müsste, dass sich nach der Behandlung eine andere Methode als vorzugswürdig herausstellt. Erforderlich ist aber immer, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar ist, sie als notwendig anzusehen (ständige Rechtsprechung; vergleiche BGH-Urteile vom 17. Dezember 1986, Az. IVa ZR 78/85, und vom 12. März 2003, Az. IV. ZR 278/01). Mit „medizinisch notwendiger Heilbehandlung” hat die PKV keine Beschränkung der Leistungspflicht auf die kostengünstigste Behandlung erklärt (siehe BGH Urteil vom 12. März 2003). Die teurere Versorgungsvariante ist daher bei objektiver Vertretbarkeit genauso „notwendig“ wie die günstigere. Die medizinische Notwendigkeit ist somit nicht an eine Betrachtung unter Kostengesichtspunkten gebunden.

 

Der Versicherer ist jedoch zur Leistung dann nicht verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen im auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen (§ 192 Abs. 2 VVG; sogenannte „Übermaßbehandlung“). Eine betragsmäßige Festlegung ist damit nicht getroffen worden – ein auffälliges Missverhältnis ist aber bereits unterhalb der Wuchergrenze erreicht. Möglicherweise genügt hierfür bereits das Doppelte der üblichen Vergütung (verneint in OLG Karlsruhe, Urteil vom 21. März 1996, Az. 12 U 168/95; hier betrugen die Kosten der Implantatversorgung weniger als das Doppelte der Kosten einer Teleskopversorgung).

 

Grundsätzlich ist jedoch – anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung – im privaten Krankenversicherungsrecht kein allgemeines Wirtschaftlichkeitsgebot vorgesehen. Weigert sich der Versicherer, die Kostenübernahme vorab zu erklären, so kann der Patient auf Feststellung der medizinischen Notwendigkeit der beabsichtigten Versorgung klagen. Die Behandlung wird dann jedoch bis zur gerichtlichen Klärung ausgesetzt.

Wie kann man der Mitteilung der PKV begegnen?

Es bleibt dem Patienten in Absprache mit seinem Zahnarzt überlassen, für welche der möglichen therapeutischen Alternativen er sich entscheidet, um die notwendige Versorgung vorzunehmen. Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum sind auch von dem in Deutschland erreichten Versorgungsstandard bestimmt. Ein Privatpatient hat sich bewusst für eine private Krankenversicherung entschieden, damit ihm nicht nur ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche zahnmedizinische Leistungen wie in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehen (§ 12 SGB V).

 

Um die medizinische Notwendigkeit für das Implantat regio 46 und die Einzelkronen auf 45-47 darzustellen, muss eine befundbezogene Stellungnahme für den Patienten verfasst werden. Dabei spielt die endodontische Versorgung von Zahn 45 eine wichtige Rolle. Sollte dieser wider Erwarten in den nächsten Jahren verloren gehen, wäre wiederholt die Erneuerung der Brücke unter Verwendung des Zahns 44 notwendig. Es gilt daher zu prüfen, ob die Entscheidung zur Alternativtherapie mit Einzelzahnversorgung im gemeinsamen Gespräch mit dem Patienten gewählt wurde, weil der Zahn 45 unter den vorliegenden Umständen ggf. nicht auf lange Sicht als Brückenanker geeignet ist und daher mit einer Einzelkrone versorgt werden soll – für den Fall der Extraktion unter Vermeidung der Brückenentfernung. Bei Insertion eines Implantats und Einzelkronen-Versorgung von 45-47 ist die Kaubelastung auf drei Einheiten verteilt, somit ist der Zahn 45 entlastet.

 

Weiterhin gilt es zu prüfen, wie sich die Antagonisten-Verzahnung und somit die Verteilung der Kaukräfte insgesamt darstellt.

 

Auf jeden Fall sollte ein Kostenvergleich für beide Therapien inklusive Neuanfertigung eines Zahnersatzes bei Verlust von Zahn 45 ermittelt und diese Kosten unter Beachtung von § 192 Abs. 1 VVG einer konventionellen Brückenversorgung gegenüber gestellt werden. Dabei sollte auch der derzeitige Zustand von Zahn 44 in die Überlegungen mit einfließen.