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31.08.2017·Implantatberatung Lange Beratungen: Adäquates Honorar möglich?

·Implantatberatung

Lange Beratungen: Adäquates Honorar möglich?

| Vor allem bei implantologisch tätigen Zahnärzten sind die Beratungen oft zeitintensiv. Sie werden bei sehr umfangreichen Beratungen keinesfalls kostendeckend honoriert. In diesem Beitrag geht es um die Frage, welche Gebührenziffern zur Verfügung stehen und ob eine analoge Berechnung möglich ist. PI zeigt die Fakten und mögliche Lösungen auf. | 

Die finanzielle Problematik

1988 wurde im Rahmen der damaligen GOZ-Novellierung die Angabe von Punktmengen aufgenommen. Der Regierungsentwurf enthält dazu folgende Begründung: >„Im neuen System der Gebührenbemessung sollen auch die Steigerungssätze nicht mehr die Funktion haben, die wirtschaftliche Entwicklung aufzufangen; diese Funktion hat nach der neuen GOÄ der Punktwert übernommen“ (BR-Drs. 551/64, S. 46). Zuletzt wurden die Punktwerte zum 01.01.1988 angepasst. In der Zwischenzeit sind 29 Jahre vergangen. Der Punktwert der GOÄ 1996 wurde leicht angehoben. Der in § 5 Abs. 1 GOZ 2012 enthaltende Punktwert liegt rund 3,5 Prozent unter dem der GOÄ.

 

Die Beratungen sind massiv unterbewertet und entsprechen von der Punktzahl her schon lange nicht mehr den zeitintensiven Aufklärungen, die zuletzt durch § 630 BGB im Februar 2013 noch verschärft worden sind. Für die Abrechnung zeitintensiver Aufklärungs- und Beratungsgespräche stehen Zahnärzten keine adäquaten Gebührenpositionen zur Verfügung. Eine ausführliche Beratung ist nach der GOÄ-Nr. 3 ab zehnminütiger Beratungszeit berechenbar:

 

GOÄ-Nr.
Leistungsbeschreibung
Punkte
2,3-fach

3

Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung ‒ auch mittels Fernsprecher

150

20,10

 

Bei drei eingehenden Beratungen mit je 20 Minuten in einer Stunde wird bei 2,3-fachem Gebührensatz ein Honorar in Höhe von rund 60 Euro erzielt. Selbst wenn der 3,5-fache Gebührensatz angewendet wird, ergibt sich unter gleicher Prämisse ein Stundenhonorar von rund 90 Euro. Damit sind die Beratungszeiten keinesfalls kostendeckend zu erbringen.

 

Zudem gelten massive Abrechnungseinschränkungen. Die Leistung nach GOÄ-Nr. 3 ist berechnungsfähig als einzige Leistung oder im Zusammenhang mit einer Untersuchung nach den GOÄ-Nrn. 5, 6, 7, 8, 800 oder 801. Andere Leistungen wie ein OPG oder eine Behandlung überempfindlicher Zähne dürfen nicht neben der GOÄ-Nr. 3 berechnet werden. Weiterhin ist eine mehr als einmalige Berechnung im Behandlungsfall zu begründen.

 

Betriebswirtschaftlich betrachtet kann der Zahnarzt bei 3,5-fachem Gebührensatz nur acht Minuten aufwenden, um ein Stundenhonorar von 230 Euro zu erzielen. Dann ist jedoch die Bestimmung mit den mindestens zehn Minuten Dauer nicht erbracht und die Gebührenziffer nicht berechenbar.

Kann die GOÄ-Nr. 34 das Honorar retten?

Die GOÄ-Nr. 34 kann ab einer Beratungszeit von 20 Minuten angesetzt werden. Die Leistungslegende lautet:

 

GOÄ-Nr.
Leistungsbeschreibung
Punkte
Faktor 2,3

34

Erörterung (Dauer mindestens 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung ‒ ggf. einschließlich Planung eines operativen Eingriffs und Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken ‒ einschließlich Beratung ‒ ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen

300

40,23

 

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden, dass der behandelnde Zahnarzt die GOÄ-Nr. 34 im Zusammenhang mit einer voroperativen Aufklärung bei diagnostizierter chronischer Parodontitis zu Unrecht angesetzt hat. Zitat:

 

  • Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21.10.2016, Az. 19 K 4392/15

„Wie sich aus der gemeinsamen Aufführung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung in Ziffer 34 GOÄ ergibt, muss die nach Ziffer 34 GOÄ abrechenbare Beratungsleistung im Zusammenhang mit einer gravierenden Erkrankung wie z. B. Karzinom, Leukämie, Morbus Hodgkin, Aids, Hypertonie, schwere Unfallverletzungen, schwere Lungenentzündung, rheumatische Erkrankungen, Diabetes mellitus oder Asthma bronchiale erbracht werden, vgl. Brück, Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., Stand Januar 1996, GOÄ 34, Rdnrn. 1 und 3.“

 

Das Landgericht Detmold lehnte die Berechnung der GOÄ-Nr. 34 im Zusammenhang mit einer Implantatversorgung ab.

 

  • Landgericht Detmold, Urteil vom 18.06.2014, Az. 1 O 230/12

„Entgegen der Einwendung der Klägerin (PVS) handelt es sich bei einer Implantatversorgung nicht um s‚besonders schwerwiegende Umstände‘, die in einem Beratungsgespräch Gegenstand der Erörterung sind/waren. Auf die Umstände einer Implantateinbringung ist lediglich in aller Kürze einzugehen. Dies gilt für den Beklagten insbesondere, da er durch die frühere Verabreichung eines Implantats im Jahr 2005 bereits ‚implantaterfahren‘ war.“

 

Kann die GOÄ-Nr. 34 analog berechnet werden?

Eine Analogziffer kann nur dann berechnet werden, wenn es sich um eine selbstständige zahnärztliche Leistung handelt, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen ist. Dabei kann eine gleichwertige Leistung nach § 6 Abs. 2 aus der GOÄ berechnet werden. Allerdings gibt es dort eine Beratungsgebühr. Laut der GOÄ-Nr. 3 ist diese Ziffer für eine Beratung ab einer Dauer von zehn Minuten ansatzfähig. Eine zeitliche Begrenzung ist nicht enthalten, sodass diese bei umfangreichen Beratungen nach § 5 Abs. 2 GOZ bis zum 3,5-fachen Gebührensatz und/oder über eine Vereinbarung der Vergütungshöhe ohne Faktorbegrenzung gesteigert werden kann.

Wie kann ein kostendeckendes Honorar erzielt werden?

Der beratungsintensive Patient sollte zwei Termine erhalten:

 

  • Termin 1: Eingehende Untersuchung, kurze Erstberatung, eventuell Abformungen für Planungsmodelle.

 

  • Termin 2: Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung der Vergütungshöhe für GOÄ-Nr. 3. Die folgenden Gebührensätze ergeben das je nach Praxisstundensatz notwendige Honorar: Faktor 4,2 => 36,71 Euro; Faktor 5,0 => 43,70 Euro; Faktor 6,2 => 54,19 Euro; Faktor 7,0 => 61,18 Euro; Faktor 8,2 => 71,67 Euro; Faktor 9,0 => 78,66 Euro; Faktor 12,5 => 109,25 Euro.

 

Die schriftliche Vereinbarung der Vergütungshöhe ist die einzige rechtssichere Möglichkeit, um für die aufgewendete Zeit ein akzeptables Honorar zu erzielen. Die Einhaltung der formellen Anforderungen ist zu beachten. Folgende Rechtsprechung liegt dazu vor:

 

  • Das Amtsgericht (AG) Düsseldorf hat am 21.01.2016 (Az. 27 C 11833/14, Abruf-Nr. 146449) entschieden, dass im konkreten Fall die Honorarvereinbarung mit hohen Steigerungssätzen rechtswirksam war.

 

  • Das AG Düsseldorf hat am 25.06.2015 (Az. 27 C 9542/13, Abruf-Nr. 144899) eine Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ auf ihre Wirksamkeit und Begründungspflicht überprüft. Auch wenn einige Gebührenziffern um das Doppelte bzw. mehr als das Doppelte gesteigert waren, stand das im Einklang mit der GOZ. Der Zahnarzt müsse seinen Praxisbetrieb nicht zwingend an einer kostengünstigen Behandlung ausrichten, sondern er darf auch darum bemüht sein, hinsichtlich der Präzision und Qualität seiner Leistungen den jeweils bestmöglichen Standard der gegenwärtigen zahnmedizinischen Wissenschaft zu gewährleisten.

Ist eine Sanierungsplanung berechenbar?

Weder in der GOÄ noch in der GOZ gibt es eine Ziffer für einen Sanierungsplan. Ob eine freie individuelle Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Patient für das zeitintensive Erfassen, Koordinieren und Beraten möglich ist, sollte von einem Juristen geprüft werden. Anhand eines Sanierungsplans erfolgt die Koordination der einzelnen Heilbehandlungsschritte. Dabei werden Maßnahmen wie die Prophylaxe, chirurgische, konservierende, parodontologische, funktionsanalytische und implantologische Leistungen sowie die Koordination mit Ärzten, Physiotherapeuten und Zahntechnikern definiert, durchgeführt und überwacht. Er berücksichtigt Maßnahmen, Zeitabfolge und Abhängigkeiten.

 

Ob alternativ zur freien Vereinbarung eine Analogberechnung möglich ist, sollte schriftlich mit den Fakten an die Zahnärztekammer herangetragen werden.

 

Weiterführender Hinweis

  • Beachten Sie zu dieser Thematik auch den Beitrag „Kostenerstatter beanstandet die Ä34 – was tun?“ in PI 01/2014, Seite 15.