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02.11.2017·Zahnmedizin Die erfolgreiche Behandlung einer Periimplantitis ‒ ein Patientenfall

·Zahnmedizin

Die erfolgreiche Behandlung einer Periimplantitis ‒ ein Patientenfall

von Nicole Graw, Hamburg, Lehrbeauftragte des Fortbildungsinstituts der Zahnärztekammer Bremen

| Implantatgetragene Suprakonstruktionen sind heutzutage eine standardisierte Therapie mit eigentlich voraussagbaren Langzeitergebnissen. Unter Berücksichtigung prävalenter Risikofaktoren können periimplantäre Entzündungen meistens rechtzeitig erkannt, therapiert und im Idealfall lebenslänglich stabilisiert werden. Dennoch führt eine Periimplantitis immer wieder zu Komplikationen. Dieser Beitrag zeigt anhand eines Fallberichts die Therapie einer zement-assoziierten Periimplantitis. |

Welche Formen periimplantärer Erkrankungen gibt es?

Es gibt zwei Formen periimplantärer Erkrankungen: die periimplantäre Mukositis mit Entzündung der suprakrestalen Weichgewebe und die Periimplantitis mit zusätzlichem Knochenabbau.

 

Aktuelle Werte zeigen für Mukositiden eine Prävalenz von etwa 43 Prozent der Patienten, während die Periimplantitis etwa 22 Prozent der Patienten betrifft. Risiken für entzündlich bedingte periimplantäre Erkrankungen sind bei rezidivierenden bzw. refraktär vorausgegangenen Parodontitiden zu erwarten. Lokale Faktoren, die eine Biofilmakkumulation begünstigen, tragen ebenso zu einem erhöhten Risiko bei. Dazu zählen beispielsweise Zementreste, fehlende Gingiva, ein dünner Phänotyp sowie systemische Faktoren wie Nikotinabusus oder Diabetes.

Erstvorstellung der 32-jährigen Patientin im Mai 2017

Die Patientin klagt über einen unangenehmen Geschmack sowie Geruch regio 26. Die spezifische Anamnese: Diabetes Typ 1 ‒ HbA1c-Wert: 7,2 Prozent.

 

In der novellierten S3-Leitlinie „Zahnimplantate bei Diabetes mellitus“ der DGZMK wird die Studie von Aguilar-Salvatierra angeführt. Hier wurden Implantate zwei Jahre nach der Insertion bei Diabetikern auf Symptome der Periimplantitis untersucht und festgestellt, dass die Zahl der Patienten, die an periimplantären Entzündungen litten, mit erhöhtem HbA1c steigt.

 

Die Probanden wurden in gut (HbA1c 6 bis 8 Prozent), mäßig (HbA1c 8 bis 10 Prozent) und schlecht eingestellt (HbA1c >10 Prozent) eingeteilt, aber es gab keine Kontrollgruppe aus gesunden Patienten. Die beiden Querschnittsstudien gaben ein erhöhtes relatives Risiko für das Auftreten einer Periimplantitis von 1,9 nach sechs Monaten bis fünf Jahren und von 4,1 nach zehn Jahren durch Diabetes mellitus im Vergleich zur Population ohne Diabetes mellitus an. Ein erhöhter HbA1c-Wert könnte somit auch ein Risikofaktor für periimplantäre Entzündungen sein.

 

  • Periimplantär regio 26
  • Bluten nach Sondieren positiv
  • Sondierungstiefen Index > 5 mm
  • Dünner Phänotyp
  • Keine Suppuration, keine Plaque
  • Gradueller Sulkus-on-Bleeding-Index = 4

 

Früher wurde empfohlen, auf Metallsonden zu verzichten, um Schäden an der Implantatoberfläche zu vermeiden. Dies konnte in Studien nicht ausreichend belegt werden. Somit gilt die Metallsonde als akzeptabel. Allerdings fällt das Sondieren an Implantaten aufgrund der Form der Suprakonstruktion oft schwerer als am natürlichen Zahn. Hier eignen sich flexible Sonden aus Kunststoff sehr gut.

 

  • Parodontal
  • Generalisiert erhöhter ST-Index < 3,5 mm
  • Ubiquitär McCall‘sche Girlanden, keine Rezessionen
  • Gingivaindex nach Ainamo < 20 Prozent
  • PIaqueindex nach O‘Leary < 25 Prozent

 

Das Mundhygieneprotokoll der Patientin bestand aus der täglichen Anwendung von IDR-Bürsten sowie einer Handzahnbürste unter Berücksichtigung der modifizierten Basstechnik. Der Putzdruck wurde reduziert, um Stillman Clefts und daraus resultierenden Rezessionen vorzubeugen. Ebenso könnte der dünne Phänotyp der Patientin Rezessionen begünstigen. Die Adhärenz der Patientin wurde final gesichert.

Röntgenologischer Befund

Zementrest regio 26 distal. Latrogen bedingte Zementüberschüsse sind mit periimplantären Infektionen assoziiert. Diagnosestellung durch den Zahnarzt: Periimplantitis.

 

Die Therapie

Zunächst wurde mit einer Ultraschallspitze aus hoch entwickeltem PEEK-Material und einer Kürette aus Titan die sensible Implantatoberfläche vom Zementrest befreit.

 

Eine aktuelle Studie zeigt, wie wichtig es ist, Zementreste umgehend zu entfernen, um als Folge des überschüssigen Zements weiteren periimplantären Attachmentverlust zu vermeiden. „Bei Vorhandensein von Zementüberschüssen lag bei 80 Prozent der Implantate ein Bluten auf Sondieren und bei 21,3 Prozent der Implantate eine Suppuration vor.“ (Quelle: Korsch, M., Robra, B. P. & Walther, W. 2013. Predictors of excess cement and tissue response to fixed implant-supported dentures after cementation. Clin Implant Dent Relat Res online published ‒ in press).

 

Die übrige Dentition wurde auf das Vorhandensein von Zahnstein überprüft und dieser entfernt.

 

Die Zerstörung des subgingivalen Biofilms erfolgte mit einer Perioflow-Düse und Erythritol-Pulver. Eine konventionelle Politur mit herkömmlichen Polierpasten, Kelchen und Bürstchen ist nur supragingival möglich und erreicht den subgingivalen Biofilm daher nicht. Die erste Kontrolle erfolgte nach 14 Tagen. Um sicherzustellen, dass die periimplantäre Infektion auf dem Wege der Genesung war, wurde der graduelle Sulkus-Blutungs-Index erhoben. Der modifizierte Sulkus-Blutungs-Index bietet eine zu geringe Trennschärfe und wurde daher vernachlässigt. Zusätzlich wurde der Plaqueindex ermittelt. Der graduelle Sulkus-on-Bleeding-Index betrug 2 und der Plaqueindex 0 Prozent. Im September 2017 wurde eine unterstützende Periimplantitis-Therapie (UPT) mit folgenden Parametern zur Verlaufskontrolle durchgeführt:

 

  • Periimplantär regio 26
  • Bluten nach Sondieren negativ
  • Sondierungstiefen Index < 5 mm
  • Dünner Phänotyp
  • Keine Suppuration
  • Röntgenologischer Befund: keine iatrogenen Reize mit Mineralisation des periimplantären Knochens

 

 

Im Zuge der UPT wurde anschließend ein supra- und subgingivales Biofilmmanagement mit Erythritol-Pulver durchgeführt und die Patienten-Compliance sichergestellt. Die Patientin war äußerst motiviert und setzte das empfohlene Mundhygiene-Protokoll „eins zu eins“ um.

 

Es gibt in Bezug auf die histopathologischen Charakteristika bei einer Periimplantitis im Vergleich zur Parodontitis Unterschiede: Periimplantitis-Läsionen sind schlecht verkapselt, erstrecken sich in den Knochen und enthalten außerdem größere Anteile von neutrophilen Granulozyten und Osteoklasten im Vergleich zu Parodontitis-Läsionen. Daher ist ein zwölfwöchiges Recall ‒ auch bei sehr guter Mundhygiene ‒ zur frühen Detektion von Alarmbefunden empfehlenswert. Ein Recall kann per SMS, WhatsApp, E-Mail,Telefon oder Brief erfolgen. Kreativität und Stil sind gefragt, um die Aufmerksamkeit des Patienten zu gewinnen. Ein Brief sollte z. B. nicht immer aus gleichen, lieblos gedruckten Zeilen auf weißem Papier bestehen. Illustrationen, witzige Texte oder farbiges Papier lockern auf und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten sich wieder für die gleiche Praxis entscheiden.

 

Weiterführender Hinweis

  • Beachten Sie zu dieser Thematik auch folgende Beiträge:
  • „Therapiekonzept zur Behandlung periimplantärer Entzündungen: Diagnostik – Behandlung – Recall“ in PI 05/2016, Seite 18
  • „Wie kann man vermeiden, dass Implantate g‚in die Jahre‘ kommen?“ in PI 12/2016, Seite 5