Uncategorized

31.05.2016·Zahnmedizin Der Misserfolg – Instrument zur Patientenbindung?

·Zahnmedizin

Der Misserfolg – Instrument zur Patientenbindung?

von Dr. Georg Taffet, Rielasingen-Worblingen

| Als Mediziner schulden wir unserem Patienten laut Gesetz eine einwandfreie, den Regeln der ärztlichen bzw. zahnärztlichen Kunst entsprechende Behandlung. Wir gehen mit ihm einen Behandlungsvertrag ein – juristisch gesehen ist es ein „Dienstvertrag“. Eine Garantie für den Behandlungserfolg können wir aber nicht abgeben: Zu groß ist der Einfluss der biologischen Unwägbarkeiten, der individuellen Reaktionen des Patienten. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Umgang des Patienten mit seiner Krankheit und mit unserer Behandlung: Befolgt er die Anweisungen oder geht er eher locker damit um? Nimmt er verschriebene Medikamente ein oder nicht? |

Wie sieht das in der zahnärztlichen Implantologie aus?

Selbstverständlich gilt auch hier der Grundsatz: Wir schulden eine medizinisch und korrekte Dienstleistung. Den Erfolg können wir nicht garantieren. Ich als Implantologe bin also berechtigt, dem Patienten für die Entfernung eines nicht osseointegrierten, von mir vor Kurzem gesetzten Implantats eine Rechnung zu stellen. Er ist gesetzlich verpflichtet, mich auch für die erfolglose Implantation zu bezahlen, wenn kein erkennbarer Behandlungsfehler vorlag.

 

Googelt man heute „Erfolgsquote Zahnimplantat“, so findet man Ergebnisse zwischen 90 und 99,5 Prozent über einen Zeitraum von fünf Jahren. Noch immer ist weltweit wissenschaftlich keine einzige Titanunverträglichkeit dokumentiert. Das sind für die Medizin sensationelle Erfolgsquoten! Ich habe zum Vergleich die „Erfolgsquote Hüftgelenkprothese“ gegoogelt, aber keinerlei Zahlen finden können. Offensichtlich variieren hier die Quoten sehr stark und das Misserfolgsrisiko ist in diesem Bereich um ein Vielfaches höher.

Für den Betroffenen ist der Misserfolg hundertprozentig

Ich muss also damit rechnen, dass 1 bis 5 Prozent der von mir gesetzten Implantate nicht regelrecht osseointegrieren werden. Es wird somit immer wieder ein Patient mit „langem Gesicht“ vor mir sitzen, dem ich schonend beibringen muss, dass er einer von nur durchschnittlich 2,5 Prozent der Patienten ist, bei denen die Implantation nicht zum Erfolg geführt hat. Allerdings sollte ich dabei nicht vergessen, dass der Misserfolg für diesen konkreten Patienten – aus seiner Perspektive – ein hundertprozentiger Misserfolg ist. Eine gewisse Enttäuschung ist bei ihm daher nur allzu verständlich.

Sollte man den Patienten trotz Misserfolg zahlen lassen?

Nun erkläre ich ihm objektiv die Rechtslage und teile ihm mit, dass ich alles richtig gemacht und meine Dienstleistung „lege artis“ erbracht habe. Der Misserfolg liegt in seiner Verantwortung – es war ja schließlich sein Körper, der „das Implantat nicht angenommen hat …“ Das ist rechtlich einwandfrei. Aber ist es auch ethisch vertretbar, den Patienten für einen Misserfolg zur Kasse zu bitten? Sehe ich diesen Patienten jemals wieder? Sehe ich jemals wieder einen aus seinem Familien- und Freundeskreis? Jeder Kollege und jede Kollegin muss diese Fragen für sich selbst beantworten.

Unsere Position: Kulanz in den wenigen Misserfolgs-Fällen

Wie handhaben wir das? Ich habe beschlossen, dass ich es mir wirtschaftlich leisten kann, in den wenigen Misserfolgs-Fällen kulant zu sein: Wir klären den Patienten sehr wohl über die Rechtslage auf, solidarisieren uns aber gleichzeitig mit ihm: „Lieber Patient, Sie haben leider Pech! Wir lassen Sie mit Ihrem Pech aber nicht allein. Sie können sich auf uns verlassen!“ Für die wenige Minuten dauernde Explantation stellen wir keine Rechnung. Nach einer angemessenen Abheilzeit implantieren wir in das gleiche Gebiet ein neues Implantat. Ohne es erneut zu berechnen. Der Patient behält EIN Implantat und er zahlt uns auch nur EIN Implantat. Wir sagen ihm: „Dass einer der seltenen Implantatverluste gerade Sie betroffen hat, ist großes Pech. Wir sind aber ein Team und teilen uns die Risiken und Unannehmlichkeiten: Sie, lieber Patient, müssen noch einmal hinhalten, wir werden es noch einmal machen. “

Exkurs: Ist ein Honorarverzicht rechtlich überhaupt zulässig?

Dazu die Stellungnahme eines Rechtsanwalts: „Ein Honorarverzicht ist berufsrechtlich nur in engen Grenzen zulässig. Die Honorarforderung muss insbesondere angemessen sein (vergleiche z. B. § 15 Abs. 1 Berufsordnung der Zahnärztekammer Baden-Württemberg). Die unlautere Unterschreitung – insbesondere der gänzliche Verzicht – ist berufsrechts- und wettbewerbsrechtswidrig. So sagt z. B. das LG München im Urteil vom 8. Dezember 2009 (Az. 37 O 16059/09) zur GOÄ: „Die kostenlose Erbringung ärztlicher Leistungen mit der Absicht, Patienten zu gewinnen, die sich später auch gegen Honorar behandeln lassen, stellt ein unlauteres Unterschreiten der Sätze der GOÄ dar.“

 

Meine Position dazu: Räumt mir mein Patient das Nachbesserungsrecht ein, habe ich es einvernehmlich selbst dann, wenn keine Nachbesserungspflicht besteht. Es steht mir also frei, diese Nachbesserung auszuführen, indem ich das fehlgeschlagene Implantat explantiere und später an gleicher Stelle ein neues implantiere. Selbstverständlich kann ich für eine Nachbesserung meiner fehlgeschlagenen Behandlung dann keine Rechnung stellen.

Besser Stammpatienten halten als neue zu akquirieren

Nun stellen sich Fragen: Wird dieser Patient wiederkommen? Wird er mich weiterempfehlen? Lohnt sich Kulanz in solchen Fällen betriebswirtschaftlich für die Praxis? Meine Antworten: Das nicht osseointegrierte Implantat wird der Hersteller in der Regel ersetzen, die entstandenen Praxiskosten übernehmen wir. Die Investition, dem Stammkunden zu signalisieren, dass er bei uns König ist, fällt also recht gering aus. Es ist erwiesen, dass es viel teurer ist, über Marketing und Werbung neue Kunden zu akquirieren, als die vorhandene Stammkundschaft zu halten. Wir tun also alles, was nötig ist, um die Stammkunden zufriedenzustellen. Und das ist ganz sicher der bessere Weg.