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30.09.2016·Fallbeispiel Erstattungsprobleme bei einer Implantation: Komplexer Fall in vier Phasen – Teil 3

·Fallbeispiel

Erstattungsprobleme bei einer Implantation: Komplexer Fall in vier Phasen – Teil 3

| Nachdem Phasen 1 und 2 abgeschlossen sind, kann die Insertion von zwei Implantaten in der Schaltlücke 36-37 erfolgen. Die PKV hat beim Therapieplan die PRP-Therapie erneut abgelehnt. Kann der Patient darauf vertrauen, dass er tarifgemäß für alle anderen Leistungen eine Erstattung erhält? |

Der Therapieplan für Phase 3

Nach erneuter Implantatanalyse soll die Insertion von zwei Implantaten regio 37 und 36 unter Analogsedierung erfolgen. Folgende Planung wurde erstellt:

 

Region
GOÄ/GOZ
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anzahl
Euro

0030

Heil- und Kostenplan

3,1

1

34,88

Ä1

Beratung

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

0050

Situationsmodell inkl. Auswertung zur Diagnose oder Planung

2,3

1

15,52

Ä5004

Orthopantomogramm

1,8

1

41,96

9000

Implantatanalyse

3,5

1

174,01

Ä3

Eingehende Beratung (Dauer mindestens 10 Minuten)

2,3

1

20,11

Ä1

Beratung

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

7000a

Planung Bohrschablone mit Ausrichtung Bohrhülse inkl. Anprobe entsprechend Aufbissbehelf ohne adj. Oberfläche

2,3

1

34,93

Ä272

Infusion intravenös (länger 30 Minuten)

2,3

1

24,13

Ä250

Blutentnahme Vene

1,8

1

4,19

36

0080

Oberflächenanästhesie

2,3

1

3,88

38

0100

Leitungsanästhesie

2,3

1

9,05

UK

9003

Verwenden einer Orientierungs-/Positionierungsschablone …

2,3

1

12,94

36,37

9010

Implantatinsertion, je Implantat

4,3

2

747,25

0530

Zuschlag bei ambulanter OP

1,0

1

123,73

Ä602

Oxymetrische Untersuchung

1,8

1

15,95

Ä2442a

PRP-Verfahren – entspr. Einbringen alloplastischen Materials

2,3

1

120,66

Ä5004

Orthopantomogramm

1,8

1

41,96

Ä206

Tape-Verband

2,3

1

9,38

Ä70

Befundbericht

2,3

1

5,36

36

3290

Nachkontrolle

2,3

2

14,22

38

3300

Nachbehandlung

2,3

2

16,82

Zwischensumme Honorar

1.513,81

Geschätzte Materialkosten

800,00

Voraussichtliche Gesamtkosten

2.313,81

 

Vereinbarung der Gebührenhöhe nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ

Aufgrund des 4,3-fachen Gebührensatzes bei der GOZ-Nr. 9010 muss im Vorfeld der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung der Gebührenhöhe mit dem Patienten getroffen und vom Zahnarzt und dem Patienten unterzeichnet werden. Der Gebührensatz ergibt sich, wenn die der Leistung zugeordnete Punktzahl mit dem Punktwert von 5,62421 Cent (§ 5 Abs. 1 Satz 3) multipliziert wird. Nach § 10 Abs. 3 Satz 3 GOZ besteht die Möglichkeit, alle Leistungen in dieser Vereinbarung aufzunehmen, auch wenn sie innerhalb des Gebührenrahmens (1,0- bis 3,5-fach) vorgesehen sind. Dadurch erhält der Zahnarzt Sicherheit im Hinblick auf seinen Honoraranspruch.

 

  • Muster: Vereinbarung der Gebührenhöhe nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ

Vereinbarung der Gebührenhöhe zwischen

Frau/Herrn _____________________________________________________

Patient/Zahlungspflichtiger oder dessen gesetzlicher Vertreter

und Frau/Herrn _____________________________________________________

Zahnärztin/Zahnarzt

 

Gemäß § 2 Abs. 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) werden für folgende Leistungen die aufgeführten Gebühren vereinbart:

 

Zahn Gebiet Region
Geb.-Nr.
Leistungsbeschreibung
Anzahl
Steigerungssatz
Betrag Euro

36, 37

9010

Implantatinsertion, je Implantat

2

4,3

747,25

 

Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.

 

Dem Zahlungspflichtigen – oder dessen gesetzlichen Vertreter – wurde eine Ausfertigung dieser Vereinbarung ausgehändigt.

 

Ort, Datum _______ _________________________________ ____________________________

Unterschrift Patient/Zahlungspflichtiger Unterschrift Zahnärztin/Zahnarzt

oder dessen gesetzlicher Vertreter

 

Vorbereitungen für das Herstellen einer Bohrschablone

Die GOZ-Nr. 9003 enthält lediglich das „Verwenden“ einer Bohrschablone. Die Nutzung dieser Schablone beginnt nach dem Anlegen im betreffenden Kiefer und dem Aufbereiten der Implantatkavität mit speziellen Implantatbohrern bzw. -fräsen. Die Planung der Bohrhülsenplatzierung und Gestaltung der Schablone selbst – z. B. ausreichende Freiräume für die Zirkulation der Kühlflüssigkeit während der Aufbereitung – sowie eine Anprobe mit eventuellen Änderungen ist nicht Inhalt der GOZ-Nr. 9003. Dazu ein Zitat aus dem GOZ-Kommentar der Bundeszahnärztekammer (Stand Juni 2016):

 

„Die Gebührennummer beschreibt die intraoperative Verwendung einer Schablone zur Insertion eines Implantats oder mehrerer Implantate. … Der zahnärztliche Aufwand im Zusammenhang mit der Herstellung der Schablone ist im Leistungstext nicht beschrieben und kann daher nach § 6 Abs. 1 analog berechnet werden.“

 

Dies stellt eine notwendige und selbstständige Leistung dar und ist deshalb über eine Hilfsziffer analog berechenbar. Für den Therapieplan ist beispielhaft die GOZ-Nr. 7000a abgebildet. Der Zahnarzt wählt nach Art, Kosten- und Zeitaufwand eine gleichwertige Leistung in erster Linie aus der GOZ aus.

 

Sind Änderungen an einer Bohrschablone notwendig, können diese auch als zahntechnische Leistungen nach § 9 GOZ berechnet werden. Dafür ist es unerheblich, ob der Zahnarzt ein Praxislabor als Hilfsbetrieb unterhält. Aufgrund seiner universitären Ausbildung und der zahnärztlichen Approbation können zahntechnische Leistungen im Behandlungszimmer erbracht und berechnet werden. In der Praxissoftware ist meist die vierstellige BEB von 1997 enthalten. Das Abtragen von Kunststoff oder das Biegen von Halteelementen bei einem Restzahnbestand stellt eine zahntechnische Leistung dar. Beispiel: BEB-Nr. 1224 – Korrektur Bohrschablone (Zugang Implantatregion für Kühlvolumen vergrößern/Biegen Halteelemente, Ausrichtung Bohrhülse korrigieren …).

Die Implantatinsertion

Wegen der veränderten Knochenverhältnisse nach Aufbau des Alveolarfortsatzes im linken Unterkiefer muss eine erneute Implantatanalyse vorgenommen werden. Auch wenn der HKP nur eine Grundlage für die spätere Abrechnung der tatsächlich angefallenen Leistungen ist und bei unvorhersehbaren Schwierigkeiten in der Behandlung eine absolute Bindung an die geschätzten Honorarsätze nicht besteht, soll er dennoch eine weitgehend verlässliche Berechnungsgrundlage für die absehbaren Aufwendungen darstellen. Das OLG Köln hat es mit Urteil vom 16.06.1997 (Az. 5 U 35/97) für unzulässig gehalten, wenn die Rechnung höhere Steigerungsfaktoren enthielt, deren Schwierigkeit, Umfang und Ursache im Vorfeld der Behandlung absehbar waren. In der Einheilphase reicht der Patient seine Rechnung an die PKV weiter.

Die Mitteilung der Versicherung

Überraschend lehnt die PKV die Kostenbeteiligung für ein Implantat ab. Zitat:

 

  • Medizinische Notwendigkeit von je einem Implantat in regio 37 und 36

Geplant ist bei Ihnen je ein Implantat in regio 37 und 36 bei einer bestehenden Schaltlücke regio 36-37. Die Zähne 35 und 38 sollen überkront werden. Die Gegenbezahnung ist bis Zahn 28 vorhanden. Bei der Bewertung der medizinischen Notwendigkeit der Implantatversorgung orientieren wir uns an der aktuellen Stellungnahme der DGZMK – veröffentlicht in der DZZ 8/2005. Hier heißt es: „Bei (…) großen Schaltlücken werden in Abhängigkeit von deren Ausdehnung für Verbundbrücken (Verbindung von Implantaten mit eigenen Zähnen) ein oder zwei Implantate und für implantatgetragene Konstruktionen standardmäßig zwei oder drei Implantate verankert.“ Insofern ist auf Basis der vorliegenden Unterlagen die medizinische Indikation in regio 36-37 ersichtlich. Um die medizinische Notwendigkeit abschließend prüfen zu können, bitten wir erneut um die Vorlage einer aktuellen Panoramaaufnahme in Kopie.

 

Ist eine Kostenablehnung trotz HKP-Vorlage rechtens?

Nach herrschender Rechtsauffassung ist eine Behandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und anerkannten ärztlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (BGH, Urteile vom 29.11.1978 – Az. IV ZR 175/77 – und vom 29.05.1991 – Az. IV ZR 151/90). Der BGH entschied, dass die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einem neutralen Sachverständigen obliegt (Urteil vom 29.11.1978, Az. IV ZR 175/77). Diese werden von den Zahnärztekammern oder von den Gerichten bestellt. Wenn eine PKV ihre Leistungspflicht einschränken will, ist sie dahingehend darlegungs- und beweispflichtig, dass das Maß der medizinischen Notwendigkeit überschritten ist.

 

Nach Ansicht des Kostenerstatters stellt die geplante Therapie eine Überversorgung dar, die das Maß des medizinisch Notwendigen überschreitet. Problematisch ist in diesem Fall, dass die Zähne 35 und 38 parallel überkront werden. Als prothetische Versorgung ist eine Pfeilervermehrung mit einem Implantat und die Fertigung einer Brücke von 38 auf 36 mit Einzelkrone auf 35 möglich – es sei denn, es gibt im Befund Gründe, die für zwei Implantate sprechen.

Medizinische Gründe für Implantate

In den Indikationsbeschreibungen zu den Indikationsklassen sind von der Konsensuskonferenz Empfehlungen zur Mindestanzahl von Implantaten enthalten. Die definitive Anzahl richtet sich nach der individuellen Situation, z. B.:

 

  • Strategische Positionierungsmöglichkeiten der Implantate
  • Zustand von eventuellen Restzähnen
  • Anzahl der Restzähne und der prothetischen Versorgung
  • Geeigneter interokklusaler Abstand
  • PAR-Befund
  • Krafteinleitung in den Kiefer (biomechanische Kräfteverhältnisse)
  • Reduktion der Atrophie
  • Funktionelle Aspekte (Bruxismus, Kiefergelenksproblematik etc.)
  • Belastbarkeit der knöchernen Verhältnisse
  • Vermeiden einer funktionellen Überlastung bei nur einem Implantat
  • Anatomische Gründe (Atrophiegrad, Knochendichte etc.)
  • Art der zu verwendenden Implantate
  • Abhängigkeit von Länge, Durchmesser, Form und Oberfläche und prothetisch sinnvoller Zielsetzung

 

Die Entscheidung einer medizinisch begründeten Anzahl an Implantaten kann nur vom Zahnarzt nach ausführlicher Anamnese und Befundung im Einzelfall im Patientengespräch vorgenommen werden. Die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ist Approbierten vorbehalten. Aussagen von Sachbearbeitern dazu stellen eine unerlaubte Ausübung der Zahnheilkunde dar. Der Versicherungsnehmer hat das Recht, die Stellungnahme eines eventuell einbezogenen Sachverständigen in Ablichtung zu erhalten (§ 202 VVG).

 

FAZIT | Wenn die Kostenbeteiligung für Implantate abgelehnt wurde, ist zu prüfen, ob im Befund und der Anamnese Gründe für eine Bezuschussung vorliegen. Schwierig wird es, wenn die Nachbarzähne in der Schaltlücke überkront werden, da positive wissenschaftliche Ergebnisse für Hybridkonstruktionen vorliegen.