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27.05.2019·Implantologie Gezüchteter Knochen aus dem Bauchfell ‒ auch für die dentale Implantation geeignet

·Implantologie

Gezüchteter Knochen aus dem Bauchfell ‒ auch für die dentale Implantation geeignet

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZahnmedizinReport, Berlin

| Die In-vivo-Züchtung von Knochen könnte eine Alternative zur autogenen Knochentransplantation sein. Der erste menschliche Fall einer Unterkieferrekonstruktion mit einem Bauchfell (Omentum majus) als Bioreaktor wurde 2016 gemeldet. Eine Studie aus Kiel zeigt, dass de novo gezüchteter Knochen zu einer erfolgreichen Osseointegration führt und daher auch eine implantatgestützte prothetische Rehabilitation ermöglichen kann. [1] |

Autologes freies Knochenimplantat ‒ noch der „Goldstandard“

Die Rekonstruktion von Unterkieferknochen nach Teilresektion bei der Tumorchirurgie, nach Traumata, Infektionen oder angeborener Fehlbildung ist auch heute noch eine Herausforderung für den MKG-Chirurgen, insbesondere nach Radiotherapie oder bei Patienten, die eine Knochenentnahme aus anderen Körperbereichen ablehnen. Das autologe freie Knochentransplantat ist immer noch „Goldstandard“, da es die Vorteile von Osteogenese, Ost

 

eoinduktion und -konduktion vereinigt. Das Transplantat kann mikrochirurgisch anastomosiert zur Rekonstruktion genutzt werden. Nachteile sind, dass für die Entnahme eine Zusatzoperation notwendig ist; darüber hinaus die Probleme der begrenzten Verfügbarkeit sowie der genauen Passform.

„Tissue Engineering“ mit Erfolgen in der UK-Rekonstruktion

Mittlerweile haben Wissenschaftler durch „Tissue Engineering“ mit rekombinantem Bone Morphogenetic Protein (rhBMP) bereits Erfolge in der Unterkieferrekonstruktion erzielen können. Doch die Durchblutung von größeren Knochenkonstrukten stellt ein Hauptproblem dar. Prävaskularisierung in vitro hat sich als schwierig dargestellt. Daher wurde der große Rückenmuskel (Musculus latissimus dorsi) als In-vivo-Bioreaktor genutzt, um Knochentransplantate zu präfabrizieren: Die Transplantate (PCBF= prefabricated customized bone flaps) wurden mittels BMP-benetztem Knochenersatzmaterial gebildet und durch ein dreidimensionales Netz aus Titan („Titanmesh“) individuell geformt. Dieses wurde in den Muskel implantiert, um eine Osteogenese und Vaskularisation zu ermöglichen. Die Blutzufuhr erfolgt aus dem Gefäßstiel des Muskels.

 

Kieler Wissenschaftler um Prof. Dr. Hendrik Terheyden hatten bereits 2007 ein Gemisch aus Knochenersatzmaterial, Stammzellen aus dem Knochenmark des Patienten und biologische Wachstumsfaktoren in einem Titanmesh in den Rückenmuskel des Patienten implantiert. Binnen sieben Wochen war die Knochenbildung soweit fortgeschritten, dass der Käfig in den Kiefer eingebaut werden konnte. Es konnte bewiesen werden, dass das individuell präfabrizierte Knochentransplantat die Entnahmemorbidität senkt und die 3D-Form des benötigten Knochensegments hergestellt werden konnte. [2]

 

Allerdings stellt die Entnahme des M. latissimus dorsi für den Patienten immer noch eine belastende Operation dar, sodass nach weniger invasiven Möglichkeiten gesucht wird, um Knochen zu präfabrizieren. Probleme des M. latissimus dorsi sind ebenfalls die große Muskelmanschette bei der Transplantation und die geringe Zellzahl.

Omentum majus als Präfabrikationsort

Das Omentum majus wurde bereits mehrmals beschrieben als Transplantat zur Deckung von Weichgewebsdefekten im Kopf-Hals-Bereich. Der große Vorteil liegt in der hohen Flexibilität durch eine dünne Bindegewebsmanschette. Zudem wird eine hohe Präsenz an hämatopoetischen Stammzellen angenommen, da auch ohne Zugabe von Wachstumsfaktoren Knochen gebildet werden konnte. Die Vaskularisation hat einen wichtigen Einfluss auf das Knochenwachstum, das im Bauchfell durch die Dichte an Blutgefäßen und ein hohes Angiogenesepotenzial ebenfalls einzigartige Bedingungen hervorbringt. [3]

 

So versuchen Wissenschaftler, im Labor Knochenimplantate zu züchten: Als Erstes werden aus einem Stück Bauchfell vom Schwein alle Schweinezellen entfernt. Die Blutgefäße bleiben jedoch erhalten. Dann wird das Bauchfell, das hauptsächlich aus Kollagen besteht, mit Knochenersatzmaterial und Stammzellen des Patienten gefüllt. Das Omentum majus weist als Präfabrikationsort große Vorteile auf: hohe Flexibilität durch eine dünne Bindegewebsmanschette, hohe Präsenz an hämatopoetischen Stammzellen sowie die Möglichkeit der Bildung eines Zentralgefäßes.

 

Dass das Omentum majus als Bioreaktor für eine Knochenpräfabrikation zur Rekonstruktion von Unterkieferdefekten dienen kann, haben Versuchsreihen an der Universität Schleswig-Holstein im Jahr 2016 gezeigt. Dort wurde das Knochengewebe-Engineering im Omentum majus von neun Miniaturschweinen unter Verwendung von knochenmorphogenetischem Protein-2, Knochenmark-Aspirat und drei verschiedenen Gerüsten durchgeführt: Hydroxylapatit, biphasisches Kalziumphosphat (BCP) und Titan. Nach 8 Wochen wurden zwei Implantate in jedes Gerüst gesetzt; nach weiteren 8 Wochen wurden die Knochenblöcke für die radiologische, histologische und histomorphometrische Analyse entnommen. Alle Implantate zeigten eine ausreichende Primärstabilität, die Erfolgsrate betrug 100 Prozent. Die Knochen-Implantat-Kontaktverhältnisse (BICs) betrugen in den Hydroxylapatit-, BCP- bzw. Titangruppen 38,2, 68,5 und 42,9 Prozent, die Inter-Thread-Knochendichten 29,4, 64,9 und 33,5 Prozent und die periimplantären Knochen-Gerüstdichten 56,4,  87,6 und 68,6 Prozent. Der BIC korrelierte stark mit der periimplantären Knochen-Gerüstdichte. [1] Jetzt geht es um die Frage, ob solch gewonnener Knochen auch zum Auffüllen von Knochendefekten für die dentale Implantation geeignet ist.

 

Quellen

  • [1] Naujokat H et al. Osseointegration of dental implants in ectopic engineered bone in three different scaffold materials. International Journal of Oral and Maxillofacial Surgery 2019; online 30.4.2019.
  • [2] Terheyden H. „Knochenzüchtung ‒ geht das?“. Vortrag auf der 20. Jahrestagung der DGI und 7. Jahrestagung des Landesverbandes Bayern im DGI, München, 3.5‒5.5.2007.
  • [3] Projektbeschreibungen der Universität Schleswig-Holstein.

 

Literatur