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30.09.2013·Recht Nachahmerprodukte in der Implantologie: Behandlungsrisiken und Aufklärungspflichten

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Nachahmerprodukte in der Implantologie: Behandlungsrisiken und Aufklärungspflichten

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-legal.de 

| Weil die Behandlungskosten bei Implantatversorgungen relativ hoch sind und Kostengesichtspunkte für die Patienten ein wichtiges Entscheidungskriterium darstellen, gibt es bei Implantaten einen Markt für Nachahmerprodukte. Hieraus ergeben sich über die wirtschaftliche Aufklärungspflicht hinausgehende Fragen, die in diesem Beitrag behandelt werden sollen. |

Wie weit geht die wirtschaftliche Aufklärungspflicht?

Die Verpflichtung zur wirtschaftlichen Aufklärung war bereits vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag anerkannt. Insbesondere beim zahnärztlichen Behandlungsvertrag wurde eine gesteigerte Hinweispflicht angenommen. Begründung: Es müsse einem Zahnarzt bewusst sein, dass bei umfangreichen prothetischen Maßnahmen ein erheblicher Kostenanteil beim Patienten verbleibt. Somit muss bei sehr aufwendigen Arbeiten mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass die vorherige Abklärung der Kostenerstattung mit dem Versicherer zweckmäßig ist (OLG Köln, Urteil vom 17. November 2004, Az. 5 U 44/04, Abruf-Nr. 110747 unter pi.iww.de). Kenntnisse über die Erstattungspraxis und über die Versicherungsbedingungen der Privatversicherer wurden vom Zahnarzt jedoch nicht verlangt (OLG Düsseldorf, 20. Mai 1999; Az. 8 U 181/98).

 

Durch das Patientenrechtegesetz wurde die wirtschaftliche Aufklärungspflicht festgeschrieben. Weiß der Implantologe, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich hierfür hinreichende Anhaltspunkte, so muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten informieren (§ 630s Abs. 3 BGB). Erforderlich ist demnach die Kenntnis oder zumindest die sichere Erkennbarkeit fehlender Erstattung. Neu ist, dass die Aufklärung in Textform erfolgen muss. Über die Höhe der zu erwartenden Kosten kann durch einen Kostenvoranschlag aufgeklärt werden. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht kann zu Schadenersatzansprüchen des Patienten führen.

Besonderheiten bei Verwendung von Nachahmerprodukten

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht ändert sich auch bei der Verwendung von Nachahmerprodukten nichts. Es ergeben sich aber darüber hinausgehende haftungsträchtige Fragestellungen.

 

Behandlungsfehler

Die Verwendung von Nachahmerprodukten ist behandlungsfehlerhaft, wenn sie sich als Verstoß gegen den zum Behandlungszeitpunkt geltenden Facharztstandard herausstellt. Dabei können sich je nach Planungskonstellation unterschiedliche Bewertungen ergeben. Als besonders gefahrenträchtig dürfte die kombinierte Verwendung von Original- und Nachahmerprodukten gelten, weil hier am ehesten Folgekomplikationen zu erwarten sind, wie die Behandlungspraxis zu zeigen scheint.

 

Einen Behandlungsfehler kann aber auch ein Verstoß gegen ein dem Schutz von Gesundheit, Körper und Leben dienendes Gesetz begründen. Hier könnten zukünftig Vorschriften des Medizinprodukterechts an Relevanz gewinnen.

 

So hat das Landgericht Frankfurt am Main kürzlich entschieden, dass ein Zahnarzt Nachahmerprodukte nicht in Kombination mit Originalteilen implantieren dürfe, wenn Letztgenannte mit einer eingeschränkten Konformitätsbewertung behaftet sind (Entscheidung vom 15. November, Az. 2-03 O 84/12, Abruf-Nr. 130525 unter pi.iww.de, siehe dazu auch den Beitrag in PI 03/2013, Seite 3). Originalteile-Hersteller könnten im Rahmen des für eine CE-Zertifizierung zu durchlaufenden Konformitätsverfahrens nämlich die Zweckbestimmung auf die Verwendung ausschließlich in Verbindung mit Originalteilen beschränken, sodass eine hiervon abweichende Verwendung ein nicht durch die CE-Zertifizierung gedecktes unbedenkliches Inverkehrbringen im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) darstellt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hierzu künftig entwickelt.

 

Darüber hinaus ist es gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verboten, „Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen oder anzuwenden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sie die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten bei sachgemäßer Anwendung, Instandhaltung und ihrem Zweck entsprechender Verwendung über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden“. Auch hier wird die zweckentsprechende Verwendung gefordert.

 

„Begründet“ ist ein Verdacht, wenn eine wissenschaftlich substantiierte, konkret nachvollziehbare und auf tatsächlichen Anhaltspunkten basierende Gefahr besteht. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies im Einzelfall zu bejahen ist, wird – mit entsprechender prozessualer Unsicherheit – jeweils durch Sachverständigenbeweis festzustellen sein.

 

Weitere Aufklärungspflichten

Unabhängig von der – jeweils zu prüfenden – Unbedenklichkeit der Verwendung von Nachahmerprodukten dürften sich zudem zusätzliche Aufklärungspflichten ergeben. Durch das Patientenrechtegesetz ist unter anderem die – auch zuvor bereits anerkannte – Pflicht zur Aufklärung über Behandlungsalternativen kodifiziert worden (§ 630e Abs. 1 Satz 3 BGB).

 

In deren Rahmen sollte stets auf die möglichen Versorgungsvarianten bei Implantatversorgungen (nur Originalteile, nur Nachahmerprodukte, Kombination aus Original- und Nachahmer-Produkten) sowie deren jeweilige Vor- und Nachteile hingewiesen werden. Dabei dürfte speziell auf die bei Kombinationslösungen potenziell erhöhte Gefahr von inkompatibilitätsbedingten Folgekomplikationen hinzuweisen sein.