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02.07.2013·Recht Inhaltliche Anforderungen und rechtlicher Rahmen des zahnärztlichen Notdienstes

·Recht

Inhaltliche Anforderungen und rechtlicher Rahmen des zahnärztlichen Notdienstes

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de

| Die Teilnahme am zahnärztlichen Notdienst ist für jeden niedergelassenen Zahnarzt obligatorisch. In diesem Beitrag werden die inhaltlichen und rechtlichen Anforderungen an eine zahnärztliche Notfallbehandlung skizziert. |

 

Definition des Notdienstes und Teilnahmepflicht

In den Berufs- und Notdienstordnungen ist lediglich der formale Ablauf des Notdienstes geregelt. Der Begriff „Notdienst“ umschreibt die ärztliche Versorgung außerhalb der Sprechzeiten. Jeder niedergelassene ambulant tätige Zahnarzt ist zur Teilnahme am zahnärztlichen Notdienst verpflichtet. Die Einteilung erfolgt durch die Zahnärztekammern. In Ausnahmefällen kann von der Teilnahmeverpflichtung ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden. Die Fortbildungsverpflichtung bezieht sich auch auf den Notfalldienst.

 

Eine allgemeingültige Definition des Notfalls existiert nicht. Daher ist die Entscheidung eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung des behandelnden Zahnarztes. Eine telefonische Beratung vermag eine persönliche Untersuchung in der Regel nicht zu ersetzen. Dazu folgende Rechtsprechung:

 

  • OVG Münster, Beschluss vom 15. Juli 2005, Az. 13 E 466/04: Bei auf einen Unfall zurückzuführenden Zahnschäden ist eine persönliche Inaugenscheinnahme unerlässlich.
  • OVG Münster, Urteil vom 24. Januar 2007, Az. 13 A 2534/05: Kann ein Notfall nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, ist der Zahnarzt zu einer persönlichen Inaugenscheinnahme des Patienten verpflichtet.

 

Die telefonische Ablehnung einer persönlichen Untersuchung und der Verweis auf die Vorstellung im Krankenhaus sind mit Ausnahme offensichtlicher Behandlungsbedürftigkeit in einem Krankenhaus sogar berufsrechtswidrig.

 

Gemäß Stellungnahme der DGZMK ist zwischen einer absoluten und einer relativen Indikation für eine Notfallbehandlung zu differenzieren. Zu den absoluten Indikationen zählen alle Unfallverletzungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich, Nachblutungen nach zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen sowie vom Zahnsystem ausgehende fieberhafte und/oder eitrige Entzündungen. Angezeigt ist in diesen Situationen eine sofortige Intervention (zum Beispiel Kompression, Elektrokoagulation, Verbolzung bei Nachblutungen, Inzision bei vom Zahnsystem ausgehenden fiebrig-eitrigen Entzündungen).

 

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Notfallbehandlung auch weniger intensive Sachverhalte – wie die Beseitigung und Milderung von Schmerzen und die Behandlung von Erkrankungen von einigem Gewicht, deren Behandlung keinen Aufschub duldet – umfasst. Vom Zahnsystem ausgehende Erkrankungen mit dem Symptom Schmerz stellen eine relative Notfallindikation der. Zu veranlassen sind hier in der Regel schmerzausschaltende Maßnahmen (Trepanation, medikamentöse Einlage etc.).

Notdienst bei Implantat-Patienten

In welchem Umfang Leistungen mit implantologischem Bezug im Rahmen des Notfalldienstes behandlungsbedürftig sein können, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine die Behandlungsbedürftigkeit indizierende Schmerzsymptomatik wird nicht zwangsläufig vorliegen. Es erscheint angemessen, dass herausgefallene Verschlussschrauben und ähnliche kleinere Maßnahmen Aufschub bis zu einer regulären Behandlung erlauben. Gleiches kann bei Maßnahmen bei Frakturen von Schrauben oder von Suprakonstruktionen oder bei gelockerten Implantataufbauten gelten, soweit diese Maßnahmen nicht sogar mit einem ohnehin zu vermeidenden substanziellen Eingriff in die prothetische Versorgung selbst verbunden wären. Auch in diesem Fall sollten sie nicht im Rahmen des Notfalldienstes erfolgen.

 

Die Weiterverweisung eines Notfall-Patienten mit der Begründung, Werkzeug für ein bestimmtes Implantatsystem sei nicht verfügbar, kann dennoch valide sein, etwa wenn aus Gründen der Schmerzbehandlung die Lösung bestimmter Implantatteile zwingend erforderlich und mangels Spezialwerkzeugs nicht möglich sein sollte.

 

Generell gilt: Die zu leistende Hilfe kann sich ggf. auf eine „Notversorgung“ beschränken, muss aber weitergehende Komplikationen abwenden und darf eine adäquate Behandlung am Folgetag nicht unmöglich machen. Abzuraten ist wegen ihrer Irreversibilität von weitergehenden Behandlungen wie Zahnextraktionen oder Wurzelkanalaufbereitungen, aber auch von der Einleitung prothetischer Maßnahmen, da diese nicht nur über eine Erstversorgung hinausgehen, sondern meist auch mit der Zerstörung vorhandener prothetischer Versorgungen einhergehen und zum Teil vorher genehmigt werden müssen.

 

Die inhaltliche Beschränkung der Notfallbehandlung korreliert mit dem berufsrechtlichen Gebot der Kollegialität. Dem Zahnarzt ist es nicht gestattet, eine Notfallbehandlung über notwendigen Maßnahmen hinaus auszudehnen.

Rechtliche Folgerungen

Unzureichende oder nicht ordnungsgemäße Notfallbehandlungen können zivil-, straf- und disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche einerseits und straf- bzw. disziplinarrechtliche Sanktionen andererseits können nebeneinander bestehen. Strafrechtlich kommt eine unterlassene Hilfeleistung in Betracht.

 

Der zum Notdienst eingeteilte Zahnarzt ist bei einer Verhinderung verpflichtet, eine Vertretung zu stellen. Der Vertreter ist ein so genannter Verrichtungs-
gehilfe, für dessen Fehler der originär zum Notdienst verpflichtete Zahnarzt haftet. Dessen Haftung ist aber auf ein Auswahlverschulden beschränkt.