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25.02.2016·Steuern, Teil 1 Der Zahnarzt und die Umsatzsteuer – was gilt?

·Steuern, Teil 1

Der Zahnarzt und die Umsatzsteuer – was gilt?

von Birgit Sayn ZMV, Praxisschulung, Seminare und Coaching, Leverkusen

| In einer Zahnarztpraxis wird in der Regel keine Umsatzsteuer erhoben, weil zahnärztliche Leistungen im Rahmen der Heilbehandlung davon befreit sind. Das ändert sich, wenn aus unterschiedlichen Einnahmequellen steuerpflichtige Leistungen des Zahnarztes aufeinandertreffen und die Grenzen der Kleinunternehmerregelung sprengen. Trotz Kooperation mit dem Steuerberater und Fachlektüre ist es oft nicht möglich, zu entscheiden, ob und für welche Bereiche der Ausweis von Umsatzsteuer erforderlich ist oder ob eine bestehende Umsatzsteuerpflicht noch greift. |

Wann sind die Leistungen von der Umsatzsteuer befreit?

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegen die Lieferungen und Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Unternehmer ist, wer eine Tätigkeit selbstständig ausübt – zum Beispiel der Zahnarzt. Somit ist dieser zum Ausweis von Umsatzsteuer auf seine Leistungen verpflichtet. Wie bei allen Ärzten sind jedoch die Einnahmen aus der Tätigkeit als Zahnarzt, Kieferorthopäde, Oral- oder Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg von der Umsatzsteuer befreit, wenn medizinisch notwendige Leistungen erbracht werden.

 

Im Zahnheilkundegesetz (ZHG) wird definiert, welche zahnärztlichen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind. Nach § 1 Punkt 3 ZHG ist die Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnis gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen. Dabei werden z. B. präventive, konservierende, kieferorthopädische und parodontologische Leistungen, die Insertion von Implantaten oder die Behandlung im Rahmen von Zahnersatz der steuerfreien Heilbehandlung zugeordnet.

 

  • Beispiel

Bei einem Privatpatienten wird am Zahn 47 neben einer Beratung und symptombezogenen Untersuchung eine einflächige Kompositrestauration erbracht. Die Rechnung enthält die folgenden Angaben:

Datum
Region
Nr.
Leistungsbeschreibung
Bgr.
Faktor
Anzahl
Èuro

12.02.16

Ä1

Beratung – auch mittels Fernsprecher

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

47

2060

Präparieren einer Kavität und Restauration mit Kompositmaterialien, in Adhäsivtechnik (Konditionieren), einflächig, ggf. einschließlich Mehrschichttechnik, einschließlich Polieren, ggf. einschließlich Verwendung von Inserts

2,3

1

68,17

Gesamtbetrag

89,61

 

 

Eine Heilbehandlung wurde ausgeführt, die von der Umsatzsteuer befreit ist. Der Rechnungsendbetrag ist 89,61 Euro; Mehrwertsteuer wird nicht erhoben. Daher führt der Zahnarzt auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Um die Füllungsleistung zu erbringen, muss jedoch Material eingekauft werden. Ein lichthärtendes Kompositmaterial wurde für die Restauration bestellt. Der Einkaufspreis der 2 x 2g-Spritzen und 20 Einwegkanülen beträgt 51,30 Euro plus Mehrwertsteuer und Versandkosten.

 

Produkt
Anzahl
Preis

Komposit

1

51,30 Euro

Versandkosten

1

3,75 Euro

19 % MwSt.

10,46 Euro

Gesamtbetrag

65,51 Euro

 

Die auf der Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer in Höhe von 10,46 Euro kann der Zahnarzt nicht als sogenannte Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend machen. Wer keine Umsätze versteuert oder versteuern muss (Restauration 89,61 Euro, umsatzsteuerfrei), erhält auch nicht die an den Lieferanten bezahlte Mehrwertsteuer (10,46 Euro) erstattet. Das Kompositmaterial ist dabei weder bei Kassen- noch bei Privatpatienten berechenbar, da es zu den allgemeinen Praxiskosten zählt und in den abrechnungsfähigen Leistungsansätzen bereits enthalten ist.

Steuerbefreiung von Material und Geräten

Soweit eine Heilbehandlung das Material oder den Einsatz von Geräten zwingend erfordert, ist dies ein unselbstständiger Teil der Therapie und ebenfalls steuerfrei. Berechenbare Praxismaterialien wie z. B. Fiberglasstifte, Stift- und Schraubenaufbauten, Einmal-Nickel-Titanfeilen, Implantate, Verschlussschrauben, Gingivaformer, Knochenersatzmaterial, Membran, Membranpins, atraumatische Naht, Abformmaterial und Kunststoff für die direkte Instandsetzung bzw. Erneuerung von Verblendungen sind als Praxismaterial von der Umsatzsteuer befreit.

 

Gleiches gilt für kieferorthopädische Apparate zum Vermeiden bzw. Behandeln von Kieferfehlstellungen, Vorrichtungen zur Behandlung von Fehlstellungen des Kiefers oder den Einsatz einer intraoralen Videokamera zu Diagnosezwecken.

Wirtschaftliche Mehrbelastung

Grundsätzlich soll die Umsatzsteuer für den Zahnarzt als Unternehmer einen durchlaufenden Posten darstellen. Dies wird jedoch nicht erreicht, da ein Zahnarzt im Wesentlichen steuerfreie Leistungen (Heilbehandlungen) ausführt und die gezahlte Vorsteuer zum Beispiel der Depotrechnung nicht als Ausgabe geltend machen kann. Daher zahlt der Patient als Endverbraucher alle Kosten (Versandkosten, Nettobetrag und Mehrwertsteuer), was zu einer Erhöhung des Rechnungsbetrags führt.

 

  • Beispiel

Im Rahmen der Kronenversorgung wird für einen Privatpatienten ein Fiberglasstift benötigt. Der Lieferant sendet diesen im 5er-Pack zum Nettopreis von 22,90 Euro. Rechnung Lieferant:

 

Artikel
Anzahl
Euro

Fibrapost Plus gelb (5er-Packung)

1

22,90

Porto- und Verpackungskosten

1

5,00

19 % MwSt.

5,30

Gesamtbetrag

33,20

 

 

  • Ermittlung Einzelpreis
Artikel
Betrag Euro
Dividiert
Anzahl
Einzelpreis Euro

Fibrapost Plus Stift

22,90

:

5

4,58

Porto- und Verpackungskosten

5,00

:

5

1,00

19 % MwSt.

1,06

Gesamtbetrag

6,64

 

  • Materialangaben Rechnung Patient
Artikel
Anzahl
Euro

Fibrapost Plus Stift gelb

1

5,45

Porto- und Verpackungskosten

1

1,19

Gesamtbetrag

6,64

 

 

Die Krone mit dem Fibrapost Plus Stift stellt eine Heilbehandlung dar und ist somit umsatzsteuerfrei. Die gezahlte Mehrwertsteuer an den Lieferanten kann der Zahnarzt nicht als Vorsteuer geltend machen, daher muss der Patient als Verbraucher den Betrag in Höhe von 6,64 Euro bezahlen. Vorsteuer geltend machen kann nur, wer auch Umsatzsteuer berechnet und abführt.

Steuerbefreiung bei Hilfsgeschäften

Unter Hilfsgeschäften versteht man Umsätze, die eigentlich nicht in den zahnärztlichen Tätigkeitsbereich gehören, aber dennoch in einer Praxis vorkommen. So kann der Zahnarzt einen gebrauchten Behandlungsstuhl verkaufen oder die alte EDV-Anlage beim Erwerb einer neuen in Zahlung geben. Diese als Hilfsgeschäfte bezeichneten Umsätze fallen nicht unter die Befreiungsvorschrift, weil keine Umsätze aus der zahnärztlichen Tätigkeit vorliegen.

 

Dennoch können auch diese Einnahmen umsatzsteuerfrei bleiben. Das setzt allerdings voraus, dass die veräußerten Gegenstände ausschließlich oder zumindest fast ausschließlich für die umsatzsteuerfreie zahnärztliche Tätigkeit verwendet wurden. Aus Vereinfachungsgründen lässt die Finanzverwaltung einen steuerfreien Verkauf zu, wenn das veräußerte Wirtschaftsgut vorher mindestens zu 95 Prozent für die umsatzsteuerfreie Tätigkeit verwendet worden ist. Werden hingegen alte Geräte aus dem umsatzsteuerpflichtigen Praxislabor veräußert, fällt grundsätzlich Umsatzsteuer (19 Prozent) an.

Die Rechtsform spielt keine Rolle

Werden nach Kapitel 4.14.7. Abs. 1 und 2 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) Leistungen aus der Tätigkeit als Zahnarzt im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG erbracht, kommt es für die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift nicht darauf an, in welcher Rechtsform der Unternehmer die Leistung erbringt. Auch Zahnärzte können eine GmbH oder eine andere Gesellschaft gründen. Die heilberuflichen Leistungen bleiben umsatzsteuerfrei. Gemäß einem Rundschreiben der Finanzverwaltung muss ein Gesellschafter einer Personengesellschaft (zum Beispiel Berufsausübungsgemeinschaft in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts), der Vergütungen für Verwaltungs- oder Geschäftsführungstätigkeiten erhält, seit dem 1. April 2004 dafür Umsatzsteuer abführen. In Steuerfragen ist es daher wichtig, einen kompetenten Berater einzubinden, der über aktuelle Änderungen im Steuerrecht informiert.

Steuerpflichtige Einnahmen

Einige Einnahmen können für sich allein oder gemeinsam zu einer Umsatzsteuerpflicht führen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Umsätze aus der Prothetik (zahntechnische Leistungen), Gutachten und Fotografien ohne therapeutischen Hintergrund, Vorträge, um wissenschaftliche Studien, Lehrtätigkeit, ästhetische Leistungen, die umsatzsteuerpflichtige Vermietung von gewerblichen Objekten und Umsätze aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage.

Die Kleinunternehmerregelung

Der Gesetzgeber hat eine Sonderregelung im Umsatzsteuergesetz installiert, wonach bei geringen steuerpflichtigen Einnahmen keine Umsatzsteuer zu leisten ist. Kleinunternehmer ist jeder Zahnarzt als Unternehmer, dessen steuerpflichtige Umsätze einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Vorjahr 17.500 Euro Gesamtumsatz nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen werden. Die nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Umsätze (Heilbehandlungen) sind dabei nicht in die Ermittlung des Gesamtumsatzes mit einzubeziehen.

Betriebsprüfer: Umsatzsteuer im Visier

Der Bundesrechnungshof kritisierte in einer Mitteilung vom 10. Dezember 2013, dass umsatzsteuerpflichtige Umsätze bei Ärzten und Zahnärzten durch die Finanzämter unzureichend erfasst würden, und sensibilisierte sie daher, verstärkt eine Umsatzsteuer-Nachschau in Praxen durchzuführen. Entgegen den üblichen Regeln dürfen Betriebsprüfer dazu ohne vorherige Ankündigung die Grundstücke und Räume von Selbstständigen während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten und diese Prüfungen vornehmen.

 

Weiterführender Hinweis

  • Ausblick: Im zweiten Teil in der April-Ausgabe wird diese Thematik vertieft und anhand weiterer Beispiele näher erläutert.