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07.08.2015·Zahnmedizin 3-D-Druck und CAD/CAM statt Beckenkamm?

·Zahnmedizin

3-D-Druck und CAD/CAM statt Beckenkamm?

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZR ZahnmedizinReport, Berlin

| Für implantologische Maßnahmen in atrophen Kiefern ist die Volumenrekonstruktion des Knochens eine wichtige Voraussetzung. Noch immer gilt dabei das autologe Knochentransplantat als Goldstandard. Doch auf dem 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) in Stuttgart wurde präsentiert, wohin die Entwicklung geht: Werden Beckenkamm & Co. bald von 3-D-gedruckten Transplantaten aus Knochenkompositen ersetzt? |

Beckenkamm-Augmentationen: Unbefriedigende Ergebnisse

Zur erfolgreichen Versorgung mit implantatgetragenem Zahnersatz sind im atrophen Kiefer häufig Knochenaugmentationen notwendig. Dabei gilt das autologe Knochentransplantat als Goldstandard. Als autologes Spendergebiet gelten Beckenkamm, Fibula und Scapula als geeignet.

 

Gerade Knochentransplantate aus dem Beckenkamm zeigen langfristig nur unbefriedigende Ergebnisse, erläutert Dr. Benedikt Höhmann (Universität Münster). Über einen Verlauf von bis zu 18 Jahren war bei allen Patienten eine hochsignifikante Resorption des ehemaligen Knochenblocks zu verzeichnen: Im ersten postoperativen Halbjahr war ein Verlust um bis zu 35 Prozent festzustellen, der in einigen Fällen bis zum vollständigen Rückbau eskaliert war. Neben der „kortikalen Trennschicht“ kann die relative Diskrepanz der vertikalen Dimensionen von ortsständigem und transplantiertem Knochen die Verlustursache sein, mit nachfolgend erschwerten Bedingungen für die Vaskularisation der Onlay-Augmentate. [1]

 

An der MH Hannover experimentieren Kieferchirurgen mit Alternativen zum Beckenkamm. Das Crista-Transplantat stellt eine empfehlenswerte biologisch adäquate Technik zur fokussierten knöchernen Augmentation atropher Kieferabschnitte vor der Implantation dar, berichtet Dr. Christian Steigenberger. Als lokale Entnahmeregion dafür bietet sich die Crista zygomaticoalveolaris im Bereich des lateralen Mittelgesichtspfeilers an. Zumindest kurzfristig – zurzeit 17 Monate Beobachtungsdauer – sind die Ergebnisse erfreulich:Die Kombination von kortikalem Knochen und Knochenspänen (Cocoon-Technik) ermöglicht eine gute Revaskularisierung bei geringer Resorption. Bei geringer Morbidität ist eine langzeitstabile implantatgetrageneVersorgung atropher Kieferabschnitte möglich. [2] Die Hannoveraner bestätigen damit die guten Erfahrungen, die Freiburger Zahnmediziner schon im Jahr 2005 mit dieser Versorgung gemacht hatten. [3]

Passgenaue Knochenblöcke dank CAD/CAM

Da die autologe Knochenentnahme mit nicht unerheblichen Komorbiditäten und Risiken an der Entnahmestelle einhergeht, sucht man nach Alternativen: Kommerziell verfügbare allogene, xenogene und alloplastische Materialien konnten in mehreren Studien nahezu gleichwertige Verhältnisse wie nach autologer Versorgung schaffen. Doch es müssen vor allem ökonomische Aspekte und Passgenauigkeit weiterhin als kritische Faktoren berücksichtigt werden. Hier könnten individuell gefräste allogene CAD/CAM-Transplantate Abhilfe schaffen, die passgenau für jeden Patienten individuell angefertigt werden.

 

In einer Praxisstudie an mehreren Praxen und Unikliniken wurden Patienten mit atrophem Unter- oder Oberkiefer in den Jahren 2013 bis 2014 nach Zahnextraktion mittels individuell gefertigten allogenen CAD/CAM-gefrästen Knochenblöcken versorgt. Bei komplikationslosem klinischem Verlauf zeigten die histologischen Probeentnahmen eine zunehmende Knochenformation mit Entwicklung stabiler lamellärer Anteile. [4]

Drucken statt Fräsen

Doch wie auch anderswo in der Technik werden abtragende Verfahren – zum Beispiel das CAD/CAM-Fräsen – zunehmend durch aufbauende generierende Verfahren ersetzt: Ein internationales Forscherteam veröffentlichte vor kurzem einen Fallbericht über die Anwendung eines 3-D-gedruckten Gerüsts für die ossäre Gewebenachzüchtung bei einem menschlichen Patienten. Bei der Behandlung eines großen Knochendefekts wurde ein 3-D-gedrucktes bioresorbierbares Polymer-Gerüst, beschichtet mit Wachstumsfaktoren, eingesetzt. Die behandelte Stelle blieb zwölf Monate nach der Therapie intakt, ging dann aber verloren. Obwohl dieser Fall per saldo nicht erfolgreich war, sehen die Autoren doch Potenzial in dieser Therapieform. [5]

 

Als Materialien für den 3-D-Druck bieten sich neben resorbierbaren Kunststoffen auch mineralische Knochenzemente an: Insbesondere bei der Verarbeitung mittels 3-D-Pulverdruck bietet ein bei neutralem pH abbindenden Magnesium-Ammonium-Phosphat-Zementsystem („Struvit“) Vorteile gegenüber dem im sauren Milieu abbindenden Kalziumphosphat-Zement. Versuche an der Universität Würzburg zeigten die grundsätzliche Machbarkeit diesesVerfahrens. In den kommenden Jahren werden die Veröffentlichungen zu diesem spannenden Thema sicher stark zunehmen.

 

Quellen

  • [1] Höhmann B et al. 15-Jahres-Analyse nach Kieferaugmentationen mit bicorticalen Beckenkammtransplantaten. 65. Kongress der DGMKG, Stuttgart, 10. bis 13. Juni 2015.
  • [2] Steigenberger C et al. Knochenaugmentation, Atrophie, optimierte Oberkiefer-Knochenaugmentation mit dem Crista-Transplantat. 65. Kongress der DGMKG, Stuttgart.
  • [4] Radmacher U et al. Individuell gefertigte allogene CAD/CAM-Knochenblöcke zur Kieferkammaugmentation. 65. Kongress der DGMKG, Stuttgart.