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24.12.2014·Aktuelle Rechtsprechung OLG Hamm: Verlust des Vergütungsanspruchs und Umfang des Nachbesserungsrechts

·Aktuelle Rechtsprechung

OLG Hamm: Verlust des Vergütungsanspruchs und Umfang des Nachbesserungsrechts

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de 

| In einer aktuellen Entscheidung äußert sich das OLG Hamm zu den Voraussetzungen des zahnärztlichen Vergütungsanspruchs und dem Umfang des Nachbesserungsrechts des Behandlers sowie zur Neuanfertigung als Nachbesserungsmaßnahme (5. September 2014, Az. 26 U 21/13, Abruf-Nr. 143372). |

Der Sachverhalt

Der Patient befand sich rund fünf Jahre – von 2006 bis 2011 – in der Behandlung des klagenden Zahnarztes. 2011 wurde eine prothetische Behandlung durchgeführt, in deren Verlauf Brücken eingegliedert wurden. Der Patient rügte anschließend Mängel durch Einschleifen. Der Zahnarzt rechnete seine Leistungen mit Rechnung vom 18. März 2011 in Höhe von 8.600 Euro gegenüber dem Patienten ab. Der Patient verweigerte die Zahlung, sodass der Zahnarzt erklärte, dass er zu weiteren Leistungen ohne Vergütung nicht bereit sei, woraufhin der Patient die weitere Behandlung ablehnte. Anschließend erhob der Zahnarzt Zahlungsklage; der Patient seinerseits machte nun Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend. Der Zahnarzt wandte ein, der Patient habe ihm nicht hinreichend die Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Eingliederung gegeben; der Patient meinte, der Zahnersatz sei trotz vieler Nachbesserungsversuche mangelhaft.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Anders als das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG Bielefeld hat das OLG Hamm nach nochmaliger Befragung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen festgestellt (Abplatzungen der Keramikverblendungen sowie Frühkontakte der Kauflächen, die zu einer Verlagerung des Kiefergelenks führen und eine Fehlbelastung der Muskulatur zur Folge haben können, aus der wiederum Kopf- und Nackenschmerzen resultieren können). Infolge verstärkter Belastung durch den Frühkontakt sei der Zahn 48 abgebrochen und habe die Unannehmlichkeiten einer weiteren Behandlung verursacht. Das OLG Hamm wies die Zahlungsklage ab und gab der Klage des Patienten – unter anderem 2.500 Euro Schmerzensgeld – statt.

Rechtliche Bewertung

Anhand der Entscheidung des OLG Hamm lassen sich die Grundzüge der Voraussetzungen für den Wegfall bzw. das Fortbestehen des zahnärztlichen Vergütungsanspruchs und des Umfanges des Nachbesserungsanspruchs gut nachzeichnen. Der Abbruch der Behandlung durch den Patienten führt nicht per se zu einem Verlust des Honoraranspruchs. Der Behandlungsvertrag ist als Dienstvertrag über Dienste höherer Art zwar jederzeit kündbar (§ 627 Abs. 1 Satz 1 BGB), jedoch bleibt der Vergütungsanspruch entsprechend den bisher erbrachten Leistungen – das heißt je nach Kündigungszeitpunkt ggf. teilweise – zunächst grundsätzlich bestehen. Ein Vergütungsanspruch steht dem Zahnarzt jedoch dann nicht (mehr) zu, wenn er erstens durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Patienten veranlasst und zweitens seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Patienten kein Interesse haben (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB).

 

Der Zahnarzt gibt „zur Kündigung Anlass“, wenn eine schuldhafte, nicht nur geringfügige Pflichtverletzung vorliegt. Eine solche ist gegeben, wenn dem Zahnarzt ein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist (OLG Hamm unter Hinweis auf den Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. März 2011, Az. VI ZR 133/10, Abruf-Nr. 111749 unter pi.ww.de). Dass entsprechende Behandlungsfehler konkret bestanden, hat sich nach Auffassung des OLG Hamm aus den Ausführungen des erneut angehörten Sachverständigen ergeben (siehe oben).

 

Erforderlich ist zudem, dass die bisherigen Leistungen „für den Kündigenden kein Interesse mehr haben“, das heißt wenn sie für diesen wertlos geworden sind. Auch insoweit hat sich das OLG Hamm auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützt und die Wertlosigkeit bejaht. Aus der Urteilsbegründung:

 

„Auf ausdrückliches Befragen hat der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung im Senatstermin erklärt, dass man die Korrekturen nicht hätte ‚im Mund‘ vornehmen können. Es hätte eine neue Bissnahme erfolgen müssen, denn die alte Brücke hätte auch als Bissnahme nicht getaugt. Die Arbeit des Klägers sei daher insgesamt nicht mehr verwendungsfähig gewesen. Wenn aber nach der vom Sachverständigen im Senatstermin erklärten Einschätzung eine Neuanfertigung der Konstruktion zwingend notwendig war, brauchte der Beklagte dem Klägerauch nicht die Möglichkeit der Nachbesserung seiner Arbeit einzuräumen. Hierzu war der Beklagte als Patient auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung besteht für einen Patienten nur dann, wenn der Zahnarzt ihm eine Neuanfertigung anbietet. Gerade daran aber fehlt es hier.“

 

Die Verpflichtung des Patienten, eine zumutbare Nachbesserungsmöglichkeit zu ermöglichen, ist anerkannt. Das OLG Hamm stellt zudem fest, dass auch in den Fällen, in denen eine Nachbesserung an der bestehenden Prothetik nicht möglich ist, ein Nachbesserungsrecht in Form der Neuanfertigung besteht. Damit liegt das OLG Hamm auf einer Linie mit dem OLG Dresden, das im Jahr 2008 die Nachbesserung durch Neuanfertigung ebenfalls bereits anerkannt hat (Beschluss vom 21. Januar 2008, Az. 4 W 28/08, Abruf-Nr. 080766 unter pi.iww.de). Nur weil der klagende Zahnarzt eine Neuanfertigung nicht angeboten, sondern vielmehr ausgeschlossen hatte, musste der Patient dem Zahnarzt auch keine weiteren Nachbesserungsmaßnahmen ermöglichen.

 

FAZIT | Im Rahmen von Nachbesserungsmaßnahmen sollte der Behandler ggf. auch das Angebot einer Neuanfertigung in Betracht ziehen, um seinen Vergütungsanspruch nicht zu gefährden. Lehnt der Patient diese nämlich ab, kann ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Patienten eingewandt werden (Vereitelung einer Nachbesserungsmaßnahme, nämlich einer Neuanfertigung) .