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29.09.2017·Recht Kurzfristige OP-Absage, Teil 2: Wer trägt die Kosten?

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Kurzfristige OP-Absage, Teil 2: Wer trägt die Kosten?

| Wer kennt das nicht: Eine Implantation ist komplett vorbereitet, als der Patient kurzfristig die Behandlung ablehnt. Dieser plötzliche Ausfall kann so kurzfristig meistens nicht kompensiert werden. Über das dann fällige Ausfallhonorar und markante Urteile haben wir in PI 09/2017 bereits berichtet (pi.iww.de). Im zweiten Teil geht es um die Voraussetzungen für einen Honoraranspruch und Formulierungen für Vereinbarungen zum Ausfallhonorar. |

Die Voraussetzungen für ein Ausfallhonorar

Wenn der Patient den Behandlungsvertrag nicht vor dem Termin gekündigt hat, gilt das Ausbleiben nicht als Kündigung. Ob er durch das Nichterscheinen in Verzug gerät, hängt von der rechtlichen Verbindlichkeit der Terminabsprache ab. Ein Honoraranspruch besteht normalerweise erst, wenn eine Leistung erbracht wurde. Erscheint ein Patient jedoch nicht zur Behandlung, kann der Zahnarzt nach § 615 S. 1 BGB (Annahmeverzug) ein Ausfallhonorar verlangen.

 

Voraussetzung für ein Ausfallhonorar ist, dass der Zahnarzt einen konkreten Schaden nachweisen kann. Dafür sind folgende Sachverhalte zu prüfen:

 

Checkliste / Zu prüfende Sachverhalte für die Zahlung von Ausfallhonorar

  • Welcher Schaden ist konkret entstanden?

  • Besteht eine Bestellpraxis mit individuellen Exklusivterminen und Behandlungsvorläufen?

  • Kann ein Ausfalltermin und ggf. eine aufeinander aufbauende Terminfolge nachgewiesen werden?

  • Hat der Patient bereits Termine nicht eingehalten und/oder kurzfristig verschoben? Wurden diese Vorgänge und die Leerläufe zeitlich dokumentiert (Namenskürzel der Mitarbeiterin)?

  • Enthält der Anamnesebogen einen Hinweis auf ein Ausfallhonorar oder besteht eine separate Vereinbarung?

  • Hat der Patient bereits vor dem Termin den Behandlungsvertrag gekündigt?

  • Gibt es für unterschiedliche Eingriffe eine Warteliste, auf der Patienten notiert sind, die bei Terminausfall kurzfristig akquiriert werden können? Wurden Patienten dieser Liste angerufen (Dokumentation) und mit welchem Ergebnis?

  • In welchem Umfang ist ein Zeitabzug bei Berechnung des Ausfallhonorars für organisatorische und Verwaltungstätigkeiten (§ 254 BGB) zu beachten?

  • Kann bei einem Terminausfall im Rahmen einer chirurgischen, parodontologischen und implantologischen Behandlung überhaupt ein Ersatzpatient kurzfristig gefunden werden? Liegen für mögliche Ersatzpatienten OP-Einverständniserklärungen vor, die mindestens 24 Stunden vor der OP unterzeichnet wurden?

  • Liegen bei möglichen Ersatzpatienten für eine Zahnersatzbehandlung genehmigte Therapiepläne vor?

  • Wie schnell können Ersatzpatienten in der Zahnarztpraxis sein (Lage der Praxis)?

  • Wurde extra für diesen Termin ein Narkosearzt oder Zahntechniker einbestellt?

  • Besteht eine schriftliche Vereinbarung über ein Ausfallhonorar? Sind die Inhalte rechtlich einwandfrei?

  • Wurde der Patient verbal über die Bestellpraxis und Berechnung eines Ausfallhonorars informiert (Dokumentation)?

  • Ist der Minuten-Kostensatz der Praxis bekannt?

 

Welche Leistungen können berechnet werden?

Der Zahnarzt kann den Betrag in Rechnung stellen, der entweder pauschal je Stunde unter Abzug gewisser Zeiten für Organisations- und Verwaltungsarbeit entstanden ist. Oder er kann den Betrag fordern, der bei Durchführung der Behandlung nach den Gebührenordnungen entstanden wäre. Grundlage kann auch der durchschnittliche Kostenfaktor einer Praxis sein. Eine Steigerung von Gebührensätzen ist nicht zulässig. Die Steigerungssätze einer Vereinbarung der Vergütungshöhe nach § 2 Abs. 1 GOZ sind ansatzfähig. Material- und Laborkosten sind nur insoweit berechenbar, wie sie angefallen sind.

 

Die Vereinbarung eines Ausfallhonorars vor Behandlungsbeginn ist auf jeden Fall ratsam. Sie mag den einen oder anderen Patienten davon abhalten, nachlässig verabredete Behandlungstermine nicht einzuhalten. Für den Zahnarzt stellt die schriftliche Vereinbarung zudem einen meist durchsetzbaren Anspruch auf eine Zahlung des Patienten dar. Es muss sichergestellt werden, dass der Patient über die Ausfallgebühr bei Nichterscheinen oder zu kurzfristiger Terminabsage verbal aufgeklärt wurde (Dokumentation).

Wie kann ein Ausfallhonorar vereinbart werden?

Es folgen einige Beispiele zu möglichen Vereinbarungen zum Ausfallhonorar.

 

  • Muster 1 (LZÄK Baden-Württemberg):

„Ich verpflichte mich, über alle Änderungen, die sich während der gesamten Behandlungszeit ergeben, umgehend Mitteilung zu machen. Des Weiteren verpflichte ich mich, vereinbarte Behandlungstermine einzuhalten bzw. mindestens 24 Stunden vor dem vereinbarten Termin abzusagen. Mir ist bekannt, dass nicht bzw. nicht rechtzeitig abgesagte Termine in Rechnung gestellt werden können.“

 

 

  • Muster 2 (Verfahren vor dem AG Fulda vom 16.05.2002, Az. 34 C 120/02)

„Um Ihnen unnötige Wartezeiten zu ersparen und um Sie in Ruhe behandeln zu können, wird unsere Praxis nach dem Bestellsystem geführt. Deshalb bitten wir Sie, Ihren Termin pünktlich einzuhalten. Reservierte, aber nicht spätestens 24 Stunden vorher freigegebene Termine werden daher in Rechnung gestellt ‒ es sei denn, das Nichterscheinen ist unverschuldet.“

 

 

„Sie kommen zur Zahnarztbehandlung in eine Praxis, die nach dem Bestellsystem geführt wird. Dies bedeutet, dass die vereinbarte Zeit ausschließlich für Sie reserviert ist und Ihnen hierdurch in der Regel die anderenorts vielfach üblichen Wartezeiten erspart bleiben. Dies bedeutet jedoch auch, dass Sie ‒ wenn Sie vereinbarte Termine nicht einhalten können ‒ diese spätestens 48 Stunden vorher absagen müssen, damit wir die vorhergesehene Zeit noch anderweitig verplanen können. Bei Präparationsarbeiten im Zusammenhang mit Kronen oder Zahnersatzarbeiten bitten wir sogar um eventuelle Absage spätestens fünf Arbeitstage im Voraus. Diese Vereinbarung soll nicht nur Wartezeiten vermeiden, sondern begründet zugleich beiderseits vertragliche Pflichten. So kann Ihnen, wenn Sie den Termin nicht rechtzeitig absagen, die vorgesehene Zeit und die Vergütung bzw. die ungenutzte Zeit gemäß § 615 BGB in Rechnung gestellt werden. Es sei denn, an dem Versäumnis des Termins trifft Sie kein Verschulden. Es wird vereinbart, dass ansonsten Annahmeverzug dadurch eintritt, dass der vereinbarte Termin nicht fristgerecht abgesagt und eingehalten wird.“

 

 

  • Muster 4

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient [Name], wir führen eine Bestellpraxis und halten für umfangreiche Behandlungen einen Zeitraum von [Angabe Dauer] Stunden für Sie frei, und zwar: Datum [Angabe] von [Angabe der Uhrzeit von … bis …]. Die mit Ihnen vereinbarten Termine sind daher Fixtermine. Wird dieser Termin kurzfristig abgesagt, so kann er in der Regel nicht neu vergeben werden. Bitte halten Sie daher Ihren Termin ein. Bei einer rechtzeitigen Terminabsage von [Angabe der Zeit, z. B. 24 Stunden] oder bei unverschuldeter Nichteinhaltung entstehen Ihnen keine Kosten. Erhalten wir von Ihnen keine fristgerechte Absage, so werden wir Ihnen ein Ausfallhonorar in Höhe von [Betrag] Euro je ausgefallene Behandlungsstunde in Rechnung stellen. Dies entspricht dem durchschnittlich ermittelten Kostenfaktor für eine Praxisstunde. Es steht Ihnen frei, nachzuweisen, dass kein oder nur ein geringerer als der ermittelte Schaden entstanden ist. Diese Regelung wurde in einem Gespräch mit Ihnen erörtert. Mit Ihrer Unterschrift erklären Sie sich mit dem Inhalt der Vereinbarung einverstanden.

 

Hiermit bestätige ich [Name Patient/gesetzlicher Vertreter], dass ich eine Kopie dieser Vereinbarung erhalten habe.

 

________________________________________________________________________________________

Ort, Datum…………………….Patient oder gesetzlicher Vertreter…………………….Zahnarzt/Zahnärztin

 

Beachten Sie jedoch, dass es trotz einer derartigen Ausfallvereinbarung zu unterschiedlichen Urteilen kommen kann.

Begleitschreiben bei Rechnung über Ausfallhonorar

Der Rechnung über ein Ausfallhonorar sollte ein Schreiben beigefügt werden.

 

  • Beispiel für ein Begleitschreiben zur Rechnung bei Ausfallhonorar

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient [Name], leider haben Sie Ihren Behandlungstermin am [Datum] um [Uhrzeit] nicht wahrgenommen. Wie mündlich am [Datum der Aufklärung über Ausfallhonorar bzw. Schadenersatz] in einem gemeinsamen Gespräch mitgeteilt, haben wir exklusiv für Ihre Behandlung [Angabe Zeitvolumen] einen Termin reserviert. Da es sich um einen [xx-stündigen] Termin handelte, konnten wir derart kurzfristig keinen anderen Patienten einbestellen, um dem Leerlauf zu begegnen. Nach unserer Vereinbarung über einen Schadenersatz vom [Datum] stellen wir Ihnen daher einen Betrag in Höhe von [Euro] je Stunde in Rechnung. Bitte überweisen Sie den Betrag auf das benannte Konto, spätestens bis zum [Datum].

 

Erhält der Patient jedoch einen neuen Termin, kann das Ausfallhonorar nicht geltend gemacht werden. Daher sollten Patienten, die einen Behandlungstermin ohne Absage nicht wahrgenommen haben, erst die Rechnung mit Begleitschreiben zugestellt bekommen, um das Ausfallhonorar nicht zu gefährden.

Verhalten im Praxisalltag

In der Praxis kann ein gut sichtbarer Aushang auf das Ausfallhonorar hinweisen. Patienten sollten immer an Termine mit längerer Dauer erinnert werden. Zusatzmodule für Praxissoftware bieten komfortable und effektive Terminerinnerungen (WhatsApp, SMS, E-Mail, Brief). Eine telefonische Erinnerung weist einige Vorteile auf, wenn die berufliche, private und vor allem Handynummer bekannt ist. Vor der Kontaktaufnahme ist zu prüfen, ob alle erforderlichen Behandlungsunterlagen und Unterschriften vorliegen.

 

HINWEIS | Das Muster 4 und den Text für das Begleitschreiben können Sie auf der PI-Website unter „Downloads“, Rubrik „Musterschreiben“, aufrufen und verwenden.