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31.01.2011 |Abrechnung Häufige Streitfrage: Was versteht man unter einer primären Wundversorgung?

31.01.2011 |Abrechnung

Häufige Streitfrage: Was versteht man unter einer primären Wundversorgung?

Immer wieder strittig bei der Abrechnung ist der Leistungsumfang einer primären Wundversorgung. Dazu das Zitat einer privaten Krankenversicherung:  

 

„ … Die Leistung nach der Nr. 2382 (Schwierige Hautlappenplastik) kann nicht in Ansatz gebracht werden, da die Maßnahmen der primären Wundversorgung mit den Gebühren der chirurgischen Hauptleistung abgegolten sind. Nach § 4 Abs. 2 GOZ können nur selbstständige zahnärztliche/ärztliche Leistungen berechnet werden, die nicht Bestandteil oder die besondere Ausführung einer anderen Leistung der Gebührenordnung sind. Die primäre Wundversorgung ist integraler Bestandteil der chirurgischen Leistung der Gebührenordnungen. Der Verschluss der Wunde – in welcher Form auch immer – ist somit mit den Gebühren für die Nr. 904 (Freilegung eines Implantats und Einfügen von Sekundärteilen bei einem zusammengesetzten Implantat) abgegolten….“ 

 

Es stellt sich daher die Frage, welche Maßnahmen eine primäre Wundversorgung umfasst. Die GOZ enthält im Teil K (Implantologie), Allgemeine Bestimmungen, folgenden Hinweis: „Die primäre Wundversorgung ist Bestandteil der Leistungen nach Abschnitt K und nicht gesondert berechnungsfähig.“ Der gleiche Passus findet sich auch im Vorwort der Teile D (Chirurgie) und E (Parodontologie) der GOZ. 

Primäre Wundversorgung

Die primäre Versorgung einer Wunde, die durch einen operativen Eingriff entstanden ist, ist Bestandteil der OP-Leistung und somit nicht gesondert berechenbar. Zur primären Wundversorgung gehören zum Beispiel das Auskratzen von Granulationsgewebe, das Andrücken der Wundränder, das Auflegen eines Tupfers, die Tamponierung, das Legen einer Drainage, die Stillung einer regulären Blutung ohne weiterführende Maßnahmen oder der Nahtverschluss direkt im Anschluss an chirurgische Eingriffe. Das Zusammenführen von Wundrändern im Sinne einer primären Wundversorgung kann beispielsweise durch Verkleben, Nähen oder Klammern erfolgen, ohne dass zusätzliche Maßnahmen im Weichgewebe erforderlich sind. Ziele der Wundversorgung sind eine schnelle und komplikationslose Heilung der Wunde sowie die Verhinderung einer Infektion. 

Maßnahmen im Weichgewebe

Nach einem operativen Eingriff mit Mukoperiostlappen werden die Wundränder zusammengeführt, um eine primäre Wundversorgung herbeizuführen. Das ist jedoch – je nach Befund – nicht immer möglich. Bei einer Implantation oder Implantatfreilegung kann aufgrund defizitärer Weichgewebsverhältnisse eine Vestibulum- oder Hautlappenplastik erforderlich sein. Dafür sind neben der eigentlichen Plastik zusätzliche Leistungen wie eine Unterminierung, die Vorbereitung des Weichgewebelagers und Polsterungen erforderlich.  

Durchgangsleistung nicht berechenbar

Sowohl die GOZ als auch die GOÄ kennen eine Vielzahl von Durchgangsleistungen, die nicht selbstständig abrechenbar sind. Eine Trepanation des Kieferknochens nach GOZ-Nr. 310 ist zum Beispiel im Rahmen einer Wurzelspitzenresektion nach den GOZ-Nrn. 311 und 312 nicht als selbstständige Leistung berechenbar. Das Amtsgericht Iserlohn entschied mit Urteil vom 1. März 1993 (Az: 40 C 758/92; Abruf-Nr. 110147 unter www.iww.de): „Enthält das Gebührenverzeichnis keine ausdrückliche Regelung, ist regelmäßig davon auszugehen, dass jede im Gebührenverzeichnis enthaltene Gebühr neben jeder anderen berechnungsfähig ist.“ 

Zielleistungsprinzip

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2006 (Az: III ZR 217/05, Abruf-Nr. 060920) steht fest, dass auch die Bewertung der Leistungen in Hinblick auf die Zielleistung beachtet werden muss. Im Urteilsfall war die vermeintliche Teilleistung mehr als doppelt so hoch bewertet wie die vermeintliche Zielleistung. Nach Ansicht des Gerichts ist es nicht nachvollziehbar, dass der Verordnungsgeber einen Leistungsbestandteil höher bewertet als die übergeordnete Zielleistung. Der Bewertung bzw. Honorierung der Leistungen kommt somit ebenfalls eine eigenständige Bedeutung bei der Frage zu, ob das „Zielleistungsprinzip“ greift oder nicht. Ist die Teilleistung höher bewertet als die „Zielleistung“, so spricht dies für die Möglichkeit, beide Leistungen eigenständig abrechnen zu können. 

Kostenbetrachtung

Nach 2,3-fachem Gebührensatz erhält man für die Aufbereitung einer Knochenkavität und für das Einbringen eines Implantats (GOZ-Nrn. 901, 903) ein Honorar in Höhe von 124,20 Euro. Eine Vestibulumplastik nach GOÄ-Nr. 2675 umfasst bei 2,3-fachem Gebührensatz mit OP-Zuschlag Ä444 ein Honorar von 189,71 Euro. Allein schon im Honorarvergleich wird deutlich, dass die Vestibulumplastik nicht Inhalt der GOZ-Nrn. 901 und 903 sein kann. Eine Freilegung nach GOZ-Nr. 904 im 2,3-fachem Gebührensatz führt zu einem Honorar von 41,40 Euro, eine schwierige Hautlappenplastik nach GOÄ-Nrn. 2382 und OP-Zuschlag Ä443 zu einem Honorar von 142,78 Euro. Auch hier zeigt sich, dass eine zeitaufwändige mukogingivalchirurgische Maßnahme nicht Inhalt der GOZ-Nr. 904 sein kann und einen eigenständigen Charakter aufweist.