Uncategorized

21.12.2018·Mundtrockenheit Xerostomie: Vorbehalte gegen Implantate trotz ermutigender Studien

·Mundtrockenheit

Xerostomie: Vorbehalte gegen Implantate trotz ermutigender Studien

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZahnmedizinReport, Berlin

| Zahnmediziner haben viel zu viele Vorbehalte gegen eine Implantation bei Patienten mit Xerostomie oder Hyposalivation, beklagt Dr. Dr. Martin Kunkel (Bochum) auf dem 32. DGI-Kongress in Wiesbaden. (1) Denn obwohl Mundtrockenheit recht häufig vorkommt, gibt es kaum wissenschaftliche Daten zur Wechselwirkung zwischen Xerostomie und Implantaten. |

Was sind die häufigsten Ursachen von Xerostomie?

Mit der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung und der zunehmenden Polymedikation bei chronischen Erkrankungen betrifft das Problem der Mundtrockenheit einen immer größeren Anteil unserer Patienten. (2) Die häufigste Ursache für Xerostomie ist regelmäßige Medikamenteneinnahme. Diese kann als Nebenwirkung die Leistung der Speicheldrüsen herabsetzen. Mehr als 400 Präparate sind für diese Nebenwirkung bekannt, darunter Blutdruckmittel, Betablocker, Psychopharmaka und Antihistaminika. (3)

 

Außerdem kann Xerostomie eine Folge endokriner Störungen wie Diabetes mellitus sein. Aber ebenso kann es auch eine Folge von Autoimmunkrankheiten ‒ wie etwa dem Sjögren-Syndrom ‒ sein. Auch tumor-therapeutische Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich können den Speichelfluss hemmen und ihn im schlimmsten Fall ganz zum Erliegen bringen. Zwar sind „Xerostomie“ ‒ d. h. die subjektive Beeinträchtigungen durch Mundtrockenheit ‒ und „Hyposalivation“ ‒ d. h. die objektiv messbare Verminderung der Speichelsekretion ‒ eng miteinander korreliert, aber nicht zwangsläufig miteinander verbunden. Doch vor allem die Xerostomie wirkt sich auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität aus. (4)

Wechselwirkungen zwischen Xerostomie und Implantologie

Wechselwirkungen zwischen Xerostomie und dentaler Implantologie können sich in vielen Bereichen ergeben. Und zwar nicht nur durch den früheren Zahnverlust und die Limitationen konventioneller prothetischer Versorgungen unter extremer Mundtrockenheit nach Radiatio, sondern auch durch die Auswirkungen von qualitativen Speichelsekretionsstörungen auf die Zusammensetzung des Speichels (5) und die Integrität der Mukosa, die Mundhygienefähigkeit, das orale Mikrobiom und die damit verbundenen potenziellen Auswirkungen auf die periimplantären Strukturen.

 

Die enorme Heterogenität der Ursachen einer Xerostomie und die (Ko-)Morbidität aufgrund dieser Grunderkrankungen erschwert die wissenschaftliche Aufarbeitung von Daten für die Gesamtheit der Xerostomie-Patienten beträchtlich. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich Studien zu implantologisch relevanten Fragestellungen vor allem für Patienten mit einem Sjögren-Syndrom finden, obwohl diese Patientengruppe nur einen sehr kleinen Anteil (< 5 Prozent) aller Xerostomie-Patienten ausmacht. Doch bereits im Jahr 2002 befanden Sugerman et al., dass Zahnimplantate bei Patienten u. a. mit Xerostomie gegenüber konventionellem Zahnersatz vorzuziehen seien. (6)

Wenigstens ein paar Studien: Implantate bei Sjögren-Patienten

Interessanterweise finden sich trotz ermutigender Studienergebnisse deutliche Vorbehalte sowohl bei Patienten als auch bei recht vielen zahnärztlichen Kollegen gegenüber einer implantologischen Versorgung: Laut Dr. Dr. Martin Kunkel, Direktor der MKG-Klinik der Ruhr-Universität Bochum, befürchteten rund 40 Prozent der Sjögren-Patienten Probleme mit der Osseointegration, während solche Bedenken in einer Kontrollgruppe nur bei unter 20 Prozent geäußert wurden. In der gleichen Patientenkohorte wurde fast 40 Prozent der Sjögren-Patienten zahnärztlicherseits von einer implantologischen Versorgung ausdrücklich abgeraten, da auch die Zahnmediziner von höheren Risiken für die Osseointegration und erhöhten Implantat-Verlustraten ausgingen. (7)

 

Die ‒ zugegebenermaßen sehr dünne ‒ Studienlage (8) spricht dagegen eine andere Sprache: Korfage et al. schließen z. B. aus Patientendaten aus Groningen, dass die Implantate bei Sjögren-Patienten in ihren Leistungsdaten vergleichbar sind mit Implantaten bei gesunden Patienten. (9)

 

In den wenigen Studien ‒ mit durchgehend niedrigem Evidenzniveau ‒ liegen die kurz- bis mittelfristigen Implantat-Überlebensraten zwar erkennbar unter den Ergebnissen in gesunden Kontrollgruppen. Sie bleiben aber mit rund 94 bis 97 Prozent nach drei bis fünf Jahren im klinisch vertretbaren Rahmen. Auch beim marginalen Knochenabbau sind keine ausgeprägten Unterschiede zu Kontrollgruppen beschrieben worden, wobei die Datenbasis hier noch einmal schmaler wird.

 

Auffällig ist allerdings ‒ zumindest in einer Studie ‒ eine sehr hohe Rate periimplantärer Mukositiden. (10) Insofern werden längere Beobachtungszeiten erforderlich sein, um sekundäre Auswirkungen auf die marginale Knochenstabilität zu bewerten.

 

Für die implantatprothetische Rehabilitation von Patienten mit Sjögren und anderen mukosalen Erkrankungen liegen derzeit keine evidenzbasierten Behandlungsrichtlinien vor. Allerdings scheint keine strenge Kontraindikation für das Setzen von Implantaten bei Patienten mit Sjögren gerechtfertigt zu sein. Die Überlebensraten der Implantate sind vergleichbar mit denen von Patienten ohne orale Schleimhauterkrankungen. Die Behandlungsrichtlinien für die dentale Implantation bei Patienten mit gesunder Mundschleimhaut sind zu beachten. (11)

 

FAZIT | Trotz der sehr schwachen Datenlage ist es daher plausibel davon auszugehen, dass Patienten mit einer Xerostomie von der Versorgung mit enossalen Implantaten ganz überwiegend profitieren.

 

Literaturquellen

  • (1) Kunkel M. Implantate und Xerostomie: Wissenschaftliche Evidenz und klinische Herausforderung. 32. DGI-Kongress, Wiesbaden, 29.11.-01.12.2018.
  • (2) Hahnel S et al. Prevalence of xerostomia and hyposalivation and their association with quality of life in elderly patients in dependence on dental status and prosthetic rehabilitation: a pilot study. J Dent. 2014 Jun;42(6):664-70.
  • (3) Cockburn N et al. Managing the oral side-effects of medications used to treat multiple sclerosis. Austr Dent J 2017; online am 31.05.2017.
  • (4) M V de Lima Saintrain et al.: Salivary tests associated with elderly people’s oral health. Gerodontology 2013; 30, 2:91-97
  • (5) Mizuhashi F et al. Levels of the antimicrobial proteins lactoferrin and chromogranin in the saliva of individuals with oral dryness. J Prosthet Dent 2014; online 6. Oktober 2014.
  • (6) Sugerman P B et al. Patient selection for endosseous dental implants: oral and systemic considerations. Int J Oral Maxillofac Implants. 2002 Mar-Apr;17(2):191-201.
  • (7) Kunkel M. Implantate und Xerostomie: Wissenschaftliche Evidenz und klinische Herausforderung. 32. DGI-Kongress, Wiesbaden, 29.11.-01.12.2018.
  • (8) Chatzistavrianou D et al. Implant Treatment in Patients with Sjogren‘s Syndrome: A Review of the Literature and Two Clinical Case Reports. Eur J Prosthodont Restor Dent. 2016 Mar;24(1):40-6.
  • (9) Korfage A et al. Dental Implants in Patients with Sjögren‘s Syndrome. Clin Implant Dent Relat Res. 2016 Oct;18(5):937-945.
  • (10) Reichart PA et al. Dental implants in patients with oral mucosal diseases a systematic review. J Oral Rehabil. 2016 May;43(5):388-99
  • (11) Reichart PA et al. Dental implants in patients with oral mucosal diseases a systematic review. J Oral Rehabil. 2016 May;43(5):388-99
  • (12) Sugerman P B et al. Patient selection for endosseous dental implants: oral and systemic considerations. Int J Oral Maxillofac Implants. 2002 Mar-Apr;17(2):191-201.