01.09.2015·Zahnmedizin Das wurzelidentische Replicate®-Implantat-System: Was steckt dahinter?
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Das wurzelidentische Replicate®-Implantat-System: Was steckt dahinter?
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter des ZR ZahnmedizinReport, Berlin
| Gleich auf drei Sommer-Kongressen großer Fachgesellschaften wurden erste Erfahrungen mit dem Replicate®-Implantat-System der Berliner Firma Natural Dental Implants AG vorgestellt. Grund für uns, das System einmal näher zu betrachten. Das Replicate Implantat-System ist ein individuelles Replikat des zu ersetzenden Zahns bzw. der Alveole, das sofort nach Extraktion implantiert wird. Die Herstellung der anatomischen Form von Wurzel und Krone erfolgt mit dem Datensatz des DVT. |
Was ist das Replicate®-Implantat?
Es ist ein Hybridimplantat mit einer makro- und mikrostrukturierten Titanwurzel, verbunden mit einem aufgelöteten Transgingivalteil aus Zirkoniumdioxid, das auch die Stumpfform für die spätere Aufnahme der definitiven Krone bildet. Beim ersten Termin werden ein Abdruck der Zähne und ein dreidimensionales Röntgenbild angefertigt. Die hieraus gewonnenen Daten werden vom Zahnarzt digital an das Labor der Natural Dental Implants AG übermittelt, wo der Ersatzzahn innerhalb von zwei Wochen angefertigt wird. Das Implantat wird vor der Extraktion auf Basis von 3-D-Röntgendaten gefräst.
Die Implantatform ist nur für die nicht belastete offene Einheilung konzipiert. Die Entfernung des Zahns leitet die Implantation ein. Mittels eines formidentischen „Try-In“ aus Zirkoniumdioxid wird geprüft, ob das Implantat in die Alveole passt. Das Replicate®-Implantat wird mit einem Setzinstrument im Knochen inseriert, gegebenenfalls adaptiert eine Naht das Zahnfleisch. Zum Schluss wird das „Cover Shield“ ähnlich einer Maryland-Brücke an den benachbarten Zähnen verklebt und in der statischen und dynamischen Okklusion freigestellt. Nach einer Einheilzeit von vier bis sechs Monaten erfolgen die Entfernung des „Cover Shields“, das Nachpräparieren des Transgingivalteils und die prothetische Versorgung, die wie eine konventionelle Kronenversorgung mit adhäsiver oder konfektionierter Befestigung abläuft.
Der zahntechnische Ablauf kann konventionell über Abformung oder digital mittels Stumpfscan erfolgen. Aufwendige Freilegungsoperationen mit Gingivatrimmung sowie der Verwendung vorgeformter Healing- und Abformpfosten entfallen.
Erste Ergebnisse in einer Pilotstudie
Für eine Pilotstudie der Universität Lübeck wurden 30 Patienten aufgenommen, die folgende Voraussetzungen erfüllten: Der zu ersetzende Zahn befand sich in situ, es gab keine fortgeschrittene Parodontopathie oder Entzündung, die Alveole war intakt und Begleiterkrankungen waren nicht vorhanden. Beinahe alle Implantate waren zum Zeitpunkt der definitiven prothetischen Versorgung stabil. Vor allem das ästhetische Ergebnis wurde von Patienten und Behandlern als „sehr gut“ bewertet. Perioperative Beschwerden waren minimal.
Laut Dr. Dr. Hans-Christian Jacobsen (Universität Lübeck) erlaubt das Replicate®-System den Erhalt der Alveole mit bester Unterstützung des Hart- und Weichgewebes. Hierdurch wird die Resorption von Gewebe verhindert und ein exzellentes ästhetisches Ergebnis erreicht. Die Implantate profitieren zusätzlich von einer osseokonduktiven UV-Licht-Aktivierung der Titanoberfläche mit einem Plasmagerät. Die Patientenzufriedenheit ist auch dadurch sehr hoch, dass der Eingriff auf einen Termin begrenzt ist.
Vor- und Nachteile des Systems
Die Vorteile sind das minimalinvasive Vorgehen bei einer einzeitigen chirurgischen Intervention und der einfache prothetische Versorgungsmodus des Implantats. Durch das alveolenfüllende Implantatdesign wird das Einheilen beschleunigt. Die funktionelle Belastung erfolgt kraftflussgerecht und mit geringerer Flächenpressung auf den wurzelförmigen Umfang des Implantats verteilt. Stress-Shielding-Effekte und Knochenschwund werden verringert. Die spaltfreie Ausgestaltung als einteiliges Hybridimplantat ist von Vorteil.
Unvorteilhaft ist, dass ein verzögerter Einsatz konzeptionell nicht unterstützt wird und die Indikation eng gezogen ist: Laut Hersteller ist das System als Ersatz von dreigliedrigen Brücken und von Einzelimplantaten nur bei stabilen Nachbarzähnen einzusetzen. Die Indikation wird durch die Anforderungen begrenzt, die allgemein an eine Sofortimplantation gestellt werden: eine gut erhaltene Alveole, ein Zahn in situ und das Erfordernis, dass eventuelle entzündliche Prozesse vor der Implantation hinreichend ausgeheilt sind. Eine exakte Nachbildung der Wurzel und die Sofortimplantation in die Extraktionsalveole funktioniert nur bei einwurzeligen Zähnen einigermaßen gut – also gerade im ästhetisch anspruchsvollen Frontzahnbereich.
Größter Nachteil sind neben der engen Indikation sicher die Herstellungskosten: Während es konfektionierte Titanschrauben schon für unter 100 Euro gibt, kostet das sehr aufwendig gearbeitete Replicate® rund 1.600 Euro (inklusive 7 Prozent Mehrwertsteuer). Demgegenüber steht allerdings der Verzicht auf Führungs- und Bohrschablohnen. Der von den Befürwortern angeführte Verzicht auf die Lagerhaltung von Implantatsystemen und chirurgische Schulungen ist nur vordergründig, weil das Replicate®-System eine Speziallösung ist und herkömmliche Implantatsysteme nicht ersetzen kann.
Quellen
- Hopp M, Peters E U, Berndt E U, Jabusch A, Braun C, Biffar R.: Wurzelidentische Replicate-Hybridimplantate – eine Option dank moderner Technik. 64. Jahrestagung der DGPro, Ulm, 11.-13. Juni 2015.
- Jacobsen H-C, Clasen S, Hakim S, Sieg P, Scherer P.: Individuell gestaltete Zahnimplantate für die Sofortversorgung mittels CAD/CAM und DVT Technik. Erste klinische Ergebnisse mit dem REPLICATE System. 5. Kongress der DGMKG, Stuttgart, 10.-13. Juni 2015.
- Hopp M.: Wurzelidentische Hybridimplantate von der Diagnostik bis zur Prothetik. 44. Jahrestagung der AG Dentale Technologie, Nürtingen, 4.-6. Juni 2015.