Uncategorized

26.04.2013·Aktuelle Rechtsprechung Nachbesserungsrecht: Eine durchschnittliche Frustrationsgrenze muss toleriert werden

·Aktuelle Rechtsprechung

Nachbesserungsrecht: Eine durchschnittliche Frustrationsgrenze muss toleriert werden

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de 

| Die Bestimmung von Umfang und Grenzen des zahnärztlichen Nachbesserungsrechts ist im Behandlungsalltag von großer Bedeutung für den Zahnarzt – hängt hiervon doch oftmals sein Vergütungsanspruch ab. Entwicklungstendenzen hierzu sind bereits thematisiert worden (PI 11/2012, S. 19). Weitere Konkretisierungen lassen sich aus einer Entscheidung des OLG Köln vom 20. August 2012 ableiten (Az. 5 U 52/12, Abruf-Nr. 131338 unter pi.iww.de). |

 

Grundsätze des Nachbesserungsrechts

Der Behandlungsvertrag ist als Dienstvertrag über höhere Leistungen grundsätzlich jederzeit kündbar. Im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen besteht jedoch die Besonderheit, dass dem Behandler prinzipiell die Möglichkeit der Nachbesserung einzuräumen ist. Sie kann auch in einer Neuanfertigung bestehen. Ist die Behandlungsleistung vollständig unbrauchbar und die Vornahme weiterer Nachbesserungen nicht zumutbar, entfällt nach Kündigung des Behandlungsvertrages der Vergütungsanspruch des Zahnarztes.

 

Das Urteil und die Entscheidungsgründe

Bei einer Patientin wurde auf ihr Drängen hin unter großem zeitlichen Druck eine Prothese eingegliedert, obwohl eine zeitweilige Prothesenkarenz medizinisch geboten gewesen wäre. Die von ihr schließlich abgebrochene, insgesamt 17 Termine umfassende Behandlung enthielt unter anderem auch die Entfernung eines Zahnes. Zwischenzeitlich kam es zu Entzündungen und verzögerter Knochenabheilung. Nach Meinung des Gerichts ist jedoch die bloße Zahl von Behandlungsterminen nicht entscheidend. In einer für die Behandlerseite erfreulichen Deutlichkeit wird in der Urteilsbegründung aufgezeigt:

 

„Spannungen zwischen Behandler und Patient, die aus wechselseitigen Frustrationsgefühlen resultieren können, sind … nur bedingt tauglich, die Unzumutbarkeit zu begründen. Die Eingliederung von Zahnersatz ist in besonderem Maße von wechselseitigem Vertrauen abhängig, von der Einsicht in die Komplexität und Dauer der Behandlung einerseits, in die Ängste und Beschwerden des Patienten andererseits und – nicht selten – vom gehörigen Maß an aufzubringender Geduld. Nur ein Verhalten des Zahnarztes, das aus Sicht eines durchschnittlich robusten Patienten, der Einsicht in die Problematik der Behandlung zeigt, als nicht mehr hinnehmbar erscheint, wird für sich genommen ausreichen, die Behandlung einseitig abzubrechen.“

 

Das Gericht geht davon aus, dass dem Patienten ein gewisser, objektiv zu ermittelnder Grad von Einsicht und Geduld abverlangt werden darf. Wie langwierig sich ein Nachbesserungsprozess zumutbarerweise gestalten darf, hängt jedoch weiterhin stets von den Umständen des Einzelfalles ab.