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30.08.2013·Recht „Flying Doctor“, Teil 2: Die Haftung gegenüber den Patienten

·Recht

„Flying Doctor“, Teil 2: Die Haftung gegenüber den Patienten

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de 

| Im ersten Teil im August-Heft wurden berufs- und vergütungsrechtliche Fallstricke honorarärztlicher Tätigkeit im ambulant-implantologischen Bereich skizziert. Der Schwerpunkt dieses zweiten Teils liegt dagegen allein auf haftungsrechtlichen Konsequenzen einer solchen Tätigkeit. Für den Praxisinhaber ergeben sich weitreichende Haftungsfolgen. Aber auch der „Flying Doctor“ kann unerwarteten Haftungsansprüchen ausgesetzt werden. |

Die Haftungssystematik

Um das Haftungsrisiko der auf Behandlerseite beteiligten Personen – namentlich des niedergelassenen Zahnarztes (Praxisinhaber) und des auf freiberuflicher Basis hinzugezogenen Implantologen („Flying Doctor“) – zu bewerten, muss man sich kurz die Struktur des Arzthaftungsrechts verdeutlichen. Möchte ein Patient Ansprüche gegen einen Arzt geltend machen – in der Regel auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtet -, so kommen hierfür grundsätzlich zwei Ansatzpunkte in Betracht: eine fehlerhafte Behandlung und eine fehlerhafte Aufklärung.

 

Beide Verpflichtungen lassen sich aus zwei voneinander unabhängigen Rechtsgrundlagen herleiten, nämlich zum einen aus einem Behandlungsvertrag und zum anderen aus der rechtswidrig-schuldhaften Verletzung der körperlichen Integrität (Körper bzw. Gesundheit; sogenanntes „Delikt“). Praxisinhaber und „Flying Doctor“ werden vermutlich von folgenden Grundlagen ihres Zusammenwirkens ausgehen:

 

  • Der Behandlungsvertrag soll zwischen Praxisinhaber und Patient bestehen.
  • Die Liquidation soll allein durch den Praxisinhaber erfolgen.
  • Der „Flying Doctor“ wird ausschließlich für die implantologischen Leistungen hinzugezogen.

Die Haftung des Praxisinhabers

Erfolgt die Behandlung allein in den Praxisräumen des Praxisinhabers und ist der „Flying Doctor“ im Außenauftritt des Praxisinhabers (Praxisnamen, Praxisschild, Briefbogen, Internetauftritt etc.) nicht namentlich erwähnt, so muss der Patient davon ausgehen, dass sein Vertragspartner allein der Praxisinhaber ist. Der Praxisinhaber schaltet den „Flying Doctor“ als Dritten ein, um die von ihm selbst mit dem Patienten vertraglich vereinbarten Verpflichtungen zu erbringen. Rechtlich hat der Praxisinhaber gegenüber dem Patienten damit für alle Fehler des „Flying Doctor“ einzustehen – obwohl er die Ordnungsgemäßheit von dessen Tun unter Umständen mangels erforderlicher fachlicher Kenntnisse möglicherweise gar nicht beurteilen geschweige denn überprüfen kann. Dies gilt sowohl für Behandlungsfehler als auch für etwaige Aufklärungsmängel. Insbesondere spezielle aufklärungspflichtige Inhalte mögen dem durchschnittlichen Praxisinhaber aber gar nicht bekannt sein.

 

Dabei ist im Zusammenhang mit der Aufklärung vor allem an die Aufklärung über die Behandlungsalternativen – das „Ob“ einer Implantatversorgung – und die Höhe der Behandlungskosten – wirtschaftliche Aufklärung – zu denken. Letztgenannte hat nach dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes gemäß § 630c Abs. 3 BGB insbesondere vor Behandlungsbeginn in Textform zu erfolgen, wenn der Behandelnde weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder wenn sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben. Etwaige Koordinationsmängel zwischen Praxisinhaber und „Flying Doctor“ gehen also vor allem zu Lasten des Praxisinhabers.

Die Haftung des „Flying Doctor“

Auch wenn der „Flying Doctor“ nicht Vertragspartner des Patienten wird, kann der Patient dennoch Ansprüche aus Delikt gegen ihn geltend machen. Allerdings werden diese nicht weitergehender sein können als der „Wirkungskreis“ des „Flying Doctor“ reicht. Eine Zurechnung von etwaigen Versäumnissen des Praxisinhabers zu Lasten des „Flying Doctor“ wird nicht möglich sein. Der implantologisch tätige „Flying Doctor“ haftet für alle Fehler im Rahmen der implantologischen Behandlung einschließlich der zugehörigen Aufklärung. Im Falle eines Angestelltenverhältnisses müsste demgegenüber der Arbeitgeber (Praxisinhaber) den Angestellten von gegen ihn gerichteten Ansprüchen freistellen.

 

Je nach Lage des Sachverhalts kann sich jedoch auch eine weitergehende Haftung des „Flying Doctor“ ergeben. Wird er im Außenauftritt zum Beispiel namentlich erwähnt, kann eine gemeinsame Haftung mit dem Praxisinhaber in Betracht kommen – obwohl eine gemeinsame Berufsausübung (zum Beispiel Gemeinschaftspraxis) weder gewollt noch schriftlich vereinbart geschweige denn zulassungsrechtlich genehmigt sein wird. Dieser Aspekt kann schlimmstenfalls sogar vertragszahnarztrechtliche Rückzahlungsansprüche gegen beide Zahnärzte begründen.

Zusammenfassende Betrachtung

Die Einbindung von freiberuflich tätigen Ärzten in der Praxis eines niedergelassenen Zahnarztes ist rechtlich sehr problematisch. Die ambulante zahnärztliche Berufsausübung ganz ohne eigenen Praxissitz durch einen „Flying Doctor“ ist berufsrechtlichen bedenklich. Dem Praxisinhaber sind durch den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung enge Grenzen in Bezug auf Erbring- und Abrechenbarkeit ärztlicher Leistungen Dritter gesetzt, die einer Einbindung eines „Flying Doctor“ entgegenstehen. Der implantologisch nicht beschlagene Praxisinhaber setzt sich unüberschaubaren Haftungsrisiken aus, wenn er im eigenen Namen implantologische Leistungen durch Dritte erbringen lässt. Andere Gestaltungsvarianten über Teilanstellungen oder eine (teilweise) gemeinsame Berufsausübung dürften rechtssicherer sein.