02.08.2016·Steuern, Teil 6 Wer benötigt welches Implantatmaterial – Praxis oder Praxislabor?
·Steuern, Teil 6
Wer benötigt welches Implantatmaterial – Praxis oder Praxislabor?
von Birgit Sayn; ZMV; Praxisschulung, Seminare und Coaching; Leverkusen
| Die korrekte Berechnung von Praxis- und Praxislabor-Materialien ist für das Team immer wieder eine Herausforderung. Schwierig wird es, wenn der Zahnarzt ein umsatzsteuerpflichtiges Praxislabor betreibt und überlegt wird, welche Materialien mit dem Bruttopreis als Verbrauchsmaterial der Praxis und welche mit dem Nettopreis zuzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 7 Prozent als Labormaterial zu erfassen sind. |
Zahnarztpraxis ohne und mit Umsatzsteuerpflicht
In einer Praxis ohne Umsatzsteuerpflicht werden die berechenbaren Materialien in der EDV mit dem Bruttopreis erfasst. Die Mehrwertsteuer darf nicht ausgewiesen werden, da die Materialien im Rahmen einer umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlung verwendet werden bzw. die Kleinunternehmerregelung greift. Welche implantatbezogenen Materialien werden dem Praxislabor zugeordnet? Gibt es überhaupt eine klare Trennung zwischen Praxis- und Labormaterial? Immer wieder tritt die Frage auf, warum in Produktkatalogen keine Zuordnung nach Praxis- und Labormaterial erfolgt, damit diese fehlerfrei in der EDV erfasst werden. Beispielhaft werden in diesem Beitrag einige Produkte vorgestellt und der Verwendungszweck hinterfragt.
Verbrauchsmaterial der Praxis
Im Rahmen der Implantologie werden z. B. folgende Materialien mit dem Bruttopreis als Praxismaterial im Bereich der Materialverwaltung angelegt:
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Abformmaterial |
Abformkappe/-pfosten/Positionierzylinder |
Anästhetikum |
Schutzkappe |
Dentale Implantate ein-/zweiteilig, Titan/Keramik |
Bone Scraper |
Temporäre Implantate |
Knochenersatzmaterial |
Einpatientenbohrer |
Membran |
Verschlussschraube/-kappe |
Hämosthyptikum |
Einheilkappe/Gingivaformer |
Atraumatisches Nahtmaterial |
Diese Produkte dürfen nicht vom Zahntechniker angewandt werden, sondern ausschließlich von einem approbierten Zahnarzt oder bei Delegierbarkeit vom ausgebildeten Praxispersonal. Da die Materialien alle zur umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlung gehören, bezahlt der Patient sowohl den Nettopreis als auch die vom Lieferanten erhobene Umsatzsteuer, weil der Zahnarzt diese beim Finanzamt nicht als Vorsteuer geltend machen kann.
Verbrauchsmaterial des Praxislabors
Im Rahmen der Implantologie werden z. B. folgende Implantat-Materialien im umsatzsteuerpflichtigen Labor verarbeitet:
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Wax-up Hülse |
Fräszylinder |
Übertragungshilfe |
TS-Gewindeschutzschraube |
Titanklebebasen |
Gold-/Titan-/Kunststoffkappen |
Angussfähige Implantataufbauten |
Dolder®-Steg Gold/Titan/Kunststoff |
Manipulierimplantat/Analog/Transferpin bei retentivem Kugelanker |
Dolder®-Stegmatrize |
Verlängerungshülse |
Steg-Set Gold/Titan |
Kunststoffschulter |
Lötachse |
Diese Materialien werden zur Fertigung von Zahnkronen und Zahnersatz benötigt. Sie gehören daher nicht zur Heilbehandlung. Sie werden auf dem Praxislaborbeleg netto mit den jeweiligen zahntechnischen Honorarleistungen unter Ausweis der Umsatzsteuer (USt) in Höhe von 7 Prozent erfasst. Es spielt keine Rolle, mit welchem Umsatzsteuersatz die Ware eingekauft wurde. Im gewerblichen und umsatzsteuerpflichtigen Praxislabor gelten die Vorgaben des § 12 UStG, der den reduzierten Mehrwertsteuersatz (7 Prozent) vorsieht.
Praxis- oder Labor-Verbrauchsmaterial?
Viele Produkte können sowohl vom Zahnarzt als auch von einem Zahntechniker im Praxislabor verarbeitet werden. Lieferanten bieten z. B. Röntgenkugeln und Bohrhülsen an. Diese können in einer Praxis ohne Umsatzsteuerpflicht chairside oder im umsatzsteuerpflichtigen Praxislabor im Rahmen der Herstellung einer Röntgen- oder Bohrschablone verarbeitet werden. Eine Zuordnung des Umsatzsteuersatzes im Produktkatalog oder auf einer Preisliste ist daher nicht möglich – die Ware kann brutto oder netto zzgl. 7 Prozent Umsatzsteuer im Praxislabor berechnet werden. Zum besseren Verständnis einige Produkte, die sowohl in einer umsatzsteuerbefreiten Praxis vom Zahnarzt als auch in einer Praxis mit umsatzsteuerpflichtigem Praxislabor vom Zahnarzt oder Zahntechniker verwendet werden:
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Manipulierimplantat/analog |
Locator, Prozesspackung, Retentions-/Prozesseinsätze, Abstandsring/-halter |
Individualisierbare Gingivaformer |
Novaloc®, Prozesspackung/Matrizengehäuse Titan/Peek, Retentionseinsätze, Modellanalog, Abform-/Fixiermatrize; Duplizierplatzhalter Montagemanschette/-einsätze |
Provisoriumskappe/-sekundärteil |
Kugelanker Elliptische Matrize, Reserve-Lamellen-Retentionseinsatz, Titan-Matrize Ringfeder, Platzhalter, Montagegewindering |
Dalbo®-Rotex-Anker (bei temporärem Implantat) |
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Bissregistrierhilfe |
All-in-One-Sets |
Mono-/Scankörper bei digitaler Abformung |
PLAN-Sets |
Spezielle Implantataufbauten |
Die folgenden Beispiele verdeutlichen, warum keine globale Zuordnung der Umsatzsteuer bei Materialien im Bereich der Zahnmedizin erfolgen kann. Zahntechnische Produkte müssen vom Zahnarzt ohne Umsatzsteuerpflicht mit dem Bruttopreis erfasst werden. Besteht eine Umsatzsteuerpflicht, werden die zahntechnischen Materialien und Honorarleistungen auf einem Praxislaborbeleg mit dem Nettopreis erfasst und die Umsatzsteuer in Höhe von 7 Prozent auf jeden Posten ausgewiesen sowie dem Finanzamt gegenüber erklärt.
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Provisoriumskappen oder Aufbauten für Provisorien auf Implantat werden nicht nur im Labor, sondern auch von einem Zahnarzt im Mund des Patienten verwendet. |
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Individualisierbare Gingivaformer können im Praxislabor oder aber im Behandlungszimmer zur Ausformung des Emergenz-Profils bei Implantaten bearbeitet werden. |
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Bei temporären Implantaten gibt es unterschiedliche Formen. Bei den einteiligen „Übergangsimplantaten“ im Zusammenhang mit Prothesen werden die Verbindungselemente – hier z. B. die Dalbo-Rotex-Anker – in eine vorhandene Prothese einpolymerisiert. Diese Leistung erbringt in der Regel der Implantologe oder bei einer Kooperation der Zahnarzt in der Praxis. Die Maßnahme kann alternativ nach Abformung auch im Praxislabor vom Zahntechniker erfolgen. |
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Wenn der alte Zahnersatz noch funktionstüchtig ist, kann dieser nach Implantation zur Suprakonstruktion umgearbeitet werden. Das Einarbeiten von passgenauen Verbindungselementen (Attachments, Matrizen) passend zum gewählten Implantatsystem kann zum Beispiel mithilfe von Kugelankern – Locator® oder Novaloc® – erfolgen, die im Sortiment einiger Implantathersteller angeboten werden. Anhand einer Locator-Variante wird die Vorgehensweise abgebildet und aufgezeigt, dass die Einarbeitung der Matrizen mit allen erforderlichen Arbeitsschritten sowohl vom Zahnarzt chairside – also am Behandlungsstuhl teilweise – oder komplett im Praxislabor erfolgen kann.
Eine Totalprothese soll zur implantatgetragenen Prothese im Behandlungszimmer umgearbeitet werden. In der ersten Sitzung wird die jeweilige Gingivahöhe an den Implantaten ermittelt und die Locatoren in der richtigen Höhe bestellt. In der zweiten Sitzung werden diese nach Entfernen der Verschlussschrauben im Implantat fachgerecht befestigt und weiße Ausblockringe über die Funktionsbereiche gezogen, um ein Einfließen des Kunststoffs in die Retentionsgehäuse zu verhindern. Das Retentionsgehäuse mit dem schwarzen Verarbeitungseinsatz wird auf jedes Implantat über den zuvor aufgesetzten Ausblockring aufgesteckt. Nun kann die Prothese in den vorgesehenen Bereichen für die Retentionsgehäuse ausgeschliffen und oberhalb der Gehäuse perforiert werden (als Kunststoffabfluss und zur Kontrolle). Anschließend werden die Retentionsgehäuse in die ausgeschliffene Prothese einpolymerisiert. Nach dem Ausarbeiten und dem Polieren der Prothese werden die schwarzen Verarbeitungseinsätze durch die zuvor bestimmten Retentionseinsätze ersetzt. In diesem Fall benötigen Zahnarzt oder Zahntechniker die gleichen Materialien. |
FAZIT | Ist die Praxis nicht umsatzsteuerpflichtig, wird ein Praxislaborbeleg unter Ausweis der berechenbaren Materialien mit den Bruttopreisen und den zahntechnischen Leistungen erstellt. Besteht eine Umsatzsteuerpflicht, so ist es gleich, ob der Zahnarzt selbst die Fertigung erbringt oder ein angestellter Zahntechniker im Praxislabor. In beiden Fällen erscheinen die Honorar- und Materialleistungen mit dem Nettopreis und 7 Prozent Umsatzsteuer auf dem Praxislaborbeleg. |