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02.07.2015·Kongressbericht Mini-Implantate: Alles andere als ein Einsteigersystem

·Kongressbericht

Mini-Implantate: Alles andere als ein Einsteigersystem

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter des ZR ZahnmedizinReport

| Mini-Implantate (Durchmesser < 2,8 mm) sind eine minimalinvasive und preiswerte Alternative. Allerdings gibt es Vorbehalte - nicht nur wegen der Frakturgefahr. Denn die momentan verfügbare wissenschaftliche Basis zu Mini-Implantaten ist noch dünn. Auf der 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro) in Ulm präsentierten Zahnmediziner der Universitäten Greifswald, Bonn und Halle neue Studienergebnisse. |

Noch gibt es wenige Langzeitdaten

Manche Hersteller – aber auch Anwender – der Mini-Implantate möchten suggerieren, dass Mini-Implantate ein ideales Einsteigersystem für die Praxis darstellen, mit denen ohne große operative Erfahrung begonnen werden kann. Aus Unkenntnis und mangelnder Erfahrung resultieren wahrscheinlich die Misserfolge, an die sich Kritiker erinnern, erklärte PD. Dr. Torsten Mundt (Greifswald) auf dem Kongress. Untersuchungen mit mehr als fünf Jahren Beobachtungsdauer gibt es bisher kaum.

 

Die Daten von Mini-Implantaten für den Unterkiefer sind in der Regel besser als für den Oberkiefer: Die Implantat-Verlustraten für den zahnlosen Unterkiefer liegen in den ersten Jahren unter 5 Prozent. Berichte zum zahnlosen Oberkiefer zeigen – im Gegensatz zu den Beobachtungen aus Greifswald – höhere Verlustraten (> 15 Prozent in den ersten beiden Jahren) und inakzeptablen Knochenabbau (> 5 mm). In einer Studie der Universität Greifswald liegen die mittleren Knochenabbauraten in beiden Kiefern dagegen unter 1 mm. In den anderen Studien wurden wahrscheinlich die Herstellerempfehlungen missachtet, die zunächst eine weiche Unterfütterung bei geringem Eindrehmoment und eine Rationierung der Basis erst nach Osseointegration der Implantate fordern.

Prothesenstabilisierung mit Mini-Implantaten

Prothesenstabilisierungen mit Standard-Durchmesser-Implantaten sind wissenschaftlich anerkannt, jedoch aufwendig – vor allem bei unzureichender Alveolarkammbreite. Deshalb werden sie von Patienten aus Angst vor dem Eingriff, den Risiken, der Behandlungsdauer und wegen hoher Kosten häufig abgelehnt. An der Universität Bonn untersuchte man deshalb an patientenindividualisierten 3D-Finite-Elemente-Modellen, wie sich die Beißfähigkeit und Kaukraft von Patienten nach Versorgung mit implantatgetragenen Deckprothesen verändert. Getestet wurden konventionelle wie auch Mini-Implantate.

 

Bei allen Patienten verbesserten sich die Beißkräfte nach der Implantatversorgung – deutlich höher allerdings bei konventionellen Implantaten. Die Beißkraft erhöhte sich auf 385 N nach Deckprothesenversorgung mit konventionellen Implantaten. Bei den Mini-Implantaten entwickelten die Patienten Beißkräfte von 200 bis 240 N nach Insertion der Implantate.

Vier konventionelle Implantate waren stabiler als fünf Minis

Auch der Sitz der Prothese ist mit konventionellen Implantaten fester: Die Stabilität der Prothese mit vier konventionellen Implantaten war deutlich besser im Vergleich zur Stabilität mit fünf Mini-Implantaten. Die Maximalauslenkung der Prothese bei vier konventionellen Implantaten betrug 92 µm, bei zwei konventionellen Implantaten 189 µm und bei fünf Mini-Implantaten 142 µm. Die Spannungen im Knochenbett waren bei allen drei Modellen sehr niedrig in vergleichbarer Größenordnung (1,0 bis 1,8 MPa).

Verzicht auf knochenaufbauende Maßnahmen möglich

Durch langjährigen Zahnverlust sind im hoch atrophierten Unterkiefer häufig vorhergehende oder konsekutive knochenaufbauende Maßnahmen für eine Implantation notwendig. Auf diesen erhöhten wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand sowie die zusätzlichen chirurgischen Risiken könnte durch den Einsatz von durchmesserreduzierten Mini-Implantaten verzichtet werden.

Pilotstudie: Nur eines der 60 Mini-Implantate ging verloren

Bei erheblich kompromittiertem Knochenangebot könnte eine Reduktion der Implantatanzahl eine weitere Option sein. An der Universität Halle testete man die Verankerung von herausnehmbaren Prothesen im zahnlosen Unterkiefer an zwei oder vier Mini-Implantaten. Die Kurzzeitergebnisse wie auch die Zufriedenheit der Patienten sind sehr gut, berichtete Dr. Sonia Mansour, Oberärztin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

 

In der Pilotstudie wurden 20 zahnlose Patienten mit durchmesserreduzierten Implantaten (d = 2,8 mm) interforaminal im Unterkiefer versorgt. Neben klinischen Parametern und Nachsorgebedarf wurde die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität vor und nach Versorgung quartalsweise (OHIP G-14) standardisiert erfasst. Nur in der Gruppe mit vier Implantaten versagte die Osseointegration bei einem Pfeiler. Demnach betrug das Implantat-Überleben nach 12 Monaten 100 Prozent (bei zwei Implantaten) bzw. 97,5 Prozent (bei vier Implantaten). Die Patienten erfuhren in beiden Gruppen eine Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität.

 

Quellen

  • Mundt T. Stabilisierung von herausnehmbaren Prothesen mit Mini-Implantaten – Echte Alternative oder nur ein Kompromiss?
  • Hasan I et al. Klinische Messung von Beißkräften mit implantatgetragenen Deckprothesen und numerische Untersuchungen in patientenindividualisierten Modellen.
  • Mansour S et al. Durchmesserreduzierte Implantate im zahnlosen Unterkiefer zur Steigerung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität
  • alle: 64. Jahrestagung der DGPro, Ulm, 11. bis 13. Juni 2015.