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04.10.2010 |Prophylaxe Die Organisation und Durchführung der Prophylaxe bei Implantat-Patienten

04.10.2010 |Prophylaxe

Die Organisation und Durchführung der Prophylaxe bei Implantat-Patienten

von Dr. med. dent. Sigrid Olbertz, Sprockhövel-Haßlinghausen

Die Langzeitergebnisse von Zahnimplantaten sind inzwischen sehr gut. Trotzdem kommt es in manchen Fällen zu Misserfolgen. Implantat-Patienten ohne regelmäßige Prophylaxe und Kontrolle müssen damit rechnen, dass sie spätestens nach zehn Jahren an einer Periimplantitis erkranken. Der Prophylaxe kommt daher eine große Bedeutung zu. Daher ist es notwendig, dass die Prophylaxe den Implantat-Patienten auch in der postoperativen Phase begleitet.  

Die Vorgehensweise in der präoperativen Phase

Die präoperative Phase beginnt, sobald eine Implantatbehandlung „im Gespräch“ ist. Bereits in dieser frühen Phase muss die Notwendigkeit der Prophylaxe angesprochen und der Patient über Zeit und Kosten informiert werden. Seine Eigenverantwortung soll gestärkt, Plaque- und Kariesfreiheit sowie ein parodontal gesundes Gewebe erreicht werden. Ihm muss vermittelt werden, dass eine erfolgreiche Implantat-Behandlung ohne Prophylaxe nicht möglich ist. 

 

In der präoperativen Phase unterstützt die Praxis den Patienten, damit dieser seine häusliche Mundhygiene optimieren und die notwendigen Mundpflegeprodukte handhaben kann. Diese Phase bereitet den Patienten auf die Implantat-Prophylaxe vor und endet etwa ein bis zwei Wochen vor der Operation. Auf jeden Fall sollte in der Abschlusssitzung der präoperativen Phase eine Kontrolle durch den Zahnarzt stattfinden, damit dieser entscheiden kann, ob ein Operationstermin vergeben wird oder nicht. 

Die Vorgehensweise in der operativen Phase

Die operative Phase kann mit der Vorbehandlung einen Tag vor der Operation beginnen. Sie hat als Ziel die „Full mouth desinfection“, weshalb eine Reinigung der Mundhöhle und Pflege der Schleimhäute erforderlich ist. In der Praxis wird noch einmal eine Zahn-, Zungen- und Prothesenreinigung durchgeführt, gegebenenfalls erfolgt eine antibiotische Abdeckung. Am Operationstag – direkt vor der Implantation – wird noch einmal eine Zungenreinigung mit CHX-Gel durchgeführt und die Schleimhäute werden mit CHX-Spray besprüht. 

 

Nach der Operation soll der Patient zweimal täglich mit einer CHX-Lösung spülen und seine häusliche Zahnreinigung nach Anweisung durchführen. Das Operationsgebiet ist bei der häuslichen Zahnreinigung auszusparen, um Irritationen und Wundheilungsstörungen zu vermeiden. Verläuft die Wundheilung zufriedenstellend, kann ab dem achten Tag nach der Operation auch im Operationsgebiet vorsichtig mit der Mundhygiene begonnen werden. Um eine Irritation des Implantats zu vermeiden, wird auch weiterhin im Operationsgebiet keine Interdentalreinigung durchgeführt. Erst 14 Tage nach der Operation, sofern die Wundheilung zufriedenstellend verläuft, beginnt der Patient mit der Interdentalreinigung nach Anweisung. 

Die Vorgehensweise in der postoperativen Phase

In der postoperativen Phase begleitet die Praxis den Patienten zunächst während der Einheilphase, die sich über die ersten drei bis sechs Monate nach der Operation erstreckt. Der Patient wird alle drei Monate zur professionellen Zahnreinigung (PZR) und zur Kontrolle des Implantats durch den Zahnarzt einbestellt. Er erhält während der Einheilphase also ein bis zwei Prophylaxetermine, wobei eine Zeitkalkulation pro Termin von 15 bis 30 Minuten ausreichend ist. Seine häusliche Mundhygiene soll der Patient – auch im Operationsgebiet – nach Anweisung durchführen. Zum Ende der Einheilphase wird die Suprakonstruktion erstellt und eingesetzt. 

 

Damit befindet sich der Patient in der Kontrollphase, dem zweiten Abschnitt der postoperativen Phase, die bis zu drei Monate nach Eingliederung der Suprakonstruktion dauern kann. Die erste Kontrollsitzung findet üblicherweise eine Woche nach Eingliederung der Suprakonstruktion statt. Hier überzeugt sich die Praxis davon, dass der Patient mit den neuen Mundhygienebedingungen zurechtkommt. Die zweite Kontrollsitzung sollte etwa vier bis sechs Wochen nach Eingliederung der Suprakonstruktion stattfinden und dient überwiegend der Remotivation des Patienten. Das gleiche gilt für die dritte und letzte Kontrollsitzung, die etwa drei Wochen nach Eingliederung der Suprakonstruktion zu terminieren ist.  

 

Verläuft der Behandlungserfolg bis dahin zufriedenstellend, kann der Patient nun in das Recall entlassen werden. Um den Behandlungserfolg stabil zu halten, sollte der Implantat-Patient zu drei bis vier Prophylaxesitzungen im Jahr verpflichtet werden. Kommt es zu Komplikationen (Entzündung oder gar Periimplantitis), müssen diese in der Prophylaxe entsprechend begleitet werden. 

Besonderheiten bei häuslicher Pflege und PZR

Gerade bei Implantat-Patienten ist das primäre Ziel der Prophylaxe, dass der Patient seiner besonderen Mundhygiene-Situation gerecht wird. Deshalb sind mit jedem Patienten individuelle Mundhygiene-Maßnahmen mit entsprechenden Produkten zu erarbeiten. Das heißt, dass dem Patienten die für ihn angemessenen Maßnahmen und Produkte erklärt werden und die Handhabung geübt wird. Letztendlich muss sich die Praxis davon überzeugen, dass der Patient die empfohlenen Mundhygienemaßnahmen fehlerfrei anwenden kann.  

 

Zunächst gilt es, für den Patienten die angemessene Zahnputztechnik und die entsprechende Zahnbürste – mit Hinblick auf die zukünftige Implantatversorgung – auszusuchen. Da mit der Basstechnik eine bessere Sulcusreinigung erzielt wird, favorisieren viele Praxen diese Zahnputztechnik bei Implantat-Patienten. Sie wird mit einer weichen Zahnbürste (multitufted) mit einem planen Borstenfeld durchgeführt. Bei manuell ungeschickteren Patienten wird eine elektrische Zahnbürste oder eine Schallbürste empfohlen. Für die Zahnreinigung sollte der Patient eine Zahnpasta mit niedrigem RDA-Wert oder ein Pflege-Gel verwenden. 

 

Ohne Zahnpasta oder Pflege-Gel, aber vor dem Zähneputzen, sollte der Patient seine Zahnzwischenräume reinigen. Für die Interdentalreinigung sind Interdentalbürstchen empfehlenswert, da sie vom Patienten üblicherweise gut gehandhabt werden können. Jedoch ist darauf zu achten, dass der Draht der Interdentalbürstchen mit Kunststoff ummantelt ist. Engere Interdentalräume müssen mit Zahnseide gereinigt werden. Aber gerade ältere oder manuell weniger geschickte Patienten kommen mit Zahnseide schlecht zurecht. Hier kann eventuell auf Superfloss ausgewichen werden, das für den Patienten leichter zu handhaben ist. Bei Stegkonstruktionen hat sich die Reinigung mit einer Mullbinde, die mit Butler-Schlinge unter den Steg durchgeführt wird, bewährt.  

Die Betreuung der Implantat-Patienten in der Praxis

Auch hier gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Im Implantatbereich ist die Sondierung und Zahnreinigung erschwert. Das Gewebe um das Implantat ist sehr straff, da es sich um Narbengewebe handelt, und es ist sehr empfindlich. In Absprache mit dem Behandler ist daher zu überlegen, ob Sondierung und Zahnreinigung nicht unter lokaler Betäubung – zum Beispiel mit einem Parodontal-Gel mit Lidocain – durchzuführen ist. Natürlich ist diese Zusatzleistung bei der Kostenkalkulation mit zu berücksichtigen. Das straffe Gewebe, aber auch stark überdimensionierte Kronen erschweren die Sondierung. Deshalb ist eine Parodontalsonde aus Kunststoff bei der Messung besser geeignet als eine Metallsonde.  

 

Weiterhin ist zu beachten, dass Implantate konstruktionsbedingt ein „Saumepithel“ von mindestens vier Millimeter aufweisen. Sondierungstiefe von fünf Millimeter bedeutet somit nicht, dass eine Periimplantitis vorliegt. Hier muss auf weitere Faktoren – wie zum Beispiel die Entzündungszeichen – geachtet werden. 

 

Besondere Vorsicht ist bei verschraubbaren Implantataufbauten geboten. Deren Reinigung ist relativ einfach, da zum Beispiel ein Steg demontiert und in ein Ultraschallbad gelegt werden kann. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich Gewebe in den Innenraum des Implantats legt (schon nach zehn Minuten). Der Steg ist dann nicht mehr aufsetzbar und das Gewebe muss chirurgisch abgetragen werden. Ein weiteres Problem bei abschraubbaren Implantataufbauten ist, dass sich zum Beispiel Reinigungs- und Poliermaterial einlagern kann. Auch dann ist zum Beispiel ein Steg nicht mehr aufsetzbar. Um diese Probleme zu vermeiden, sollte die Praxis darauf achten, dass sofort nach Abnahme eines Steges die Heilungskappen oder Schutzschrauben aufgesetzt werden. Ebenso ist zu empfehlen, die Heilungskappen nach prothetischer Versorgung in der Praxis aufzubewahren und nicht dem Patienten mitzugeben. 

 

Das Abschrauben des abnehmbaren Implantataufbaus ist erschwert, wenn die Schrauben mit Zahnstein zusitzen. Dann muss der Zahnstein vorsichtig – Ultraschall nicht zu stark einstellen – entfernt werden. Das ist zeitintensiv – bei vier Schrauben dauert das etwa 20 Minuten – und muss bei der Kostenkalkulation mit berücksichtigt werden. Jedoch ist eine solche Grundreinigung mit Abnahme der Implantataufbauten üblicherweise nur alle zwei bis drei Jahre notwendig.  

 

Bei der PZR besteht die Gefahr, dass die Implantatoberfläche aufgeraut wird. Deshalb sind sowohl bei der maschinellen als auch manuellen Zahnreinigung Instrumente zu empfehlen, die speziell für die Implantatreinigung konzipiert sind. Ultraschallinstrumente mit Mikroarbeitsspitzen oder Karbonfaserspitzen stehen zur Verfügung. Da sie sehr teuer und bruchgefährdet sind, sollten sie auch nur im Implantatbereich zur Anwendung kommen. Zur manuellen Implantatreinigung werden Kunststoff- oder Titaninstrumente benutzt. 

 

Polierpasten sollten möglichst nicht zur Implantatreinigung verwendet werden. Ist es jedoch notwendig, sind Pasten mit einem niedrigen RDA-Wert und einem weichen Gummikelch zu empfehlen. Eine sehr gute Implantatreinigung wird mit dem „Airflow“ erreicht, sofern ein Pulver benutzt wird, das für die Reinigung des parodontalen Bereichs geeignet ist. Auch Superfloss und Spezialfloss werden eingesetzt. Bei den Interdentalbürstchen ist darauf zu achten, dass der Drahtträger mit Kunststoff beschichtet ist.  

Notwendige Absprachen bei Überweisung des Patienten

Sofern eine Praxis den Patienten umfänglich betreut, ist das Zusammenspiel zwischen Prophylaxe und Implantat-Behandlung relativ unproblematisch. Schwierig wird es, wenn der Patient zur Implantat-Behandlung in eine andere Praxis überwiesen wird. Dann sind dringend Absprachen zwischen den Praxen notwendig, um eine regelmäßige Betreuung des Patienten in der Prophylaxe zu gewährleisten.  

Weiterführender Hinweis

  • In „Praxis Implantologie“ Nr. 3/August 2010 hatten wir auf Seite 5 berichtet, dass laut Urteil des Landessozialgerichts Mainz die Krankenkasse die Kosten für eine Implantatreinigung bei einer Unfallpatientin übernehmen musste. Dieses Urteil ist im vollen Wortlaut unter www.iww.de durch Eingabe der Nr. 102215 (oben rechts) abrufbar.