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27.09.2018·Aktuelle Rechtsprechung OLG Köln: Versicherung durfte eine Patientin auf vermuteten Behandlungsfehler hinweisen

·Aktuelle Rechtsprechung

OLG Köln: Versicherung durfte eine Patientin auf vermuteten Behandlungsfehler hinweisen

| Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat entschieden, dass eine private Krankenversicherung (PKV) einen Patienten auf einen vermuteten Behandlungsfehler des Zahnarztes hinweisen darf (Beschluss vom 22.08.2018, Az. 5 U 26/18, Abruf-Nr. 204560). Der Zahnarzt darf der Versicherung nicht den Mund verbieten. Er darf keinen Einfluss auf das eigentliche Verfahren wegen des Vorwurfs eines Behandlungsfehlers nehmen, indem er einen Prozessbeteiligten durch Unterlassungsansprüche in der Äußerungsfreiheit einengt. |

Zahnarzt wollte falsche Behauptungen untersagen lassen

Die Versicherung hatte gegenüber der Patientin die Erstattung der Behandlungskosten u. a. mit der Begründung abgelehnt, dass der Zahnarzt beim Setzen eines Zahnimplantats einen Wurzelrest nicht vollständig entfernt habe. Daher sei kein dauerhafter Behandlungserfolg zu erwarten.

 

Der Zahnmediziner sah durch diese ‒ nach seiner Auffassung offensichtlich falsche ‒ Aussage seine ärztliche Reputation in Fachkreisen beschädigt und beantragte daher, der Versicherung diese Behauptung gerichtlich untersagen zu lassen. Dabei wandte er ein, er sei ein Spezialist für Parodontologie und schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Implantologie tätig. Aufgrund seiner regelmäßigen Fachvorträge im deutschsprachigen Raum habe er in entsprechenden Fachkreisen eine große Bekanntheit erlangt.

 

Auf den Röntgenbildern sei deutlich erkennbar, dass es sich nicht um einen Wurzelrest, sondern um implantiertes Knochenersatzmaterial ‒ eine „Socket Preservation“ ‒ gehandelt habe. Dies sei für jeden Fachmann erkennbar gewesen, zumal auch eine „Socket Preservation“ abgerechnet worden sei. Die Versicherung habe bewusst unwahre Tatsachen verbreitet.

 

Die Versicherung hatte mit Bezug auf ein Gutachten durch die Zahnärzte Dres. F. erklärt, dass sich regio 36 und 37 auf allen Einzelröntgenaufnahmen ein nicht entfernter Wurzelrest befinde und damit ein erhöhtes Risiko hinsichtlich eines dauerhaften Erfolgs der implantologischen und prothetischen Maßnahme bestünde. Zudem hätte der Unterkiefer regio 35 bis 37 fachgerecht und ohne Nachteile mit 2 Implantaten und einer implantatgetragenen Brückenkonstruktion saniert werden können.

Krankenversicherung darf prüfen und urteilen

Die Aufforderung des Zahnarztes an die Versicherung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, blieb erfolglos, ohne dass in diesem Verfahren zu klären war, ob der Zahnarzt bei der Behandlung tatsächlich einen Wurzelrest im Kiefer belassen hat. Maßgeblich war, dass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt: Denn die Versicherung sei gesetzlich verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob die Behandlung medizinisch notwendig war. Im Erstattungsverfahren sei die Richtigkeit der Behandlung ggf. zu überprüfen.

 

Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Versicherung sich nur gegenüber der Patientin und nicht gegenüber einem größeren Personenkreis geäußert habe. Es liege auch kein Fall der unzulässigen Schmähung des Zahnarztes vor. Die Äußerung der beklagten Versicherung hatte einen sachlichen Bezug und sei offensichtlich nicht in der Absicht erfolgt, den Zahnarzt zu diffamieren.

Kein Grund, Prozessbeteiligten den Mund zu verbieten …

Nach Auffassung des OLG ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu folgen. Danach darf auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Dies gelte auch für das Verfahren über die Erstattung von ärztlichen Behandlungsleistungen.

… auch wenn sich die Gutachter eventuell geirrt hatten

Nach Ansicht der Kölner Richter liegt hier kein Grund vor, die Behauptungen der Versicherung vorab zu verbieten: Die Unrichtigkeit habe für die Versicherung keinesfalls auf der Hand gelegen. Sie habe sich sachverständig durch die Zahnärzte Dres. F. beraten lassen. Diese sind nach Auswertung der ihnen überlassenen Behandlungsunterlagen ‒ insbesondere nach der Befundung postoperativer Röntgenaufnahmen ‒ zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auf allen Einzelröntgenaufnahmen ein verbliebener bzw. nicht entfernter Wurzelrest befindet.

 

Selbst wenn sich diese Annahme im Ergebnis als unrichtig erweisen sollte, war die Behauptung der Versicherung nicht auf der Hand liegend falsch. Dies gilt selbst dann, wenn man annähme, die Versicherung hätte gewusst oder wissen müssen, dass eine „Socket Preservation“ stattgefunden hatte. Es musste sich ihr nicht aufdrängen, dass die sie beratenden Zahnärzte einem Irrtum unterlagen, weil sie das eingebrachte Knochenersatzmaterial fälschlicherweise für einen Wurzelrest hielten.

 

Und auch den Gutachtern musste es sich nicht aufdrängen, dass der von ihnen auf den Einzelröntgenaufnahmen festgestellte Befund keinesfalls ein Wurzelrest, sondern Knochenersatzmaterial sein musste. Denn nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Versicherung stellen sich Wurzelrest und eingebrachtes Knochenersatzmaterial nach Extraktion röntgenologisch in ähnlicher Weise dar. Danach kann den Gutachtern allenfalls eine fahrlässig, nicht aber eine bewusst ‒ weil auf der Hand liegend ‒ falsche Tatsachenbehauptung unterstellt werden.

 

Ob die Behauptung der PKV wahr und erheblich ist, muss allein im Gerichtsverfahren geklärt werden, in dem es um die Erstattung für den umstrittenen Eingriff geht.