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03.03.2011 |Patientenaufklärung Aufklärungspflicht bei einer Arbeitsteilung zwischen Implantologe und Prothetiker

03.03.2011 |Patientenaufklärung

Aufklärungspflicht bei einer Arbeitsteilung zwischen Implantologe und Prothetiker

von Ralf Lächler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht,
Dr. Kroll & Partner, Stuttgart/Reutlingen/Balingen, www.kp-recht.de

Neben der Risikoaufklärung im Haftpflichtbereich spielt zunehmend in Honorar-Auseinandersetzungen zwischen Arzt und Patient die Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht eine bedeutsame Rolle. Ausgehend von einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ vorsieht, hat sich eine eigenständige Rechtsprechung etabliert, was die Anforderungen an die wirtschaftliche Aufklärungspflicht betrifft.  

Der Patient soll vor Überraschungen geschützt werden

Nach der Rechtsprechung soll dem Patienten eine Größenordnung der voraussichtlich anfallenden Kosten vermittelt werden, was in der Regel über die Erstellung eines Heil- und Kostenplans erfolgt. Der Patient soll vor finanziellen Überraschungen geschützt werden (siehe LG Traunstein, Urteil vom 20. Mai 2009, Az: 3 O 3429/06; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14. September 2006, Az: 12 U 31/06). 

 

Strittig sind Fälle, in denen der Erstbehandler (Implantologe) eine eigene Kostenschätzung abgibt, allerdings dem Patienten keine Angaben machen kann oder möchte, was die notwendigen Folgebehandlungskosten beim Hauszahnarzt (Prothetiker) betrifft. Hier droht ein Vorwurf unzureichender wirtschaftlicher Aufklärung, wenn der Patient im Anschluss nach einer Implantat- und Prothetikversorgung behauptet, er sei vom Implantologen nur über dessen Kosten informiert worden, nicht aber über die Gesamtkosten. 

Wirtschaftliche Aufklärung als Nebenpflicht nicht gesetzlich geregelt

Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht ist lediglich eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Es handelt sich nach ständiger Rechtsprechung um Dienstvertragsrecht. Die Nebenpflichten sind nicht gesetzlich geregelt, sondern Ergebnis einer Entwicklung der Rechtsprechung. Üblicherweise wird der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht durch die Erstellung des Heil- und Kostenplans und einem Aufklärungsgespräch Rechnung getragen. Dies gilt insbesondere für umfangreiche prothetische bzw. implantologische Behandlungen. 

 

Wie die Risikoaufklärung muss auch die wirtschaftliche Aufklärung rechtzeitig – vor der Behandlung – und adäquat erfolgen. Eine Delegation auf nichtärztliches Personal ist zulässig. Es wird empfohlen, das Datum und den Inhalt des Aufklärungsgesprächs zu dokumentieren und einen vom Versicherten unterschriebenen Heil- und Kostenplan zur Patientenakte zu nehmen. Bei Änderungen des Behandlungskonzepts muss bei Kostenerhöhung ein zusätzlicher Hinweis – gegebenenfalls unter Plankorrektur – erfolgen. Die Musterberufsordnung sieht vor, dass ein Patient bei Änderungen des Gebührenaufwandes unverzüglich informiert werden sollte, sobald sich die Umstände im Rahmen der laufenden Behandlung ändern und dies Kosteneffekte hat (§ 15 Abs. 2 Musterberufsordnung – MBO). Bei korrekter Führung der Dokumentation genießt diese nach der BGH-Rechtsprechung die „Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit“. 

Aufklärung über Erstattungsverhalten der PKV erforderlich?

Streitpunkt vor den ordentlichen Gerichten ist gelegentlich die Frage, ob der Zahnarzt, der Kenntnis von einem restriktivem Erstattungsverhalten eines Krankenversicherers hat, den Patienten hierüber ausdrücklich aufklären und ihn über die Zweifel bezüglich der Erstattungsfähigkeit zu unterrichten hat. Es ist fraglich, ob bei der Annahme einer Hinweispflicht des Zahnarztes diese davon abhängig gemacht werden kann, ob eine Versicherung als besonders restriktiv und zurückhaltend im Erstattungsverhalten eingestuft werden kann. 

 

Das Kammergericht Berlin hat bereits in einer Entscheidung vom 21. September 1999 (Az: 6 U 261/98) eine Vertragspflichtverletzung wegen eines fehlenden Hinweises angenommen. Es handelt sich um einen Fall, in dem der Zahnarzt Kenntnis vom Erstattungsverhalten der Krankenversicherung seines Patienten hatte. Aufgrund dieser Kenntnis durfte der Behandler erhebliche Zweifel hinsichtlich der Kostenübernahme hegen. Somit ergab sich aus Sicht des Kammergerichts eine Hinweispflicht bezüglich der Kostenrisiken.  

OLG Köln: Anforderungen dürfen nicht überspannt werden

Auf eine wichtige Entscheidung des OLG Köln vom 21. Oktober 1985 (Az: 7 U 50/85, Abruf-Nr. 110744) sei an dieser Stelle hingewiesen. Der 7. Zivilsenat hatte zutreffend angemerkt, dass die Anforderungen an diese Nebenpflichten nicht überspannt werden dürfen. Es sei nicht Aufgabe des Zahnarztes, sich um Erstattungsfragen zu kümmern. Dies wird durch das LG München I bestätigt: Am 12. Juni 2003 (Az: 10 O 5870/0, Abruf-Nr. 110745) hat es entschieden, dass den Zahnarzt keine Verpflichtung trifft, sich um die Vermögensinteressen seiner Patienten zu kümmern. Allerdings gilt selbst bei Auferlegung zusätzlicher Hinweispflichten bezüglich möglicher Erstattungsprobleme: Der Patient muss nachweisen, dass ein entsprechender Kenntnisstand auf Arztseite vorlag und diesen infolge nicht oder nicht rechtzeitiger Aufklärung über mögliche Erstattungsrisiken ein Verschulden traf. 

Arbeitsteilung und Aufklärung: Was ist zu beachten?

Eine Sonderproblem der Aufklärung berührt den Bereich des arbeitsteiligen ärztlichen Handelns. Üblicherweise überweist der Hauszahnarzt seinen Patienten an einen Implantologen. Kommt es zur Implantatbehandlung, wird der Patient regelmäßig beim Hauszahnarzt die Prothetikversorgung erhalten. Für die Kostenaufklärung birgt dieses Vorgehen Probleme: Kann dem Implantologen abverlangt werden, Angaben über die gesamten Behandlungskosten zu machen, obgleich Prothetikkosten von ihm weder vorhersehbar sind noch taxiert werden können, da die Behandlung alio loco durchgeführt wird bzw. die Art der Durchführung noch nicht feststeht?  

 

Hier dürften zwei Aspekte relevant sein: Einerseits ist sicherlich die Grenze einer wirtschaftlichen Aufklärungspflicht erreicht, wenn der Verantwortungs- und Kompetenzbereich des Arztes verlassen wird. Gleichzeitig bedarf es andererseits einer wirtschaftlichen Aufklärung „im Großen und Ganzen“ aus Sicht des Patienten, wenn dieser sich im Vorfeld über die Folgen seiner Entscheidung – Durchführung einer Implantatbehandlung nebst Prothetikversorgung – informieren möchte, um dann eine qualifizierte Entscheidung treffen zu können.  

Exakte Kostenschätzung für Suprakonstruktion nicht möglich

Der Umfang dieser Hinweispflicht betreffend alio loco anfallender Behandlungskosten ist strittig. Eine exakte Kostenschätzung kann dem Implantologen nicht abverlangt werden, da ihm dies unmöglich ist. Der Implantologe sollte seinem Patienten daher den Hinweis erteilen, dass dieser sich zur weiteren Abklärung der Prothetikkosten an den Hauszahnarzt zu wenden hat. In jedem Falle sollte ihm gesagt werden, dass die Prothetikkosten obligatorisch hinzutreten.  

 

Verständigungs- oder Beweisprobleme können auch auftreten, wenn zunächst offenbleibt, wer die Suprakonstruktion anfertigt. Beziehen sich die zunächst genannten Zahlen auf Gesamtkosten oder nur Implantatkosten? Im Zweifel müssen die Gerichte Beweis erheben (siehe LG Stade, Urteil vom 24. Juni 2004, Az: 4 O 311/03, Abruf-Nr. 110746). 

Je kostspieliger die Behandlung, desto intensiver die Aufklärung

Da sich der Umfang der Aufklärungspflicht stets nach den Umständen des Einzelfalles richtet und insbesondere nach der wirtschaftlichen Bedeutung für den Patienten und dessen Aufklärungsbedürftigkeit, wird sich die Aufklärungstiefe auch nach den Kostenfolgen zu richten haben. Je kostspieliger die Behandlung, desto intensiver hat der Zahnarzt nicht zuletzt zur Absicherung seines Honoraranspruchs die wirtschaftliche Aufklärung des Patienten durchzuführen, gegebenenfalls unter Hinweis auf drohende Erstattungsrisiken (vergleiche OLG Köln, Urteil 17. November 2004, Az: 5 U 44/04, Abruf-Nr. 110747). 

Rechtsfolgen bei Verletzung der Aufklärungspflicht

Die wirtschaftliche Aufklärung stellt eine vertragliche Nebenpflicht dar. Deren Verletzung löst einen Schadensersatzanspruch aus, der auf eine Freistellung von Verbindlichkeiten des Patienten gerichtet ist, die dieser ansonsten nicht eingegangen wäre. Unterlässt der Implantologe nach Zuweisung den Hinweis vor Behandlungsbeginn, dass über seine ggf. durch Behandlungsplan bereits klar offengelegten Kosten hinaus weitere Kosten durch Prothetikversorgung anfallen, gefährdet er seinen Honoraranspruch. Fazit: Bei einer standardisierten wirtschaftlichen Aufklärung (Checkliste) sollte der Implantologe immer über die voraussichtlichen Gesamtkosten aufklären.